Karlsfeld:Feuer und Flamme

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Bei der Freiwilligen Feuerwehr Karlsfeld haben Stephanie Gier und Tobias Janson schnell Anschluss gefunden. Was ihnen dort besonders gut gefällt, sind die Gemeinschaft und der Zusammenhalt. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die frechen Werbeplakate der Freiwilligen Feuerwehr Karlsfeld haben ein kleines Wunder bewirkt: 41 Neulinge verstärken jetzt die Ehrenamtlichen. Stephanie Gier und Tobias Janson sind zwei von ihnen. Sie haben es nicht bereut.

Von Anna Schwarz, Karlsfeld

"Das Einzige, was bei uns richtig dicht ist, sind unsere Atemschutzmasken" prangt in großen Lettern auf einem gelben Plakat oder "Wenn alle in Karlsfeld wegrennen, kommen wir" und "Wir haben keine Türen, wir gehen durch Wände". In den vergangenen eineinhalb Jahren hat die Feuerwehr Karlsfeld rund 120 Großplakate in der Gemeinde verklebt, um Mitglieder zu gewinnen, erzählt Feuerwehr-Sprecher Michael Konrad: "Unser Ziel war es ursprünglich innerhalb von neun Monaten zehn Erwachsene zu gewinnen. Das haben wir total übertroffen!"

Die provokanten Sprüche, die auch mit manchem Klischee über die Feuerwehr spielen, scheinen zu ziehen: Seit Beginn der Plakataktion im März 2020 sind 41 Neulinge dazugekommen - vom Jugendlichen bis zum Über-50-Jährigen. Aktuell sind es 108 aktive Mitglieder, davon 90 Erwachsene und 18 Jugendliche. Immer mehr Frauenpower mischt sich in die Helferriege: Unter den Erwachsenen sind es 13 Frauen, in der Jugendfeuerwehr vier Mädchen.

"Unsere Einsatzzahlen haben sich in den letzten 30 Jahren verdreifacht"

Den Mitgliederzuwachs hatte die Feuerwehr Karlsfeld dringend nötig, wie Konrad erklärt. "Unsere Einsatzzahlen haben sich in den letzten 30 Jahren verdreifacht. Das liegt auch daran, dass Karlsfeld enorm gewachsen ist." Durch die Werbekampagne auf Plakaten und in den sozialen Medien, ausgeklügelt von einer Dachauer Werbeagentur, kam auch Stephanie Gier aus Karlsfeld vor rund einem Jahr dazu. Die 21-Jährige studiert Musikwissenschaften in München, sie entdeckte die Plakate am Karlsfelder S-Bahnhof. Zunächst hatte sie Bedenken: Würde sie als junge Frau unter den vielen Feuerwehrmännern ernstgenommen werden? Würde sie genug Kraft aufbringen, um die Einsatzarbeiten bewältigen zu können? Doch ihre Ängste waren unbegründet. Es gebe einen großen Zusammenhalt in der Gruppe, erzählt sie: "Die Kameradschaft ist für mich das Schönste. Ich bin mit offenen Armen empfangen worden." Man unterstütze sich gegenseitig. "Manche Kameraden sind stärker und größer als ich und helfen mir, wenn wir schwere Geräte tragen müssen" - zum Beispiel bei der Feuerwehrübung, die einmal im Monat am Abend stattfindet. Außerdem rückte Gier schon bei einer Handvoll Einsätzen aus.

Einer ist ihr besonders in Erinnerung geblieben: "Im Sommer musste jemand am Karlsfelder See reanimiert werden. Da war ich für die Absperrung zuständig." Nach dem Einsatz gab es eine Nachbesprechung unter den Feuerwehrkollegen: "Das hat mich natürlich alles emotional berührt. Zum Glück hat die Person überlebt."

Das Ehrenamt hat ihr auch geholfen, ihren beruflichen Weg zu finden: "Das Rettungswesen hat mich sehr fasziniert", erzählt sie. Den Medizinertest möchte sie deshalb noch einmal schreiben und hofft, dass sie irgendwann als Ärztin im Bereich der Rettung arbeiten kann.

"Man fühlt sich schnell zugehörig"

Ihr Kamerad Tobias Janson aus Karlsfeld fand zu Beginn der Corona-Pandemie zur Wehr, im Juli 2020: "Da war ohnehin nicht viel los", sagt der 17-Jährige lachend. "Da hatte ich keine Ausrede, warum ich keine Zeit für das Ehrenamt habe." Vor allem das Plakat mit der Aufschrift "Karlsfeld brennt" habe ihn fasziniert; darunter stand klein geschrieben der Zusatz "ohne die freiwillige Feuerwehr".

Auch für ihn ist die Kameradschaft in der Gruppe das Schönste: "Man fühlt sich schnell zugehörig, und weil die Feuerwehrübungen für jeden Freizeit sind, hat man viel Spaß zusammen." Dabei üben die Nachwuchskräfte zum Beispiel, wie sie eine Person vom Dachau des Feuerwehrhauses retten, wie sie Autoblech aufschneiden, um jemanden zu bergen oder einen Menschen reanimieren. Nach rund zweieinhalb Stunden ist die Übung vorbei, darauf folgt ein Beisammensein, wie es Tobias Janson nennt. Wenn es die Pandemielage erlaubt. Auch ihn hat die Feuerwehr beruflich weitergebracht. Im kommenden Jahr macht er sein Abitur am Ignaz-Taschner-Gymnasium in Dachau. Er möchte danach Rettungsingenieurwesen studieren. Dann könnte er zum Beispiel Feuerwehren oder Firmen beraten, was in Sachen Gefahrenabwehr oder Brandschutz zu tun ist. Durch das Ehrenamt habe er auch persönlich dazugelernt: "Ein Ausbilder hat mal zu uns gesagt: Wenn Plan A nicht funktioniert, dann braucht man eben Plan B oder C" - so seien alle Lebenssituationen zu lösen.

Feuerwehrsprecher Michael Konrad freut sich über den großen Mitgliederzuwachs. Aktuell möchte er aber keine weitere Nachwuchskampagne starten: "Wir müssen die Neulinge ja erst mal anlernen" - schließlich hat seine Feuerwehr rund 250 Einsätze im Jahr und Karlsfelds Einwohnerzahlen steigen. Zum Klischee, dass Feuerwehrler viel trinken, muss Konrad aber dann doch noch etwas sagen: "Wenn wir nur saufen würden, würden wir unsere Einsätze gar nicht schaffen!"

© SZ vom 16.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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