Christbäume:"Absolut intransparentes Vorgehen"

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Wie jeder konventionelle Landwirt setzt auch Christbaumzüchter Stefan Spennesberger erlaubte Schädlingsbekämpfungsmittel ein. Nicht aber das Pestizid, das der Bund Naturschutz gefunden haben will. (Foto: Toni Heigl)

Christbaumzüchter Stefan Spennesberger weist den Vorwurf des Bund Naturschutz zurück: Er habe kein illegales Fungizid verwendet. Er kritisiert umgekehrt die Art der Beprobung des Verbands. Eine behördliche Untersuchung gibt ihm recht.

Von Alexandra Vettori, Hebertshausen

Alle drei Jahre testet der Bund Naturschutz (BN) kurz vor Weihnachten deutschlandweit Christbäume auf Pestizide, regelmäßig wird der Verband fündig. Im vergangenen Jahr war auch der Tannenhof Oberweilbach von Stefan Spennesberger unter den Beanstandeten, doch der Christbaumzüchter lässt den Vorwurf des BN nicht auf sich sitzen. Denn das Anti-Pilz-Mittel Biphenyl, das laut BN auf einem seiner Bäume in geringer Konzentration gefunden wurde, hat er nach eigenen Angaben nicht eingesetzt. "Ich habe das Mittel bis dahin nicht einmal gekannt", sagt er.

Biphenyl wurde bis zum EU-weiten Verbot 2005 vor allem als Konservierungsmittel für Zitrusfrüchte gegen Schimmel eingesetzt. Es wirkt reizend auf Haut, Augen und Atemwege, ist stark wassergefährdend und steht unter Verdacht, Krebs zu erzeugen. Bis heute findet sich der Wirkstoff aber immer wieder in Nutzpflanzen. Warum, das ist unklar. Diskutiert wird ein Eintrag aus der Luft, da Biphenyl auch bei der Verbrennung fossiler Energieträger entsteht und auch in Auto- und Heizungsabgasen oder Zigarettenrauch enthalten ist.

Eine zweite Probe weist kein Biphenyl nach

Fakt ist: Eine zweite Probe aus der Plantage von Stefan Spennesberger bestätigte das Ergebnis der BN-Untersuchung nicht. Nach seinem Testergebnis hatte der BN eine zusätzliche Beprobung durch die Landesanstalt für Landwirtschaft (LFL) in Freising angeregt, die am 20. Dezember auch gleich aktiv wurde. "Das war die totale Betriebskontrolle", erzählt Spennesberger. Zwei Proben seien genommen und versiegelt worden.

Matthias Keimerl von der Landesanstalt beschreibt, wie die Beprobung nach den Richtlinien für Pflanzenschutzkontrolle erfolgte: Die äußeren Baumreihen zu angrenzenden Flächen seien wegen möglicher Einträge ausgespart worden und man habe bei mehreren Bäumen nach dem Zufallsprinzip Zweige und Nadeln entnommen. Die versiegelten und gefrorenen Proben seien dann an ein akkreditiertes Labor in Speyer gesendet und dort untersucht worden.

Biphenyl habe man dort nicht gefunden, lediglich die für Christbaumkulturen zugelassenen Wirkstoffe Azoxystrobin, ein Fungizid, und Cyhalothrin, ein Insektizid, und das "nur in sehr geringen Konzentrationen", so Keimerl.

Experte hält BN-Tests für wenig repräsentativ

Wie lässt sich dann das Testergebnis des BN erklären? "Es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass der Baum bei Transport oder Lagerung durch die Kreisgruppe des BN mit Biphenyl belastet wurde", antwortet Corinna Hölzel, BN-Pestizidexpertin, auf Nachfrage der SZ. Der Baum sei online beim Tannenhof bestellt und dann geliefert worden, anschließend habe die Gruppe 100 Gramm Nadeln entfernt und sofort ins Labor geschickt. "Da sehe ich keine Expositionsquelle", so Hölzel.

