Energiekrise im Landkreis Dachau:Das Hallenbad ist kein Luxusort

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Bleibt das Schwimmbecken leer? Darüber wird kommende Woche im Werkausschuss debattiert. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Schwimmbäder retten Leben - einfach dadurch, dass sie geöffnet haben. Die Politik darf deshalb nicht ausgerechnet an jenem Ort im öffentlichen Raum zum Rotstift greifen, der pandemiebedingt schon viel zu lange geschlossen gewesen ist.

Kommentar von Jessica Schober, Dachau

Vor 50 Jahren wurde in Dachau das erste Hallenbad eröffnet. Zum Jubiläum wird in der Stadt diskutiert, es wegen der Energiekrise zu zu sperren. Dabei ist es ein fatales Signal, überhaupt mit dem Gedanken zu spielen. Es ist nicht "halbherzig", ein Schwimmbad mit kühlerer Wassertemperatur zu öffnen, wie Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) meint - sondern es ist kaltherzig, das Bad geschlossen zu lassen.

Schwimmbäder retten Leben. Einfach dadurch, dass sie geöffnet haben und Schwimmunterricht ermöglichen. Denn in der heimischen Badewanne lernt niemand Kraulen. Schwimmen ist mehr als Planschen. Schwimmen ist eine lebenswichtige Kulturtechnik, die tausende Kleinkinder durch die Pandemie nicht anständig lernen konnten. Die Wartelisten für Schwimmkurse sind voll - schon deshalb darf die kommende Wintersaison nicht ins Wasser fallen. Badeunfälle an Seen und Weihern in kommenden Jahren können nicht sehenden Auges in Kauf genommen werden, wenn manches Kind bis zur Einschulung schlichtweg keine Gelegenheit hatte, jemals schwimmen zu lernen.

Die Stadt hätte anderswo sparen müssen

Schwimmbäder sind überdies keine Luxusorte. Sie sind in Kommunen mit horrenden Wohn- und Lebenskosten oft der einzige Ort im öffentlichen Raum, an dem sozial schwächer gestellte Menschen auf andere Milieus treffen. Wenn sich im Winter die Wohlhabenden in ihre Eigentumshäuser zurückziehen, bleiben ärmeren Familien kaum Orte, um so etwas wie Teilhabe oder Miteinander zu erleben. Das vergessen jene nur allzu schnell, die über genügend Rückzugsraum und Ressourcen verfügen. Und die Pandemie hat schwimmenden Menschen nochmals vor Augen geführt, wie essentiell öffentliche Bäder nicht nur für die Körper- sondern auch für die Psychohygiene sind. Wer Bahnen zieht, weiß, dass er als besserer Mensch aus dem Becken steigt.

Es ist vertrackt: Die Pandemie hat vielen Politikern gezeigt, wie viel in Krisenzeiten möglich ist. Der Durchgriff war damals berechtigt. Geschlossene Schulen, geschlossene Fitnessstudios, geschlossene Buchläden, das hatte alles seinen Sinn, um die weltweite Virusausbreitung zu stoppen. Doch der pandemisch bedingte erweiterte Handlungsspielraum darf nicht zum Einfallstor für Rotstift-Mentalität in der kommunalen Daseinsvorsorge werden. Nur weil Putin den Gashahn zudreht und Schwimmbäder sich nun mal organisatorisch leichter schließen lassen als beispielsweise Bierzelte, dürfen Kommunen diese Aufgabe nicht leichtfertig über Bord werfen. Denn sonst hätte die Stadt Dachau auch ganz anderswo schon rigide sparen müssen, beim Feuerwerk zum Volksfest zum Beispiel, das sie sich trotz Hitzesommers und hoher Kosten für Pyrotechnik gegönnt hat.

Es ist richtig, dass das Dachauer Rathaus und andere Orte nachts nicht mehr beleuchtet werden, darauf kann man in diesen Zeiten verzichten. Es ist auch richtig, dass ein Krisenstab darüber tagt, wie Energie eingespart werden kann. Doch statt den Zugang zum Hallenbad zu kappen, muss die Energiekrise sofortiger Anlass dafür sein, die Versorgung neu zu denken. Wenn das Indersdorfer Schwimmbad durch erneuerbare Energien beheizt wird, mit einer Biogasanlage und einem Blockheizkraftwerk - warum sollte so etwas nicht auch in Dachau möglich sein?

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