Ortschronik:Von antiquierten Baderegeln und Pferdeschlitten-Rennen

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Heimatforscher und Autor Georg Werner (l.) präsentiert zusammen mit Bürgermeister Richard Reischl die neue Ortschronik von Ampermoching. (Foto: Toni Heigl)

Heimatforscher Georg Werner hat eine Chronik über Ampermoching verfasst. Das 300-Seiten-Werk wirft Schlaglichter auf den Alltag in der Zeit zwischen Kaiserreich und Ende der Weimarer Republik.

Von Alexandra Vettori, Hebertshausen

Die Frühgeschichte von Ampermoching klingt wie ein Kapitel aus der Fantasy-Serie "Game of Thrones": Hier war einst der Stammsitz der Mohingara aus dem hochedlen Geschlecht der Fagana, die im Isengau herrschten, hier erstreckte sich später das Kerngebiet der Pilgrimiden, aus denen ein bayerisches Adelsgeschlecht hervorging, und im Jahr 748 taucht das spätere Ampermoching als "Machinga" und Gerichtsort des Herzogs Tassilo in den Geschichtsbüchern auf.

Mit den spannenden Anfängen des heute knapp 1500 Einwohner und Einwohnerinnen zählenden Ortes hat sich Heimatforscher Georg Werner jedoch nur am Rande beschäftigt. Seine neueste Chronik über Ampermoching beleuchtet die Zeit zwischen dem Kaiserreich Wilhelms I. ab 1871 bis zum Ende der Weimarer Republik 1933. "Ich wollte wissen, wie mein Ur- und Ururgroßvater, wie unsere Vorfahren gelebt haben", erklärt der gebürtige Ampermochinger bei der Präsentation der Chronik im Hebertshausener Rathaus.

Der Bürgermeister wünscht sich eine Gesamt-Chronik

Als Georg Werner im vergangenen Herbst mit der Idee einer neuen Chronik zum Hebertshausener Bürgermeister kam, stieß er sofort auf offene Ohren bei Richard Reischl (CSU). Jetzt ist das 300 Seiten starke Werk erschienen, zu beziehen für 55 Euro im Bürgerbüro oder in der Bücherei. Der hohe Preis erklärt sich mit den Druckkosten für die 100 Stück der ersten Auflage. Übernommen hat die Kosten die Gemeinde, Reischl sieht die Ampermochinger Chronik als Teil der künftigen Gesamt-Gemeindechronik - schließlich wurde Ampermoching vor über 50 Jahren eingemeindet. Georg Werner hat bereits 2018 eine Chronik des Pfarrsprengels Ampermoching verfasst, Josef Glas 2016 eine der örtlichen Volksschule. Damit gibt es nun schon drei Werke zur Ampermochinger Historie.

Es sind viele kleine Schlaglichter auf den Alltag des vorigen Jahrhunderts, die Georg Werner akribisch zusammengetragen hat, aus dem Staats- und Kriegsarchiv oder aus alten Zeitungsberichten. Ein Beispiel ist die Badekultur, die ab 1900 in ganz Deutschland aufkam. Aus Angst vor dem Sittenverfall wurde das Baden in öffentlichen Gewässern deshalb erst einmal verboten, 1911 auch vom Bezirksamt Dachau. Gebadet werden durfte nur an Badestellen hinter Mauern oder dichtem Sichtschutz und selbstverständlich getrennt nach Geschlechtern. Wie die Regelung an der Amper in Ampermoching war, tat 1929 der damalige Bürgermeister Göttler kund: Die männliche Jugend durfte 100 Meter nordöstlich der Amperbrücke baden, die Mädchen auf der entgegengesetzten Seite der Brücke.

Pferdeschlitten-Rennen waren ein beliebter Zeitvertreib der örtlichen Großbauern

Die Aufgaben der politischen Gemeinde, die Folgen des Ersten Weltkriegs, das Leben von Handwerkern, die Entstehung von Gasthäusern oder Vereinen - sie werden in der Chronik veranschaulicht. Als Quellen und zur Bebilderung dienen Zeitungsberichte, Plakate, Inserate und behördliche Schreiben. Aus dem Jahr 1920 stammt etwa der Aufruf, eine Einwohnerwehr zu gründen, was auch geschah. Außerdem lädt 1922 der Rennverein Ampermoching zum Schlittenrennen mit Geldpreisvergabe ein. Wie mehrere solcher Anzeigen belegen, waren Pferdeschlitten-Rennen ein beliebter Zeitvertreib der örtlichen Großbauern. Sie konnten es sich leisten, auch Pferde zu halten, die nicht für die Feldarbeit gedacht waren, sondern für Ausfahrten.

Die erste Bank war das Bankhaus Heinrich Eckert, das am 1. Dezember 1928 eine Filiale in Ampermoching eröffnete. Die Kunden hatten allerdings Pech, schon zwei Jahre später ging das Bankhaus in Konkurs. 1938 öffnete die acht Jahre zuvor gegründete Bezirkssparkasse Dachau eine Zweigstelle in Ampermoching - in der Wohnung des Ehepaares Schmid. Georg Werner erzählt in der Chronik, wie er als Bub seine Spardose zum Entleeren dorthin gebracht hat: "In der Küche befand sich der Tresor. Meine Sparbüchse wurde auf dem Küchentisch entleert und gezählt."

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