Stromtrasse:Streit um ein paar hundert Meter

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Um den Verlauf der Stromtrasse im Inhauser Moos gibt es Streit. Naturschützer fordern einen südlicheren Verlauf. Hier ist die Trasse von Haimhausen bei Ampermoching im Schnee zu sehen. (Foto: Toni Heigl)

Fünf Kiebitz-Paare brüten noch im Inhauser Moos. Der Neubau der Stromleitung könnte sie vertreiben. Vogelschützer sähen die Trasse gern weiter südlich. Das aber bedeutet mehr Eingriffe in bewirtschaftete Felder.

Von Alexandra Vettori, Haimhausen

Jetzt im Winter flattert kein Kiebitz im Inhauser Moos, die kalte Jahreszeit verbringt der "Gaukler der Lüfte" in Spanien und Frankreich. Die Gemüter von Vogelschützern im Landkreis Dachau bewegt er trotzdem, und das nicht, weil er kürzlich zum Vogel des Jahres gewählt worden ist. Vielmehr sorgt man sich um die kleine Population, die es noch im Inhauser Moos gibt. Denn der dort geplanten Ersatzneubau der Höchstspannungsleitung könnte sie vertreiben.

Fünf Brutpaare sind es, die in den Vorjahren hier verzeichnet worden sind. Einige von ihnen sind von den Neubauplänen für die quer durch das Inhauser Moos verlaufende Höchstspannungsleitung betroffen. Der Landesbund für Vogelschutz kämpft deshalb für eine Verschiebung der geplanten Trasse südlich des Haimhauser Ortsteils Ottershausen. Der von der Bundesregierung mit dem Ersatzneubau beauftragte Netzbetreiber Tennet aber spricht sich dagegen aus.

"Die haben keine Chance bei uns"

Michael Rank von der Haimhauser Ortsgruppe des Bundes Naturschutz sieht wenig Chancen, egal, wie die Trasse verlaufen wird: "Der Kiebitz wird aussterben im Inhauser Moos, die haben keine Chance bei uns", sagt er. Das liege nicht nur an der Stromtrasse, auch wenn der empfindliche Bodenbrüter von den Bauarbeiten stark betroffen sein werde. Rank nennt als Hauptgründe vielmehr die generell zu kleinen Flächen, die dem Kiebitz hier noch Lebensraum bieten und natürlich den starken Erholungsdruck.

Cyrus Mahmoudi, der Dachauer Kreisvorsitzende des Landesbunds für Vogelschutz (LBV), sieht die Sache anders. "Das Kerngebiet der Kiebitze ist genau da, wo einmal die Trasse verlaufen soll", sagt er und blickt auf die Ebene südlich von Ottershausen. "Weite Sicht, das ist, was sie mögen." Derzeit verläuft die Höchstspannungsleitung am südlichen Ortsrand von Ottershausen und quer durch das kleine Wäldchen am Schwebelbach. Tennet plant, sie rund einen halben Kilometer nach Süden zu verschieben. Ginge es nach dem LBV, wäre der Schwenk noch 300 bis 400 Meter weiter gen Süden. Darauf aber ist Tennet auch nach mehreren Ortsterminen nicht eingegangen.

"Verschlechterung der Bewirtschaftung"

Warum, das erklärt Tennet-Sprecherin und Referentin für Bürgerbeteiligung, Catherin Krukenmeyer, auf Nachfrage. Der noch weitere Schwenk nach Süden würde drei Strommasten betreffen, an allen käme es zu einer "Verschlechterung der Bewirtschaftung", sprich zu mehr Einschränkungen für Landwirte, weil die Masten weiter in Felder verschoben werden müssten. "Dazu käme, dass wir einen stärkeren Mast einsetzen müssten, der ein massiveres Fundament und größere Baueinsatzflächen zur Folge hätte", schreibt sie weiter. Schließlich befürchtet Tennet Konflikte mit dem südlich angrenzenden Landschaftsschutzgebiet.

Für Cyrus Mahmoudi ist diese Argumentation zu dünn: "Weiter im Süden würde es keine Brutgebiete zerstören, der Wald wird nicht zerstört, der Geltungsbereich von Behausungen und Straßen ist nicht gestört, und die ganze Trasse rückt ja ohnehin nach Süden, warum gehen sie dann nicht noch 300 Meter weiter?"

Selbst auf dem Foto sind die jungen Kiebitze schwer zu erkennen. Die Gelege werden deshalb leicht übersehen. (Foto: Sebastian Böhm/oh)
Noch vor 30 Jahren gab es Hunderte Kiebitze im Landkreis Dachau, heute noch 50 bis 60 Brutpaare. Der Bestand hat, nicht nur hier, seither um 90 Prozent abgenommen. (Foto: Manfred Kühn, oh)
Der Kreisvorsitzende des Landesbunds für Vogelschutz (LBV), Cyrus Mahmoudi, bekam den Hermann-Ehrlich-Preis für Zivilcourage und soziales Engagement. (Foto: Toni Heigl)

Tennet verweist darauf, dass die meisten Brutpaare mindestens 130 Meter von der geplanten Trassenachse entfernt seien, nur eines brüte in weniger als 100 Metern Entfernung. Die Brutflächen selbst würden weder dauerhaft noch temporär im Bau berührt. Außerdem würden nach dem Rückbau der Bestandsleitung neue Flächen frei.

Beim Landschaftspflegeverband Dachau, der sich schon seit 2016 um die verbliebenen Kiebitze im Landkreis bemüht, kann man nichts Konkretes zu der Stromtrasse und ihren Folgen für die Kiebitz-Population sagen. Geschäftsführerin Esther Veges erklärt, man sei kein Naturschutzverband und deshalb auch nicht in das Genehmigungsverfahren eingebunden. "Wir setzen nur Naturschutz-Projekte um und sind ansonsten bewusst neutral", sagt sie.

Kiebitze meiden vertikale Strukturen

Generell aber, so Veges, sei jeder Meter, den eine Störquelle weiter entfernt sei, besser. Dabei ist bereits eine vertikale Struktur, ein Baum, eine Hecke und eben auch ein Strommast eine Störquelle. "Darauf sitzen Greifvögel und können die Kiebitze und ihre Gelege beobachten", erklärt Veges.

Für Cyrus Mahmoudi ist die Ablehnung der kleinen Trassen-Verschiebung ein weiteres Indiz dafür, dass die Belange der Natur nicht viel zählen. Daran ändert auch nichts, dass nach dem großen Baggern im Inhauser Moos erstmals auch Moor-Renaturierungen stattfinden sollen. "Erst zerstören, dann renaturieren, das hat mit Naturschutz nichts zu tun", so Mahmoudi. Er betont: "Wir wollen die Stromtrasse nicht verhindern, wir wollen nur die naturverträglichste Variante."

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