SZ-Serie: Wer samma? - Identität und Wandel im Landkreis:Wenn der Schmied bei der Landvermessung hilft

Lesezeit: 3 min

Hochwasserschutz war ein Ziel bei der Flurbereinigung in Haimhausen. Auf dem Bild sieht man das Biberbach-Hochwasser am 26. Mai 1964 im Ortsteil Oberndorf. (Foto: Repro: Helmut Horn, oh)

Der Haimhausener Helmut Horn hat eine Dokumentation über die Flurbereinigung in Haimhausen und Amperpettenbach erstellt. Sie gewährt lebendige Einblicke in das Procedere des großen Felder-Tausches.

Von Alexandra Vettori, Haimhausen

Gut 1400 Menschen lebten Anfang der 1970er Jahre in Haimhausen. Der malerische Ort zwischen Amper und sanften Hügeln war zwar noch landwirtschaftlich geprägt, eine Reihe von Handwerksbetrieben und eine Brauerei boten aber auch Arbeitsplätze außerhalb der Felder. Mit der Eingemeindung von Amperpettenbach, Hörgenbach, Oberndorf und Westerndorf kamen 1971 auf einen Schlag 360 Einwohner dazu.

Eine große Sache war die Gebietsreform hier nicht, die Nachbarorte folgten ganz freiwillig dem Geheiß der Regierung, nur Sulzrain ging zu Hebertshausen. Spannender als die Eingemeindungen sind denn auch die lebhaften Einblicke in das Procedere der Flurbereinigung. Zu verdanken ist das dem inzwischen verstorbenen Flurbereinigungsbeauftragen Josef Langenegger und dem Haimhauser Helmut Horn.

Dabei kam Helmut Horn erst Jahre nach der Gebietsreform ins Spiel. 1979 ist der gebürtige Franke mit seiner Frau nach Haimhausen gezogen. Durch seine Freundschaft mit Josef Langenegger kam er mit dessen gesammelten Texten, Daten, Landkarten und Fotos aus der Zeit der Flurbereinigung in Berührung, und weil sich Horn schon immer für Landwirtschaft und Ortsgeschichte interessiert hat, fing er an, das Material zu sichten und ordnen. 2011 setzen die beiden die Errichtung eines Denkmals für die Flurbereinigung in Amperpettenbach durch. Und 2014 war dann auch Horns Dokumentation fertig.

Er muss lachen, wenn er sich erinnert, wie er damals mit seinem fast 100-seitigen Manuskript in das Amt für ländliche Entwicklung kam, das die Broschüre drucken wollte. Dort nämlich erschrak man ob der Fülle, nur 24 Seiten waren vorgesehen. Man kam Horn entgegen und machte zwei Bände daraus.

Langenegger wurde auch Flurbereinigungs-Beauftragter, weil er ein Telefon hatte

Ziel der Flurbereinigung war, aus kleinen Feldstücken größere Einheiten zu machen, damit sie rentabler und leichter mit Landmaschinen zu bewirtschaften waren. Dazu mussten Grundstücke unter den Besitzern, in der Regel Landwirten, getauscht werden. Haimhausen wies dabei das Spezifikum auf, dass durch den Adelssitz in Schloss Haimhausen östlich der Amper schon große Flächen bestanden, die sonst übliche Fleckerlwirtschaft gab es vor allem auf der Westseite der Amper. Über die Jahrhunderte waren die Grundstücke durch Teilungen immer kleiner geworden, Grenzstreifen und Wege verbrauchten viel Platz, und trotzdem hatten viele Felder gar keinen Weganschluss. Nachbarstreitigkeiten um das Wegerecht waren an der Tagesordnung.

Dass die Grundstücks-Tausche dennoch kein leichtes Unterfangen waren, kann man sich mühelos vorstellen. Deshalb wurde auch schon Jahre vor der eigentlichen Flurbereinigung mit den Verhandlungen begonnen, in der Teilnehmergemeinschaft um Haimhausen und Amperpettenbach 1968. Am eigentlichen Verfahren nahmen dann 176 Landeigentümer teil.

Flurbereinigungs-Beauftragter und damit oberster Verhandlungsführer war der Landwirt Josef Langenegger aus Westerndorf. Ein Grund für seine Ernennung sei gewesen, erzählt Helmut Horn, dass Langenegger damals einer der wenigen mit eigenem Telefonanschluss war, in Westerndorf der Einzige. 1973 war die Flurbereinigung abgeschlossen, aus 1767 Grundstücken waren 705 geworden, es war Grund vorhanden für die gewünschte Amperpettenbacher Umgehungsstraße und heutige Kreisstraße Dah 3, es waren mehr als 34 Kilometer Kieswege und über 24 Kilometer unbefestigte Wege geschaffen worden.

