Karlsfeld:Obdachlose sollen Nebenkosten zahlen

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SZ-Grafik (Foto: N/A)
  • Die Gemeinde Karlsfeld will ihre Obdachlosenunterkunft am Hadingerweg kostendeckend betreiben.
  • Dazu muss sie eine Nebenkostenpauschale berechnen. In Einzelfällen kann das zu massiven Teuerungen führen.

Von Gregor Schiegl, Karlsfeld

Wohnen wird immer teurer, das bekommen nun selbst die Obdachlosen in Karlsfeld zu spüren. Die Gemeinde will ihnen künftig die Nebenkosten mitberechnen. Für die Obdachlosen würde dies zu Kostensteigerungen von 32 Prozent führen, in Einzelfällen sogar von bis zu 119 Prozent. Einen entsprechenden Entwurf der Rathausverwaltung hat der Hauptausschuss des Gemeinderats jüngst gebilligt, Gegenstimmen gab es keine.

Die Gemeinde Karlsfeld ist in schweren Finanznöten, die Einnahmen reichen bei Weitem nicht aus für die notwendigen Investition in die Infrastruktur. Bis 2018 wird die Kommune voraussichtlich 30 Millionen Euro an Schulden aufhäufen müssen. Vor diesem Hintergrund kommen alle Ausgaben auf den Prüfstand - nun eben auch die für die Obdachlosen. Dabei zeigte sich, dass die übergangsweise Einquartierten oft recht sorglos mit Strom und Gas umgehen.

Was die Unterbringung kostet

Evelyn Alteneder vom Wohnungsamt im Karlsfelder Rathaus berichtet, dass pro Person im Schnitt Nebenkosten von etwa 95 Euro in der Obdachlosenunterkunft angefallen seien. Diese 95 Euro sollen künftig als Pauschale auf die Obdachlosen umgelegt werden. "Wir wollen ja kein Geschäft damit machen", erklärt Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU). "Aber wir müssen schon schauen, dass wir die Anlage kostendeckend betreiben können." Dem widersprach im Hauptausschuss niemand.

Die Wohnkosten selbst bleiben auf dem alten Stand. Am Hadinger Weg gibt es ein Haus mit zwei Zweizimmerwohnungen. Die Gemeinde berechnet hier weiterhin 300 Euro. Diese Unterkunft ist Familien vorbehalten. "Die Kinder sollen ja ein festes Dach über dem Kopf haben", sagt der Rathauschef. Für die anderen Obdachlosen hat die Gemeinde eine Containeranlage aufgestellt. 160 Euro kostet die bescheidene Unterbringung. Manchmal teilen sich auch zwei Obdachlose einen Container, wodurch sich ihre Wohnkosten auf 80 Euro reduzieren. Mit der Nebenkostenpauschale erhöht sich dieser Betrag auf einen Schlag aber nun auf mehr als doppelt so viel, nämlich auf 175 Euro.

Wer soll das zahlen?

Schnell kam die Frage auf, ob die Obdachlosen ihre Kosten denn rechtzeitig beglichen, ja, ob sie denn überhaupt in der Lage dazu seien. Evelyn Alteneder konnte die Gemeinderäte beruhigen: Es seien auch immer wieder Leute von Obdachlosigkeit betroffen, die in Lohn und Brot stünden, die könnten sich das vergleichsweise billige Provisorium ohnehin leisten. Und bei den Hartz-IV-Empfängern lasse die Gemeinde das jeweils zuständige Amt die Wohnkosten direkt begleichen, die Summe werde vom Hartz-IV-Satz abgezogen. Diese Menschen haben gar keine Möglichkeit, der Gemeinde Geld vorzuenthalten.

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Gemeinderatsneuling Andreas Turner entwickelte einige kreative Ideen, wie man die Kostenstruktur für Obdachlose anders gestalten könne. So stellte er die Regelung in Frage, dass zwei Obdachlose in einem Container zusammen das gleiche zahlen, wie einer, der dort alleine wohnt. Die Abnutzung sei ja viel höher, entsprechend, müsste man auch höhere Kosten ansetzen. Darauf wollte sich der Bürgermeister aber nicht einlassen. Die Erfahrung zeige, dass der Grad der Abnutzung und Verschmutzung sehr vom Einzelfall abhänge. Evelyn Alteneder verweist außerdem darauf, dass die Sozialgesetzgebung der Gemeinde ein enges Korsett anlege. "Ich kann in einem Container mit 16 bis 18 Quadratmetern ja nicht irgendeinen beliebigen Quadratmeterpreis ansetzen." Das jetzige Modell entspreche der gängigen Praxis.

Nicht nur die Gebühren-, auch die Benutzungssatzung für die Obdachlosenunterkunft wurde neu erlassen. Änderungen am Entwurf der Verwaltung nahm der Hauptausschuss nach kurzer Diskussion dann doch nicht vor. Die Verwaltung hatte ihre Arbeit offenbar so gut gemacht, dass das Landratsamt sie auch anderen Kommunen als Mustersatzung für ihre eigenen Obdachlosenunterkünfte empfehlen will.

© SZ vom 17.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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