Markt Indersdorf sucht Partnergemeinde:"Wir alle sind Europa"

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Das Kloster bietet viele Anknüpfungspunkte für Städtepartnerschaften. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Schon seit Jahren gibt es in Indersdorf Überlegungen für eine Städtepartnerschaft, doch bisher verliefen alle im Sande. Jetzt wirbt die SPD für ein Bürgerbeteiligungsverfahren, um die passende Partnergemeinde zu finden.

Von Jacqueline Lang, Markt Indersdorf

Manche haben eine, manche - wie die Stadt Dachau - haben gleich mehrere. Die Marktgemeinde Markt Indersdorf ist aber bislang leer ausgegangen bei der Partnerwahl. Bereits Anfang der 2000er-Jahre hatte die SPD-Fraktion eine Gemeindepartnerschaft ins Gespräch gebracht und dann wieder 2017. Trotz mehrerer Vorschläge verlief die Sache letztlich beide Male im Sand. Nun hat SPD-Fraktionssprecher Hubert Böck erneut einen Antrag gestellt, um "mögliche Partnerschaften in einer Bürgerbeteiligung zu ermitteln". Für diese und mögliche erste Maßnahmen zur Realisierung einer Partnerschaft mit einer anderen Gemeinde schlägt Böck ein Budget von 5000 Euro vor.

Schon beim jüngsten Versuch 2017 habe man versucht, die Indersdorfer Bürger mit in die Entscheidung einzubeziehen. Im Mitteilungsblatt und auf der Gemeinde-Homepage sei damals dazu aufgerufen worden, Vorschläge für eine mögliche Partnergemeinde einzubringen, sagt Böck, der damals noch zweiter Bürgermeister gewesen ist. Damals sei vor allem die Gemeinde Vahrn in Südtirol favorisiert worden, die auch schon um das Jahr 2000 erstmals im Gespräch gewesen war. Der Grund für die Wahl: Durch das Kloster des Augustiner Chorherrenstifts gibt es eine historische Verbindung zu der Gemeinde, die ihrerseits selbst ein Kloster hat, das Kloster Neustift. Da man seinerzeit bereits in den ersten Vorbereitungen für die 900-Jahr-Feier des Klosters gesteckt habe - eine der vielen Veranstaltungen, die in diesem Jahr coronabedingt ausfallen mussten - habe man eine Partnerschaft mit den Südtirolern favorisiert. Doch der Vorstoß sei trotz mehrmaliger Versuche auf wenig Gegenliebe gestoßen, erinnert sich auch Geschäftsleiter Klaus Mayershofer. Der zweite Vorschlag war die ungarische Gemeinde Kóka, doch nach der Abfuhr von Vahrn wurde diese Option nicht weiter verfolgt.

Böck hatte im Zuge der Suche 2018 auch noch die griechische Insel Symi ins Spiel gebracht. Die langjährigen Betreiber eines beliebten Indersdorfer Billard-Cafés waren dorthin ausgewandert und hatten dort ein Hotel eröffnet, das laut Böck seitdem beliebtes Urlaubsziel vieler Indersdorfer ist. Auch er selbst sei damals dort gewesen und habe sogar bereits erste Gespräche geführt. "Die hätten schon Interesse gehabt damals", sagt Böck. Doch den übrigen Gemeinderäten waren mehrheitlich der Meinung, dass die Insel zu weit weg liegt und damit eine lebendige Partnerschaft nur schwer aufrecht zu erhalten sei, auch gebe es anders als im deutschsprachigen Südtirol eine sprachliche Barriere. Daraufhin ruhte die Idee erst einmal wieder zwei Jahre - bis jetzt.

Warum Markt Indersdorf bislang keinen Partner hat, weiß Hubert Böck nicht so recht. Denn aus Gesprächen mit Bürgern habe er schon oft vernommen, dass es durchaus Interesse gebe. Böck geht es bei dem neuerlichen Vorstoß, der laut Antrag nun eine Bürgerbeteiligung vorsieht, trotzdem zunächst darum herauszufinden, wie groß das Interesse an einer Partnergemeinde unter den Indersdorfer wirklich ist. Wenn ein solches besteht, dann sollten die Bürger in die Entscheidung, mit wem man freundschaftliche Bande knüpft, mit einbezogen werden. Eventuell hätten ja ein paar Indersdorfer sogar gute Vorschläge, hofft Böck. Hauptsache, die Sache läuft nicht wieder ins Leere.

