Migration:"Der Werdegang der Geflüchteten kann sich sehen lassen"

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Georg Weigl hat nachgezählt, wie viele der in Indersdorf Neuangekommenen inzwischen ausgebildete Fachkräfte sind. (Foto: Toni Heigl)

Seit zehn Jahren gibt es den Asylhelferkreis Indersdorf. Georg Weigl hat nachgezählt, wie viele Neuangekommene sich in dieser Zeit besonders gut integriert haben. Die Bilanz ist bemerkenswert.

Von Jessica Schober, Markt Indersdorf

Georg Weigls wachsamem Blick entgeht so schnell keine Vorzeigebiografie. Seit zehn Jahren koordiniert er nicht nur die Arbeit des Asyl-Helferkreises in Markt Indersdorf, er führt auch akribisch Buch: Über die Menschen aus den vielen unterschiedlichen Ländern, die in seiner Gemeinde angekommen sind, und darüber, was aus ihnen wurde. Er notiert die Abgeschobenen und die Ausgereisten. Er hält aber auch die gut Integrierten und Angekommenen in seinen Unterlagen fest. Zum zehnjährigen Bestehen des Ehrenamtlichenkreises zieht Weigl eine bemerkenswerte Bilanz.

"Wir haben die Erfahrung gemacht, dass immer alle arbeiten wollen", beschreibt Weigl die Motivation der Geflüchteten. Nachdem die Neuangekommenen etwas Deutsch gelernt hätten, sei es bisher auch nie ein Problem gewesen, für jeden Geflüchteten eine passende Arbeit zu finden. "Allerdings haben auch viele, teilweise über Jahre hinweg, ein vom Landratsamt verhängtes Arbeitsverbot erteilt bekommen." Eine Ausbildung haben innerhalb der vergangenen zehn Jahre 26 Flüchtlinge aus der Gemeinde Markt Indersdorf begonnen - zwölf haben sie erfolgreich abgeschlossen, hat Weigl nachgezählt. Diese Menschen sind nun das, was in Deutschland gerade überall so dringend gesucht wird: ausgebildete Fachkräfte.

Der Helferkreis hat sich bisher um etwa 275 Menschen gekümmert

Dazu gehören zwei Maler, zwei Pflegehelfer, zwei Pflegefachkräfte, ein Bäcker, ein Elektroniker, eine Hotelfachkraft, ein Kaufmann, ein Maurer und ein Nutzfahrzeug-Mechatroniker. Zwei Geflüchtete seien aktuell noch in der Ausbildung als medizinische Fachangestellte und Pflegefachkraft, erzählt Weigl. Von den Geflüchteten, die ihre Abschlussprüfung nicht geschafft haben, arbeiten alle bis auf einen nach wie vor in ihrem Ausbildungsbetrieb.

Zwei Geflüchtete studieren inzwischen, Ethnologie und Informatik, ein anderer hat seinen Bachelor in Bioinformatik bereits in der Tasche. Weigl sagt: "Und acht von den Migranten, die wir im Laufe der Zeit betreut haben, besitzen inzwischen die deutsche Staatsbürgerschaft."

Aktuell kümmert sich der Helferkreis um 77 Personen. 38 von ihnen sind in Flüchtlingsunterkünften des Landkreises untergebracht, also in den Containern in der Rieder Straße und in einer Wohnung in der Rothbachstraße.

Seine Datenbank aktualisiert Weigl ständig, aber er erfasst auch nicht alle Geflüchteten in der Gemeinde. Der Asyl-Helferkreis Indersdorf habe sich in den vergangenen zehn Jahren insgesamt um ungefähr 275 Menschen gekümmert. Darin nicht eingerechnet seien die etwa 200 Personen, die 2015 in der damaligen Tennishalle untergebracht waren; für deren Betreuung gab es damals ein separates Team im Helferkreis. Weigl erzählt: "Zusätzlich haben wir ein kleines Team, welches sich um 25 bis 30 Ukrainerinnen kümmert, größtenteils Frauen mit Kindern." Laut Weigl besteht der Indersdorfer Asyl-Helferkreis aus etwa 20 bis 30 Helfenden, sieben von ihnen seien von Anfang an dabei. Insgesamt seien über die Jahre rund 80 Ehrenamtliche aktiv gewesen.

Viel Energie stecken sie in die Arbeits- und Ausbildungsvermittlung

Deren Aufgaben reichten von der Ausstattung mit Kleidung und der Orientierung in Indersdorf, im Landkreis und im MVV-Tarifsystem über Deutschunterricht bis hin zur Wohnungsvermittlung. Die Ehrenamtlichen begleiteten Geflüchtete zum Arzt und zu Ämtern, organisierten, reparierten Fahrräder und kümmerten sich um Kindergarten- und Schulplätze. Manche im Team lieferten abgelaufene, aber noch genießbare Lebensmittel in die Unterkünfte, andere halfen den Geflüchteten, eine Privathaftpflichtversicherung abzuschließen. Vor allem die Arbeits- und Ausbildungsvermittlung und die Ausbildungsbegleitung, also Nachhilfe in fast allen Fächern, stand im Vordergrund.

Der Helferkreis war auch bei der Vermittlung fast aller Wohnungen an Geflüchtete beteiligt, insbesondere beim Umzug, bei der Ausstattung mit Mobiliar. Wenn Geflüchtete Briefe von Ämtern bekommen, bitten sie Weigl und sein Team oft, die Inhalte zu erklären. Um diese Aufgaben zu bewältigen, hat der Helferkreis sogenannte Paten etabliert, die sich um einen oder mehrere Menschen persönlich kümmern. Damit der Informationsfluss nicht abreißt, treffen sich alle Helfenden alle 14 Tage, anfangs sogar wöchentlich, um gemeinsam Lösungen zu finden. Weigl hat auch hier Buch geführt und nachgezählt: Bisher gab es seit September 2013 insgesamt 341 Treffen.

Wenn Weigl sich nun fragt, ob die zehn Jahre Helferkreisarbeit sinnvoll waren, dann fällt sein Urteil klar und selbstbewusst aus: "Wir finden, der Werdegang der Geflüchteten in Indersdorf kann sich sehen lassen", sagt er und fügt hinzu: "Wir werden mit unserer Arbeit weitermachen und den Flüchtlingen so gut es geht helfen, sich in Deutschland zu integrieren."

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