Wirtschaft:"Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich hier nicht eingezogen"

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An diesen Stangen vor dem Gründerzentrum sollten schon seit Langem Firmenschilder montiert werden, kritisiert Schuldnerberater Johann Tillich. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Vor über zwei Jahren ist Johann Tillich mit seinem Unternehmen ins Karlsfelder Gründerzentrum gezogen. Doch seine anfängliche Euphorie für die Arbeits-WG ist mittlerweile weg. Er ist enttäuscht von Versprechungen, die nicht gehalten wurden.

Von Anna Schwarz, Karlsfeld

Die zwei Silberstangen vor dem Karlsfelder Gründerzentrum sind für Johann Tillich ein Symbol dafür geworden, dass hier nichts vorangehe: Eigentlich sollten vor dem anthrazitfarbenen Haus bereits vor einem Jahr Firmenschilder montiert werden, geschehen sei bislang nichts: "Das ist unseriös und ärgert mich, weil mich meine Kunden oft nicht finden", das Gebäude wirke unscheinbar, sagt der Unternehmer mit grauen Haaren und orangefarbenem Pullover. Auch ein eigenes Klingelschild habe der Schuldnerberater nie bekommen. Wenn seine Mandanten vor der Tür stehen, müssen sie ihn erst anrufen, damit er ihnen aufmachen kann. Das habe er sich ganz anders vorgestellt, als er vor rund zweieinhalb Jahren mit seinem Büro in den sogenannten "Workspace Karlsfeld" einzog.

Dort sollten sich Startup-Gründer und "alte Hasen" gegenseitig inspirieren, netzwerken und sich austauschen: Das war die Vision des Wirtschaftsförderers im Rathaus, Peter Freis, als er das Projekt anstieß. Im Januar 2021 eröffnete das Gründerzentrum in der Nußbaumstraße 8 mit zehn Büros, wo sich Firmen einmieten können, und ist derzeit vollbesetzt. Doch die Gemeinde verwaltet es nicht selbst, sondern hat es in die Hände von Betreiber Sascha Hoffmann gegeben.

Aus den Besprechungsräumen ist nichts geworden

Wegen der "angespannten finanziellen Situation der Gemeinde" sei es haushaltstechnisch keine Option gewesen, das Gründerzentrum selbst zu betreiben, schreibt Freis. Die anfängliche Euphorie für die Arbeits-WG ist bei Johann Tillich mittlerweile weg. Der Karlsfelder sagt: "Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich hier nicht eingezogen." Er hat die Kündigung für sein rund 20 Quadratmeter großes Büro bereits eingereicht, Ende nächsten Jahres könne er endlich ausziehen.

Genervt ist der 68-Jährige unter anderem davon, dass ihm beim Einzug versprochen wurde, dass im Obergeschoss einmal Besprechungsräume entstehen würden. Doch heute ist die Fläche immer noch ein Rohbau, Kabel hängen herum, ein Fußboden wurde nie verlegt: "Da hat sich nichts verändert, seitdem ich eingezogen bin", sagt Tillich. Networking-Veranstaltungen, wie sie die Gemeinde dort einst plante, fanden nie statt: "Auch eine Eröffnungsfeier gab es bis heute nicht", sagt Tillich.

Im Januar 2021 eröffnete das unscheinbare Gründerzentrum in der Nußbaumstraße 8 mit zehn Büros, wo sich Firmen einmieten können. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Johann Tillich bedauert, dass die Firmen des Gründerzentrums nur mit einem angeklebten Zettel am Eingang präsentiert werden. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Im Obergeschoss des Workspace sollten einmal Besprechungsräume entstehen - doch heute ist die Fläche immer noch ein Rohbau. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Seit 2021 hat auch Wirtschaftsförderer Peter Freis sein Büro im Gründerzentrum. Er sagt, die Rahmenbedingungen entsprächen "dem allgemein üblichen Standard" und seien ausreichend. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Darüber hinaus hätte er sich ein eigenes Postfach am Gebäudeeingang gewünscht, aber auch das sei nicht möglich gewesen, bedauert Tillich. Stattdessen landet die Post aller zehn Workspace-Unternehmen in einem Sammel-Briefkasten und wird anschließend verteilt. Hier sei es schon mal passiert, dass ein Brief von der Staatsanwaltschaft wegen Tillichs Mandaten beim falschen Empfänger im Gründerzentrum landete und aufgerissen wurde, erzählt er. Außerdem ärgert ihn, dass der Reinigungsdienst - den er mit der Büromiete mitbezahlt - zum Teil nicht regelmäßig saubermache: "Einmal wurden die Mülleimer in unserem Büro zwei Wochen gar nicht geleert", sagt Tillich. Auch das Klopapier und die Papierhandtücher auf den Toiletten seien des Öfteren nicht nachgefüllt worden.