Den Kieswegen übrigens verdanken heutige Naherholungssuchende die Weiher rund um Haimhausen, sie entstanden, weil man den Aushub benötigte. Ein weiteres Ziel war der Schutz vor Hochwasser, die nach schweren Regenfällen vor allem die über ihre Ufer tretenden Bäche immer wieder verursachten. So wurden im Zuge der Flurbereinigung auch Bäche verrohrt, begradigt, vertieft und mit Drainagen versehen.

Der Haimhausener Helmut Horn hat eine 48-seitige Dokumentation über die Flurbereinigung in Haimhauen und Amperpettenbach erstellt. (Foto: Toni Heigl)
Mit einem Erdbohrer wurden die neuen Grenzsteine gesetzt. Den Traktor mit der Erstzulassung 1971 gibt es noch, er steht in einer Amperpettenbacher Garage. (Foto: Toni Heigl/Helmut Horn)
Digitale Vermessung gab es nicht, gearbeitet wurde mit Pflöcken, die auf die Grenzsteine folgten. Damit der Standort fix war, hat Johann Spicker, der Schmied von Amperpettenbach, ein spezielles Werkzeug gefertigt. (Foto: Repro Helmut Horn)
Johann Spickers eisernes Dreieck wurde mit Nägeln in der Erde fixiert. So zeigt es den genauen Standort des Pflockes auch nach dessen Entfernung und Ersatz durch den Grenzstein an und verhindert Mogeleien. (Foto: Repro: Helmut Horn)
Der Vorsitzende der Flurbereinigungs-Teilnehmergemeinschaft Josef Langenegger mit Sohn Hans vor einem Rohrstück, das für die neue Laffgrabenbrücke bei Amperpettenbach gedacht ist. (Foto: Repro: Helmut Horn)
Zustände wie hier in Amperpettenbach beim Laffgrabenhochwasser in den 1950er Jahren kamen nach den Hochwasserschutzmaßnahmen der Flurbereinigung nicht mehr vor. (Foto: Repro: Helmut Horn)
Vor allem der Hauptort Haimhausen verändert seit Jahren stark sein Gesicht. Mittlerweile leben fast 6000 Menschen in der Gemeinde. (Foto: Toni Heigl)

Am Anfang der Flurbereinigung stand die Wertermittlung der Grundstücke, das übernahmen die so genannten Schätzer. Auf Haimhausener Flur waren zwei Gruppen aus je vier Personen unterwegs. Es war vorgeschrieben, dass je ein Ortsfremder dabei sein musste, um Mauscheleien vorzubeugen. Geschätzt wurde Pi mal Daumen, danach hart verhandelt. "Wenn man ein Grundstück abgegeben hat, war es das fruchtbarste Land überhaupt, hat man was gekriegt, war es minderwertig", sagt Horn lachend, "damit's mehr wird."

Und als man sich dann einig war und es an die Vermessung ging, hat sogar der Schmied von Amperpettenbach mitgeholfen: Digitales Handwerkszeug gab es nicht, gearbeitet wurde mit Pflöcken, auf die Grenzsteine folgten. Damit der Standort auch nach Entfernung des Pflocks fix war, hat Schmied Johann Spicker ein eisernes Dreieck gefertigt, das man mit Nägeln in der Erde befestigte. Die Spitze des Dreiecks schaute immer auf die Stelle des Pflocks, sodass der Grenzstein genau platziert werden konnte.

Nach nur fünf Jahren war die Flurbereinigung in Haimhausen und Amperpettenbach unter Dach und Fach, alle waren zufrieden, und die Entwicklung ging weiter. Hans Schindlböck vom Haimhauser Kulturkreis und Mitglied Arbeitskreis Ortsarchiv kann sich noch erinnern an die 1970er-Jahre, er war damals um die 20 Jahre alt. "Ich habe das als positive Zeit in Erinnerung, es hat eine richtige Euphorie geherrscht." Schon bald sei der Umbau der Hauptstraße gekommen, und man habe viele der kleinen Hügel in Haimhausen abgetragen und Wege begradigt. Als Architekt sehe er im Rückblick freilich auch: "Da ist viel Altes kaputtgemacht worden".

Heute hat Haimhausen fast 6000 Einwohner, und noch immer verändert vor allem der Hauptort mit den Neubauvierteln rasant sein Gesicht. Nur eines fehlt noch, was man im Rathaus schon in den 1970er-Jahren dringend begehrte: ein richtiges Gewerbegebiet mit entsprechenden Steuereinnahmen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusSZ-Serie: Wer samma? - Identität und Wandel im Landkreis
:"Die haben den letzten Pfennig ihrer Gemeindekasse verprasst"

Die Gebietsreform bescherte Vierkirchen 1972 mit Giebing und Pasenbach zwei neue Ortsteile. Weichs hingegen ließ sich nur für zwei Jahre auf eine Verwaltungsgemeinschaft ein. Ex-Bürgermeister Heinz Eichinger erinnert sich an rauschende Feste.

Von Jessica Schober

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: