Landkreis Dachau:Ein Jahr im Krisenmodus

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Im März diesen Jahres kommen die ersten Flüchtlinge aus der Ukraine in Schönbrunn an. (Foto: Toni Heigl)

Im Dachauer Kreistag schauen die Fraktionen auf ein herausforderndes Jahr zurück - und 2023 wird wohl nicht einfacher: Nachholbedarf beim Klimaschutz und die Unterbringung von Geflüchteten stehen an.

Von Anna Schwarz, Landkreis Dachau

Ein Teller mit Plätzchen wurde unter den Kreisräten herumgereicht und Weihnachtssterne in Töpfen standen auf den Tischen: Auch im Sitzungssaal des Dachauer Kreistags ist am Freitag adventliche Stimmung eingezogen - nach einem anstrengenden Jahr, das von "sich überlappenden Krisen" geprägt war, wie Landrat Stefan Löwl (CSU) in seinem Jahresrückblick sagte. Auch die einzelnen Fraktionen ließen das Jahr Revue passieren und sprachen mahnende Worten im Gremium.

Stefan Löwl (CSU)

Die hohe Erwartungshaltung der Bevölkerung könne das Landratsamt in Zukunft nicht mehr erfüllen, meint Landrat Stefan Löwl (CSU). (Foto: Toni Heigl)

In diesem Jahr sei das Landratsamt vor allem als "Krisenbehörde" gefordert gewesen, so Löwl: Wegen des Ukraine-Kriegs flüchteten hunderte Menschen in den Landkreis Dachau. Um sie in Gastfamilien unterzubringen, arbeitete die Landratsamt-Abteilung "Ehrenamt, Bildung und Integration" zu Kriegsbeginn unter Hochdruck. Derzeit sei die Lage erneut angespannt: "Gerade kommt alle zwei Wochen ein Bus mit 50 Flüchtlingen bei uns an", sie werden in der Erstaufnahmeeinrichtung in Hebertshausen untergebracht. Die Herausforderung dabei: "Die Asylunterkünfte im Landkreis werden mit Ankunft der Flüchtlinge am 23. Dezember voll belegt sein", so Landratsamt-Sprecherin Sina Török.

Neben der Flüchtlingssituation beschäftigten den Landkreis auch Klimaschutz sowie "Maßnahmen zur Klimaanpassung - die brauchen wir", sagte Löwl. 2022 wurde vor allem die Dürre im Landkreis zum Problem. Deshalb erarbeite das Gesundheitsamt aktuell Hitzepläne, im Fokus stehen ältere Menschen, Schwangere und Kleinkinder und die Frage, wie deren Gesundheit bei hohen Temperaturen geschützt werden kann. Angesichts der vielen Krisen sprach der Landrat davon, dass das Landratsamt die "hohe Erwartungshaltung der Bevölkerung" im kommenden Jahr nicht erfüllen könne, schon in diesem Jahr hätten seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter insgesamt über 30 000 Überstunden gemacht. Außerdem müsse die Verwaltung 2023 zusätzliche Herausforderungen meistern wie die Einführung des Bürgergeldes.

Stephanie Burgmaier (CSU)

Seine Parteikollegin Stephanie Burgmaier stellte fest: "In dieser Wahlperiode war vor allem eines normal: die Anormalität", verursacht durch die Pandemie und den Ukraine-Krieg. Sie lobte die Hilfsbereitschaft gegenüber den ukrainischen Flüchtlingen: "Der Landkreis zeigte Herz und Weltoffenheit". Außerdem spendeten die Kreisräte ihr Sitzungsgeld in Höhe von 15 000 Euro an den Partnerlandkreis Oświęcim, der ebenfalls Geflüchtete aufnimmt. Mittlerweile fordere der Ukraine-Krieg von jedem ein Opfer, so Burgmaier, unter anderem wegen steigender Energie- und Lebenshaltungskosten: "Auch Kommunen fragen sich: Wie sollen wir das schaffen?" Zu den rund 30 000 Überstunden der Landratsamtmitarbeiter sagte Burgmaier: "Wir dürfen sie nicht im Regen stehen lassen." Ihr Fazit: "Sparen ja, aber bitte die Menschlichkeit nicht vergessen."

Marese Hoffmann (Grüne)

Ihre Rede war eher ein Vorausblick: Die stellvertretende Landrätin Marese Hoffmann (Grüne) forderte, dass der Landkreis in Zukunft mehr gegen den Klimawandel tun müsse. Schließlich sei dieser längst in Deutschland angekommen, so Hoffmann: Die Gletscher der Zugspitze schmelzen, es gab eine Flutkatastrophe im Ahrtal und immer mehr Menschen sterben an Hitze. Deshalb reichten die von Löwl angesprochenen "Klimaanpassungen" nicht aus, vielmehr brauche es einen "Ausbau einer klimafreundlichen Strom- und Energieversorgung": "Das können Landkreis und die Gemeinden nur gemeinsam stemmen." Darüber hinaus lobte sie die "Welle der Solidarität" im Landkreis in Zeiten des Ukraine-Kriegs. Und kritisierte die Personalsituation im Landratsamt: "Es sind viel zu wenige hier, die viel zu viele Überstunden machen."