Dass eine Zeitlang in den Büros nicht richtig gereinigt wurde, haben auch seine Büronachbarn Markus Gschwandtner und Philipp Schulan festgestellt, sie sind Mitarbeiter beim Technologie-Unternehmen "SBN Wälzlager". Ihnen sei auch die Sache mit den fehlenden Papierhandtüchern auf der Toilette schon aufgefallen, doch Schulan habe sich dann einfach selbst beholfen und die Handtuchspender eigenständig aufgefüllt: "Das ist auch eine Frage des Arrangierens", sagt er und fügt hinzu: "Wir fühlen uns sehr wohl hier", denn unter den Workspace-Kollegen kenne man sich untereinander und plausche auch mal in der Küche.

"Verbesserungen sind in einigen Bereichen wünschenswert"

Im Gegensatz zu Tillich sei es für Gschwandtner und Schulan nicht so dramatisch, dass ihr Firmenschild nicht vor der Haustür prangt, denn sie haben keinen Parteiverkehr, müssen also nicht von Kunden gefunden werden. Ein eigenes Postfach brauchen sie nicht, weil sie kaum Briefe bekommen, sagen sie.

Auch Wirtschaftsförderer Freis hat seit 2021 sein Büro im Gründerzentrum, da im Rathaus keine Räume mehr frei waren. Er schreibt, dass der Workspace durch "ruhiges Arbeiten und ein gutes, freundschaftliches Miteinander der Nutzer" geprägt sei. Die Rahmenbedingungen entsprächen "dem allgemein üblichen Standard" und seien ausreichend: "Verbesserungen sind in einigen Bereichen wünschenswert, müssen vom Betreiber aber auch wirtschaftlich dargestellt werden können", was verbessert werden könnte, will er auf SZ-Nachfrage nicht konkretisieren. Aber die Wirtschaftsförderung sei ständig im Austausch mit dem Betreiber und versuche, Verbesserungen zu realisieren.

"Die Firmenschilder hatten wir schlichtweg vergessen"

Auf SZ-Nachfrage schreibt Workspace-Betreiber Sascha Hoffmann, dass die Nachfrage nach einzelnen Büros derzeit sehr hoch sei, deshalb wurde das Angebot des Gründerzentrums Mitte des Jahres erweitert. Seitdem können acht weitere Büros in der Nußbaumstraße 4 angemietet werden, aktuell sind noch vier davon frei.

Zu Tillichs Vorwurf, dass Hoffmann bereits im August vergangenen Jahres versprochen hatte, an den beiden Stangen vor dem Gebäude Firmenschilder anzubringen, schreibt er: "Die Verzögerung bei der Anbringung der Firmenschilder bedauern wir. Ehrlich gesagt, hatten wir dies schlichtweg vergessen." Nun arbeite er intensiv daran, die Zusage so schnell wie möglich zu erfüllen. Eigene Briefkästen für die Firmen werde es jedoch nicht geben. Dies sei aber bereits vor der Vertragsunterzeichnung transparent mitgeteilt worden, schreibt Hoffmann.

Lieber Keller statt Gründerzentrum

Schlechte Nachrichten habe Hoffmann wegen des einst versprochenen Ausbau des Dachgeschosses als Meetingraum: "Leider müssen wir mitteilen, dass der Ausbau nicht mehr möglich ist." Grund dafür seien die massiven Kostensteigerungen infolge der Pandemie und der Inflation, diese finanziellen Herausforderungen hätten dazu geführt, dass das geplante Dachgeschossprojekt nicht mehr realisierbar sei. Allerdings bestehe für jeden Mieter die Möglichkeit, im Erdgeschoss einen Meetingraum zu buchen. Dies hätten auch schon einige Mieter in Anspruch genommen.

Tillich hat dazu eine klare Meinung und ist enttäuscht von den falschen Versprechungen zum Dachgeschossausbau: "Wenn man es nicht finanzieren kann, hätte man nicht damit werben dürfen." In einigen Monaten wird der Schuldnerberater wieder in seinem Homeoffice im Keller seines Hauses arbeiten.

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