Hubert Böck bringt das Thema Städtepartnerschaft wieder auf die Agenda. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Geschäftsleiter Mayershofer erklärt, man habe in die Haushaltsplanungen bereits Geld für solche Maßnahmen eingestellt, auch wenn erst Anfang des neuen Jahres über den Antrag sowie über den finalen Haushalt diskutiert werden wird. So viel jedenfalls sei sicher, sagt Mayershofer: "Am Geld wird's nicht scheitern." Er hoffe nur - und das sei jetzt seine persönliche Meinung - dass man nicht noch einmal versuchen werde, Vahrn zu einer Partnerschaft zu bewegen. "Eine Freundschaft sollte nicht einseitig sein", so Mayershofer.

Außerdem, müsse die Gemeinde der Wahl auch ein Ort sein, den man gerne besuchen würde. Gen Osten gebe es zwar viele in Frage kommende Gemeinden, aber allein schon wegen dem Wetter und der Sprache sei das häufig nicht unbedingt ideal. Anbieten würden sich da schon eher die Gemeinden rund um den Gardasee, aber die seien natürlich ein "anderes Kaliber", weil die bei allen Gemeinden sehr gefragt seien. Tatsächlich ist Italien als Land sehr beliebt im Landkreis: Neben der Stadt Dachau unterhalten auch Karlsfeld, Haimhausen, Odelzhausen und Vierkirchen Partnerschaften mit italienischen Gemeinden. Grundsätzlich, sagt Mayershofer, müsse die Gemeindegröße ähnlich zu der von Markt Indersdorf sein, damit man sich "auf Augenhöhe" begegnen könne.

Das sieht auch Rathauschef Franz Obesser (CSU) ähnlich, auch wenn er der Meinung ist, dass ein beliebtes Reiseziel kein ausreichender Grund für eine Partnerschaft sei. Eine solche müsse "breit getragen" und "lebbar" sein. Allein die Verbindung, das einer einen anderen kenne, reiche nicht. "Die Verbindung muss unabhängig von einzelnen Köpfen da sein", so Obesser. Ganz grundsätzlich sei er einer Gemeindepartnerschaft aufgeschlossen gegenüber, aber für ihn sei auch klar: "Besser keine als eine schlechte."

Neben dem praktischen Mehrwert, den eine Freundschaft mit einer Gemeinde ganz konkret für Markt Indersdorf haben könnte, gibt es aus Sicht von Böck aber noch einen weiteren zentralen Punkt, der für eine solche Partnerschaft spricht: der europäische Gedanke. Es sei zu beobachten, dass der Nationalgedanke wieder erstarke, so Böck. Diese Entwicklung bereite ihm Sorge. Die Freundschaft mit einer anderen Gemeinde irgendwo in Europa könne womöglich helfen zu verstehen, dass "die anderen gar nicht so schlimm sind". Man müsse die europäischen Nachbarn einfach besser kennenlernen, dann brauche man auch keine Angst vor ihnen zu haben, ist sich Böck sicher. "Wir alle sind Europa", sagt der überzeugte Sozialdemokrat.

Israel gehört zwar nicht zu Europa, trotzdem gibt es zu dem Land aufgrund der deutschen, aber auch ganz speziell der Indersdorfer Geschichte eine Verbindung. Erst Anfang des Jahres war eine Dachauer Delegation, der auch mehrere Indersdorfer Gemeinderäte sowie Bürgermeister Obesser angehörten, dorthin gereist, um posthum die jüdische Sozialarbeiterin Greta Fischer zur Indersdorfer Ehrenbürgerin zu ernennen. Während des Aufenthalts habe er sich, so Obesser, gut mit dem Bürgermeister des Kibbuz, Netiv Halamed-Heh, ausgetauscht und ihm vorgeschlagen, auf dem Weg in den Landkreis Würzburg, mit dem der Kibbuz bereits eine Partnerschaft pflegt, doch mal in Markt Indersdorf Halt zu machen. Bislang sei es dazu - auch aufgrund der Coronakrise - noch nicht gekommen, und einen "offizieller Charakter" habe das Ganze auch nicht, schließlich müssten darüber ja letztlich die Gemeinderäte entscheiden.

Diese werden in einer der kommenden Sitzungen des Gemeinderats Anfang des neuen Jahres allerdings wohl zunächst ganz grundsätzlich über den Antrag der SPD-Fraktion beraten und entscheiden, ob man Geld für eine Bürgerbeteiligung in die Hand nehmen will. Bis ein glücklicher Bund zwischen Indersdorf und einer anderen Gemeinde geschlossen werden kann, dürfte es daher wohl noch dauern.

© SZ vom 28.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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