Prinzipiell seien andere Wege der Kontamination aber nicht auszuschließen, Abdrift, Altlasten in den Böden, ubiquitäre Verteilung von Wirkstoffen oder verunreinigte Geräte. Einen Beweis, schon gar keinen eindeutigen, dass der Landwirt das Mittel aktiv ausgebracht hat, gäben diese Laborwerte nicht, so Hölzel. Damit widerspricht sie dem Dachauer Kreisvorsitzenden des BN, Roderich Zauscher, der im Dezember das Gegenteil behauptet hatte.

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Der BN habe sich an die zuständige Behörde gewandt und um erneute Beprobung gebeten, so Hölzel. Die Landesanstalt habe die BN-Tests nicht bestätigt und halte den Einsatz von Biphenyl auch für nicht wahrscheinlich. "Wir können das Gegenteil nicht beweisen", sagt Hölzel. Generell gehe es dem BN nicht um eine Auseinandersetzung mit der Landwirtschaft, "wir machen diese Tests, um auf den zu hohen Pestizideinsatz hinzuweisen und von der Politik eine deutliche Pestizidreduktion zu fordern".

Einer, der genau weiß, welche Schädlingsbekämpfungsmittel in Christbaumplantagen eingesetzt werden dürfen, ist Kurt Lange. Er hat jahrzehntelang als Pflanzenschutzexperte bei der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein gearbeitet, ist nun im Ruhestand und berät deutschlandweit Christbaumproduzenten. Zu seinen Aufgaben gehört es, Listen von in der EU zugelassenen Mitteln für diese zu erstellen, auch die der großen Einzelhandelsketten, die besonders strenge Maßstäbe anlegen.

Eine rückverfolgbare Kette wäre wünschenswert

Lange betont, wie wenig repräsentativ die BN-Tests seien. Im Vorjahr habe man 19 Bäume getestet, angesichts von geschätzt 30 Millionen, die an Weihnachten in deutschen Wohnzimmern stehen. Er ist sich sicher, dass das Biphenyl nicht aus dem Betrieb im Landkreis stammt, denn der Wirkstoff sei auch in keinem zugelassenen Fungizid enthalten. "Und dass der Produzent sich den reinen Wirkstoff besorgt, das selbst mischt und ausbringt, halte ich für sehr unwahrscheinlich", so Lange. Abgesehen davon, dass es in der Plantage nicht nachweisbar war.

Dass Christbäume mit Schädlingsbekämpfungsmitteln behandelt werden, erklärt Lange mit der langen Wachstumszeit und den ästhetischen Ansprüchen der Kunden. Im Durchschnitt sechs bis acht Jahre wachsen Christbäume, in der Zeit laufen sie Gefahr, von Läusen, Gallenmilben und Pilzkrankheiten befallen zu werden.

Keine Gefährdung für die Gesundheit

Vom BN wünscht sich Lange, dass dessen Proben transparenter werden. Es sei auch besser, diese nicht im Einzelhandel zu nehmen, sondern in den Beständen vor dem Verkauf. Er wisse natürlich um das gespannte Verhältnis zwischen Naturschützern und Produzenten, "aber es gibt sicher auch viele, die sagen, ich habe nichts zu verbergen". Eine rückverfolgbare Kette, die versehentliche Kontaminationen möglichst ausschließe, sei für alle Seiten wünschenswert. Auch Spennesberger sagt, er wisse weder wann noch wo und von wem die Probe für den BN-Test genommen worden sei. "Das ist ein absolut intransparentes Vorgehen", kritisiert er.

Dass all die gefundenen Wirkstoffe die Gesundheit der Menschen vor den Christbäumen nicht gefährden, das betont auch der BN. Ebenso wie das Bundesinstitut für Risikobewertung in Berlin, das gleich nach Erscheinen der BN-Tests eine Mitteilung dazu herausgab. Darin schreibt das Bundesinstitut, man sei dem Thema "Rückstände von Pflanzenschutzmitteln bei Zierpflanzen", wozu auch Weihnachtsbäume zählen, mehrfach nachgegangen, stets mit demselben Ergebnis: Unter Annahme einer sachgerechten Verwendung zugelassener Pflanzenschutzmittel ist "ein gesundheitliches Risiko für Verbraucherinnen und Verbraucher unwahrscheinlich". Die Exposition sei meist nur geringfügig, und schließlich würden Schnittblumen und Christbäume "weder als Ganzes noch in Teilen verzehrt".

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