Krankenstand bei der Postbank:Vor verschlossener Tür

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Die Post in der Bahnhofsstraße ist geschlossen: wegen der "Personalsituation" liest Kunde Harald Georg auf dem Zettel an der Tür. (Foto: Toni Heigl)

Zweimal will ein Dachauer ein Paket in der Postfiliale abholen. Aber der Konzern hat die Zweigstelle wegen Erkrankungen dicht gemacht. Das ist kein Einzelfall - die Gewerkschaft kritisiert einen massiven Stellenabbau

Von Gregor Schiegl, Dachau

Zweimal versuchte die Familie Hempe aus Dachau, ihr Paket in der Postfiliale am Dachauer Bahnhof abzuholen, beide Male stand sie vor verschlossenen Türen. Am Dienstagnachmittag war die Filiale, die von der Postbank betrieben wird, schon um 14 Uhr dicht, am Mittwoch sperrte sie erst gar nicht auf. An der Tür informierte ein Zettel die Kunden darüber, dass die Öffnungszeiten "aufgrund der Personalsituation" geändert worden seien. Richard Hempe ist fassungslos, dass "dem großen Konzern offenbar nichts Besseres einfällt, als einfach die komplette Filiale spontan zuzusperren". Hempe ist mit seinem Ärger nicht allein. Auch bei den privat geführten Postagenturen regt sich Unmut.

Ein Sprecher der Postbank, die sämtliche Mitarbeiter für das Postbank-Finanzcenter Dachau alleine stellt, erklärt die zeitweisen Schließungen mit dem "unerwartet hohen Krankenstand". Die Ausfälle würden erst kurzfristig bekannt und führten zu einem personellen Engpass, der "trotz aller Anstrengungen der Personalplanung nicht vollständig aufgefangen" werden könne. Um die Sicherheit für Kunden und Mitarbeiter zu gewährleisten, könne die Filiale nicht in Minimalbesetzung geführt werden. Das Vier-Augen-Prinzip müsse jederzeit gewährleistet sein, sowohl im Kassenbereich wie in der Paketverwahrung. Gleichzeitig nimmt er die Angestellten in Schutz: "Unsere Mitarbeiter vor Ort können für diesen Umstand nichts. Im Gegenteil, sie versuchen die aufgrund des personellen Engpasses erhöhte Kundenanfrage mit allen Kräften zu managen."

Paketkunde Richard Hempe ist überhaupt nicht auf die Angestellten sauer. Das Unternehmen hat ihn enttäuscht. Von einem "Partner für nationalen und internationalen Paketversand" und "Marktführer, der professionelle und weltweite Express-Leistungen sowie kundenspezifische Logistiklösungen anbietet", so die Selbstbeschreibung des Unternehmens, habe er erwartet, "dass man zumindest in der Lage ist, die Öffnungszeiten einer Postfiliale sicherzustellen". Und wenn das nicht hinhaue, wäre es besser gewesen, die Pakete bei einer der Dachauer Postagenturen zu hinterlegen. "Die sind, im Unterschied zum Postkonzern, in der Lage, geregelte Öffnungszeiten einzuhalten", sagt Hempe. Eine dieser Agenturen betreibt Bernd Koopmann, Inhaber des gleichnamigen Schreibwarengeschäfts im Stadtteil Dachau-Ost. Seit sechs Jahren ist er vertraglicher Partner der Postbank. Werktags einfach zugesperrt habe er noch nie. "Das würde ich mich gar nicht trauen." Selbst bei der Inventur blieb die Poststelle wenigstens stundenweise geöffnet. Seit drei Wochen haben seine Mitarbeiter alle Hände voll zu tun. An sich müsste er sich darüber freuen. "Aber langsam wird es auch mir zu viel." Das Schlimmste, sagt er, sei, dass er keine vernünftige Personalplanung mehr machen könne und nicht wisse, wann er wie viele Leute abstellen müsse. Seine Mitarbeiter und er bekommen den wachsenden Unmut der Postbankkunden zu spüren. "Wir müssen schon ab und an den Kopf hinhalten", sagt Koopmann. Was ihn mehr stört, ist, dass er auf den Andrang nicht eingerichtet ist und manchmal Kunden unverrichteter Dinge wieder wegschicken muss. Die kleine Postagentur hat ein begrenztes Budget für den Geldschalter, das hat versicherungstechnische Gründe. Koopmann befürchtet, dass die willkürlichen Schließungen des Finanz-Centers den Ruf des gesamten Postbetriebs schädigen. Das habe er mehrfach dem Bezirksleiter der Postbank mitgeteilt.

Das Problem in Dachau ist keineswegs so singulär, wie es die Postbank darstellt. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi klagt schon lange über den Personalabbau der Bank. Immer häufiger stünden Kunden vor geschlossenen Postbank-Finanzcentern. Und tatsächlich geschieht dies oft wegen hoher Krankenstände. Tina Scholze, Postbank-Unternehmensbeauftragte von Verdi, berichtet von einer "besorgniserregenden Zahl". Im Schnitt seien die Mitarbeiter an den Postschaltern älter als 44. Die, die noch gesund seien, arbeiteten sich auf, um die fehlenden Kollegen zu ersetzen - "oft über die Schmerzgrenze hinaus". Bis auch sie ausfallen. "Das ist ein Teufelskreis." Viele Mitarbeiter seien nur befristet angestellt gewesen, zahlreiche Verträge seien im Sommer ausgelaufen.

Mit Kritik hält sich Scholze trotzdem zurück. Durch die niedrigen Zinsen sind die Gewinnmargen der Postbank stark geschrumpft, die Postdienstleitungen gehen zurück, im Online-Versandhandel ist die Konkurrenz groß. "Wir führen viele Gespräche, es gibt viel Dialog", sagt Scholze. Sie hofft noch immer, dass die Postbank aufstockt. Der Unternehmenssprecher bittet die Kunden "ausdrücklich um Entschuldigung" und Verständnis. Am Samstag sei die Filiale am Bahnhof wieder von neun bis 12.30 Uhr geöffnet. Für Rudolf Hempe ist das zu spät. Er hat das bestellte Paket bereits zurückgehen lassen.

© SZ vom 09.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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