Initiative des Bauernverbands:Auslöffeln sollen es alle

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Für die Rinder auf der Weide des Guts Obergrashof gibt es frisches Gras und Karotten. Der Betriebe wirtschaftet biologisch dynamisch. Im Landkreis tun das bislang nur wenige Landwirte. Sie fürchten, dass sich die Umstellung für sie vielleicht nicht lohnt. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Nach dem Erfolg des Volksbegehrens für mehr Artenschutz fordert der Bauernverband eine Abnahmequote für öffentliche Einrichtungen und Vereine. Diese wollen aber weiter freiwillig auf ökologische und regionale Produkte setzen.

Von Thomas Hürner und Anna-Elisa Jakob, Dachau

Sie fühlen sich alleine gelassen, nicht richtig wertgeschätzt und abgestempelt als Sündenböcke in der Debatte rund um das Volksbegehren zum Artenschutz. Deshalb sind Vertreter des Bayerischen Bauernverbands (BBV) in der vergangenen Woche mit einer Initiative nach vorne geprescht. Ihre Forderung: Öffentliche Einrichtungen, Kirchen und Vereine sollen künftig mindestens 50 Prozent der Lebensmittel aus regionalem und weitere 25 Prozent aus ökologischem Anbau beziehen. Der BBV-Kreisverband möchte, wie er sagt, mit diesen Vorgaben die Gesellschaft mit in die Verantwortung ziehen, um eines der zentralen Anliegen des Volksbegehrens für mehr Artenschutz stemmen zu können: Mindestens 30 Prozent soll der Anteil an ökologischer Landwirtschaft in Bayern ab dem Jahr 2030 betragen. Eine kostspielige Aufgabe, die nicht über den Markt aufgefangen werden kann, glauben die Bauern.

Doch wie regional und ökologisch ist die öffentliche Versorgung im Landkreis bereits? Die genaue Situation in Schulen und öffentlichen Einrichtungen müsse man erst überprüfen lassen, erklärt Wolfgang Reichelt, Pressesprecher des Landratsamtes. Seine erste Einschätzung klingt jedoch positiv: "Im Landratsamt achten wir sowieso darauf, regional und bio einzukaufen, soweit das machbar ist." Bei Veranstaltungen, die vom Landkreis organisiert werden, müsse man sich allerdings nach den jeweiligen Gastronomen richten. Die Dachauer Kulturschranne, das Ludwig-Thoma-Haus oder das Dachauer Schloss haben feste Verträge mit bestimmten Catering-Firmen, die sämtliche Veranstaltungen bewirtschaften.

Geht es um die Versorgung in den öffentlichen Schulen im Landkreis, wird gemeinsam mit der jeweiligen Schulfamilie ein Anbieter für die Lebensvermittelversorgung ausgewählt. "Hier wird auf jeden Fall auf Regionalität und gesunde Lebensmittel geachtet", so Reichelt. Bei der Auswahl des Anbieters müsse sich der Landkreis aber am Vergaberecht orientieren, das auf EU-Ebene vorgegeben ist. Der Grundsatz lautet: Der wirtschaftlichste Anbieter muss den Auftrag erhalten. "Hier geht es zwar nicht nur um den Preis, aber natürlich spielt dieser eine wichtige Rolle", so Reichelt.

Ähnlich verhält es sich bei den öffentlichen Einrichtungen der Stadt Dachau. Bei den Kitas etwa, sagt Hauptamtsleiter Josef Hermann, kommen die Lieferungen zur Essensversorgung von einem bundesweiten Lieferanten. Allerdings lege man Wert auf regionale Produkte: Salat und Obst werden ergänzend von Betrieben aus dem Umland bezogen, außerdem gibt es eine Öko-Kiste, die von ortsansässigen Bio-Bauern mit gesunden Lebensmitteln befüllt und in regelmäßigen Abständen geliefert wird. Bei der Bewirtung der kommunalpolitischen Sitzungen und Veranstaltungen werde ohnehin auf Regionalität geachtet, sagt Hermann, etwa die Säfte vom Erzeugernetzwerk "Unser Land". Aber was bedeutet die BBV-Initiative konkret für die Stadt Dachau? Hermann möchte sich nicht zu weit aus der Deckung wagen: "Wir warten erst mal, bis der Antrag kommt. Dann werden wir diesen in den Gremien diskutieren."

Das Credo lautet: Freiwilligkeit

Für Michaela Steiner, die Vorsitzende der Solidargemeinschaft "Dachauer Land", sind Zwänge der falsche Weg. "Wir müssen die Menschen weiter sensibilisieren", sagt sie, "und das funktioniert besser über den Dialog, als über Forderungen." Ohnehin könne sich das bereits Erreichte sehen lassen: "Das wäre ohne die Unterstützung der Stadt und des Landkreises nicht möglich gewesen." Proaktiv sei man dort auf die Solidargemeinschaft zugegangen, vor allem Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) und Landrat Stefan Löwl (CSU) hätten immer das Gefühl vermittelt, "dass sie mit uns zusammenarbeiten wollen". Und letztendlich müsse man das ganze auch realistisch betrachten: "Natürlich wäre es toll, wenn Schulen und Kitas ausschließlich regionale Lebensmittel anbieten würden", sagt Steiner, "aber das ist auch eine Kostenfrage, die letztlich bei den Eltern hängen bleibt." Das Credo laute daher Freiwilligkeit. "Und da sind wir auf einem guten Weg", versichert Steiner.

Heidi Schaitl, Kreisgeschäftsführerin der Caritas, schätzt die Situation ähnlich ein: "Unsere Kindertagesstätten achten bereits darauf, möglichst viele regionale und ökologische Lebensmittel zu verwenden." Doch auch für sie wäre die Finanzierung ein Problem: Wird das Angebot ausgeweitet, müssten die Kosten auf die Eltern und die Caritas als sozialen Träger umgewälzt werden. "Wir begrüßen den Vorschlag - aber dann brauchen wir finanzielle Unterstützung vonseiten der Politik", so Schaitl.

Die Debatte um die Kosten möchte der Bauernverband mit seinem Vorstoß bewusst vorantreiben - schließlich liegt hier die Kritik an der geforderten Bio-Quote im Volksbegehren.

Der BBV zielt mit seinem Antrag aber nicht nur auf die Direktversorger, sondern möchte anregen, dass vor allem regionale Metzger, Bäcker und Händler aus der Region Veranstalter beliefern. Bei Wolfgang Moll, dem Vorsitzenden des TSV 1865 Dachau, renne man mit der Forderung "grundsätzlich offene Türen ein". In der Praxis sei es aber ohnehin schon so, dass der Verein bei Feierlichkeiten und bei der Bewirtung an Spieltagen auf Anbieter aus der Region zurückgreife. "Egal ob Metzger oder Bäcker", sagt Moll, "wir pflegen die Nähe zu den Betrieben im Landkreis, das ist ein Geben und Nehmen." Natürlich müsse man als Vereinsverantwortlicher abwägen, wenn es preislich "exorbitante Unterschiede" gebe, immerhin sei man so etwas wie "ein Treuhänder der Mitgliedsbeiträge". Klar sei aber auch: "Der Großhändler ist, wenn überhaupt, nur in Ausnahmefällen eine Option." Bislang liegt die Verantwortung für Regionalität und Qualität der Lebensmittel bei öffentlichen Veranstaltungen bei den beauftragten Gastronomen.

Gastwirt Ewald Zechner bewirtschaftet das Große Festzelt auf dem Dachauer Volksfest und wird regelmäßig für weitere regionale Veranstaltungen mit dem Catering beauftragt - beispielsweise für die anstehende Jubiläumsfeier der Freiwilligen Feuerwehr Dachau. "Jeder Gastronom, der etwas von sich hält, versucht heutzutage so viel wie möglich regional einzukaufen", sagt Zechner. Mit dem Vorschlag des BBV folge man also einem Trend, der sowieso im Kommen ist. Für ihn als Gastwirt würde eine solche Quote einen starken bürokratischen Mehrwert bedeuten, schließlich müsste er für jedes Lebensmittel nachweisen, ob es regional oder ökologisch ist. Und bis zu welchem Punkt ließe sich das überhaupt prüfen? Wenn die Semmeln vom Bäcker aus der Region kommen, bedeutet das nicht, dass auch das Mehl aus dem Umkreis ist.

Während die Quote im Volksbegehren darauf abzielt, die ökologische Landwirtschaft auszubauen, setzt die Idee des BBV voraus, dass es bereits genug Bio-Landwirtschaft in der Region gebe - diese jedoch nicht genügend Abnehmer finde. "Der Bio-Markt war mal eine Nische, die man bewusst kleingehalten hat, damit auch die Preise hoch bleiben können", sagt Holger Weller, Bio-Landwirt aus Bergkirchen. Er selbst produziert nur so viel, wie er in seinem Hofladen in Bergkirchen verkaufen kann - bio und regional. Doch mittlerweile kooperieren auch große Supermarktketten wie Lidl und Kaufland mit "Bio Land" oder "demeter", um ökologische Produkte in Masse verkaufen zu können. Nachfrage, Markt und Bewusstsein sind im Wandel - und heizen die Verantwortungsdebatte weiterhin an.

© SZ vom 08.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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