Hebertshausen in 2022:"Was uns auszeichnet, ist ein gewisser Pragmatismus"

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Wüsste man es nicht besser, würde man fast nicht glauben, dass Hebertshausen mit Richard Reischl seit Jahren von einem CSUler regiert wird. Ein Gespräch mit einem Bürgermeister, der die Dinge gern ein wenig anders macht - und 2022 viel vor hat.

Interview von Alexandra Vettori, Hebertshausen

Ein CSU-Bürgermeister, eine absolute CSU-Mehrheit im Gemeinderat, wo keiner von den Grünen sitzt, und dennoch wirkt die 6000-Seelen-Gemeinde Hebertshausen wie ein alternativer Musterknabe. Ein Gespräch mit Bürgermeister Richard Reischl über den besonderen Geist Hebertshausens.

SZ: Hebertshausen hat gut 2500 Einwohner, Ampermoching 1800, der Rest der Leute ist auf 13 Ortschaften verteilt. Dennoch geht es beinahe großstädtisch zu. Wie kommt's?

Richard Reischl: Nun, das liegt an vielen Faktoren. Man hat mich auch schon einen Grünen im schwarzen Pelz genannt. Der Gemeinderat ist sehr aufgeschlossen und mutig, stellt sich den großen Fragen unserer Zeit und beweist Rückgrat bei seinen Entscheidungen. Was uns hier auszeichnet, ist ein gewisser Pragmatismus. Gemeinde kommt von Gemeinschaft, das lebt man. Hebertshausen war 2015 eine der ersten Gemeinden, die Flüchtlinge aufgenommen hat. Die AfD hat hier noch nie mehr als ungefähr fünf Prozent gehabt. Auch bei Bauprojekten ziehen meistens alle mit, auch die Grundbesitzer. Und dann zeichnet uns auch aus, dass wir schnell auf neue Fördermöglichkeiten reagieren, voriges Jahr zum Beispiel auf Radweg-Programme.

Auch die Wohnbaupläne sind für eine Kommune dieser Größe ungewöhnlich. Was treibt Sie an?

Reine Not. 2014 bin ich Bürgermeister geworden, da lag der Bodenrichtwert bei 430 Euro je Quadratmeter. Wir haben dann drei Grundstücke für je 500 Euro pro Quadratmeter verkauft. Das haben manche als Preiswucherei kritisiert. Derzeit liegt der Richtwert bei 1060 Euro, der Marktwert bei 1500 Euro. Wer soll sich da Eigentums- oder Mietwohnungen leisten? Einheimische und Normalverdienende sicher nicht, auch Kindergartenpersonal nicht. Und wenn das weggehen will, haben die Leute sofort 15 Stellenangebote und wir ein großes Stellenbesetzungsproblem. Aber wenn sie bei mir günstig wohnen, dann bleiben sie da.

Wie sehen die aktuellen Pläne aus?

Unser Kommunalunternehmen macht gerade die Verträge, relativ bald werden wir einen Bauantrag für das Ärztehaus vorliegen haben, das wir nun schon seit einigen Jahren planen. Mit diesem wird ein weiteres dreistöckiges Gebäude mit sechs bis acht Wohnungen am Krautgarten entstehen, Volumen zwischen vier und sieben Millionen Euro. Noch heuer fangen wir mit den Erdarbeiten an. Parallel dazu planen wir vier Wohnungen mit einem Regionalladen im Ortszentrum. Für den haben wir übrigens schon eine Interessentin. Und dann haben wir noch ein großes Neubaugebiet "Am Hofanger" in Hebertshausen. Dort entstehen 46 Wohnungen. Verkauft wird zum Teil in Erbpacht, zum Teil klassisch zum sehr günstigen Preis. Das einzige Problem ist die Kirche, der gehört ein Teil des Grundes. Und hier fehlt uns weiterhin die Unterschrift.

Und dann gibt es ja noch das Gelände der alten Holzschleiferei...

Ja, voriges Jahr haben wir einen Architektenwettbewerb veranstaltet. Ein Baubeginn 2026 wäre schön, aber da gibt es noch viele verzwickte Fragen. Leider muss das Gebäude, in dem ab 1862 Holzfasern für die Papierherstellung gewonnen wurden, abgerissen werden. Aber es wird im selben Stil wieder aufgebaut, wieder mit vier Vollgeschossen. Unterkommen sollen eine Bücherei, eine Kindertagesstätte und ein Café mit Terrasse zum Mühlbach, der hier verläuft und wieder geöffnet wird. Und es sind bis zu 130 Wohnungen geplant. Ich wünsche mir, dass gerade unsere ältere Bevölkerung, die ein Leben lang unseren Ort mitgestaltet hat, und jetzt teilweise allein in riesigen Häusern wohnt, dort hinziehen und bis zu ihrem Lebensende in Hebertshausen bleiben kann.

Wie kann sich Hebertshausen all das leisten?

Leider kommen wir aktuell nicht daran vorbei, überall die Gebühren und Steuern zu erhöhen. Corona reißt große Löcher in den gemeindlichen Haushalt. Wir profitieren aber davon, dass wir im Speckgürtel von München sind. Die Einkommenssteuer ist sehr stark, die Gewerbesteuer zufriedenstellend. Wir haben in den vergangenen Jahren fast acht Hektar Grund im Innenbereich gekauft, das heißt, wir haben die "Goldschatulle" gefüllt. Das führt unweigerlich zu neuen Schulden, im Moment 5,5 Millionen Euro, aber davon sind fast zwei Millionen rentierlich, das heißt, die für die Kläranlage werden in den nächsten Jahrzehnten durch Gebühren abbezahlt. Die Gemeinde ist gut aufgestellt und jederzeit handlungsfähig.

Was halten Sie davon, Hebertshausen als grüne Mustergemeinde zu bezeichnen?

Der Landkreis Dachau ist der baumärmste Landkreis in ganz Deutschland. Deshalb pflanzen wir seit einigen Jahren für jeden gefällten Baum zwei neue. Und wir haben die Geburtenbäume, alles Obstbäume, für die demnächst auch eine Obstpresse und ein Dörrautomat angeschafft werden. Da machen auch die Schulen mit, wo auch gerade XXL-Insektenhotels für die Obstwiesen gebaut werden. Außerdem gibt es einen Gemeindewald, den jeder mitpflegen kann. Seit Mai 2020 haben wir auch einen Naturschutzbeauftragten. Derzeit verhandeln wir mit Landwirten, weil wir einen 15 Kilometer langen Blühstreifen anlegen wollen. Außerdem bauen wir gerade zwei Radwege. Voriges Jahr haben wir zum ersten Mal 150 Nistkästen vergeben, die Resonanz bei den Leuten war riesig. Ich bin ein Freund der Gemeinschaft, es stört mich, wenn es heißt, "Gemeinde mach mal". Wenn ich versuche, als Gemeinde die Artenvielfalt zu retten, das funktioniert nicht. Das müssen wir alle zusammen machen.

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