Michael Reindl (Freie Wähler)

Wünscht sich eine Lösung für die schwierige Haushaltsplanung des Landkreises: Michael Reindl. (Foto: Toni Heigl)

Für das kommende Jahr wünschte sich Michael Reindl (Freie Wähler), dass der Kreistag Lösungen für die Haushaltsplanungen findet. Wie Kämmerer Michael Mair zuletzt berichtete, steigen die Ausgaben des Landkreises. Deshalb schlug er vor, die Kreisumlage zu erhöhen, welche Gemeinden an den Landkreis zahlen müssen. Außerdem hoffe Reindl auf ein baldiges "Ende der Corona-Situation".

Harald Dirlenbach (SPD)

Will den neuen Stellenplan für das Dachauer Landratsamt kritisch hinterfragen: Vierkirchens Bürgermeister Harald Dirlenbach (SPD). (Foto: Toni Heigl)

"Wir kommen immer wieder in den Krisenmodus zurück", stellte Vierkirchens Bürgermeister Harald Dirlenbach (SPD) in seinem Jahresrückblick fest. Auch die Haushaltslage des Landkreises sei angespannt, deshalb plädiere er dafür, freiwillige Leistungen im kommenden Jahr zu überprüfen. Schließen hätten sie auch dazu geführt, dass immer mehr Menschen in die Region kommen, so Dirlenbach. Die Folge: Der Landkreis muss in weitere Schulbauten investieren. Und er forderte, den neuen Stellenplan für das Dachauer Landratsamt "kritisch zu hinterfragen", schließlich stelle sich hier die Frage: "Können wir uns das noch leisten?"

Peter Heller (Bündnis für Dachau)

"Ich wünsche mir, dass die Familie Esiovwa wieder zurück in den Landkreis kommen kann", sagte Peter Heller. (Foto: Toni Heigl)

Vor rund einem halben Jahr wurde die Familie Esiovwa aus Karlsfeld mitten in der Nacht abgeschoben, der Fall bewegt den Landkreis bis heute: Kreisrat Peter Heller (Bündnis für Dachau) sagte dazu in der Weihnachtssitzung des Kreistags: "Ich wünsche mir, dass die Familie Esiovwa wieder zurück in den Landkreis kommen kann". Darüber hinaus sprach er sich dafür aus, neben Flüchtlingen aus der Ukraine auch Geflüchtete aus Afrika und Asien aufzunehmen: "Menschenwürde ist unteilbar." Und Heller mahnte, dass beim Thema Klimaschutz nachgearbeitet werden müsse: "Wir brauchen möglichst viele Windräder im Landkreis", auch der motorisierte Individualverkehr müsse nach und nach durch öffentlichen Nahverkehr ersetzt werden.

Michael Stauch (AfD)

Michael Stauch ist AfD-Kreisrat und stellt die Kompetenz des Verfassungsschutzes in Frage. (Foto: Niels P. Joergensen)

Michael Stauch (AfD) beanstandete, dass im Bereich Flüchtlingshilfe derzeit zu viel Geld ausgegeben werde, unter anderem für Kümmerer in Unterkünften sowie Sachbearbeiter im Landratsamt: "Auch die Asylhelferkreise brauchen immer mehr Geld", behauptete er. Darüber hinaus entstünden hohe Kosten, wenn "es Gerichte und Presse ein halbes Jahr beschäftigt, wenn eine ( Anm. d. Red. geflüchtete) Familie heimgeschickt wird". Im kommenden Jahr sollte das Motto des Kreistags sein: "Dachau zuerst", so Stauch. Welche Kosten in welcher Höhe Stauch genau meinte, ließ er offen. Der Großteil der Betreuung von Geflüchteten im Landkreis wird von Ehrenamtlichen und Helferkreisen gestemmt. Durch Abschiebungen, wie zum Beispiel die der Karlsfelder Familie Esiovwa, sind dem Landkreis auch keine Gerichtskosten entstanden. Nach Stauchs Rede applaudierten nur seine Fraktionskollegen.

Leonhard Mösl (ÖDP)

Hätte sich für das neue Röhrmooser Gymnasium gewünscht, dass mehr Holz verwendet wird: Leonhard Mösl. (Foto: WBV Dachau)

Als Landwirt bemerkte Leonhard Mösl (ÖDP) den Klimawandel regelmäßig: die Trockenheit oder den Starkregen. Auch er mahnte, dass der Landkreis in Zukunft mehr fürs Klima tun und, wenn nötig, dafür Schulden aufnehmen müsse: "Auf uns rollt eine Klimakatastrophe zu", er fühle sich nicht nur seinen Enkelkindern gegenüber verpflichtet, etwas dagegen zu tun. Zudem kritisiere er die Planungen zum neuen Röhrmooser Gymnasium, die ebenfalls in der Sitzung vorgestellt wurden. Denn lediglich die Fassade der Schule ist aus Holz und man habe sich gegen eine Hackschnitzelheizung entschieden, so Mösl. Stattdessen soll die Schule mit einer Luft-Wärmepumpe und Photovoltaikanlagen beheizt werden.

Wenn sie all diese Anliegen berücksichtigen, haben die Kreisräte und Kreisrätinnen im kommenden Jahr einiges zu besprechen - nach der Weihnachtspause.

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