Landtagswahl im Landkreis Dachau:Plötzlich Politiker

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Bei einer Pressekonferenz nach der Landtagswahl freuen sich Groß und die Kreisvorsitzende der Freien Wähler, Michaela Steiner, über seinen Einzug ins Maximilianeum. (Foto: Toni Heigl)

Johannes Groß zieht unerwartet als zweiter Kandidat für den Landkreis in den Bayrischen Landtag ein. Für die Freien Wähler ist das eine schöne Überraschung. Doch seinen Erfolg hat der Mann aus Bergkirchen vor allem einer Frau zu verdanken.

Von Jonas Junack, Bergkirchen

Michaela Steiner kennt das Prozedere. Alle zusammen, schön lächeln, klick macht der Fotoapparat. Noch einmal. Klick. Es sollen ja ein paar schöne Fotos entstehen an so einem besonderen Tag. Die Vorsitzende des Kreisverbands Freie Wähler hat zur Pressekonferenz nach Bergkirchen ins Gasthaus Pfeil eingeladen, denn es gibt etwas zu feiern. Ihr Kandidat Johann "Hans" Groß ist - überraschenderweise - neben CSU-Mann Bernhard Seidenath in den Landtag eingezogen. Ein Novum für die Freien Wähler. Und trotzdem gehört die Show nicht nur dem frisch gebackenen Landtagsabgeordneten.

Vor zwei orangen Pappaufstellern mit Partei-Logo hockt Johann Groß in Trachtenjacke, die weißen Haare etwas zerzaust, eingerahmt von einem Teil seines "Background-Teams" - eine Wortschöpfung von Michaela Steiner. Links neben ihm sitzt die Kreisvorsitzende selbst in einem blau-weißen Kleid. Rechts Ralf Huber, Bezirkspräsident für Oberbayern im Bayerischen Bauernverband. Ein paar Parteikollegen der Freien Wähler und drei Journalisten sind auch anwesend. Moderiert wird die Veranstaltung, natürlich, von Steiner.

Aus dem Hinter- in den Vordergrund

"Wir freuen uns mega", sagt sie und bedankt sich bei allen Helferinnen und Helfern. Am Anfang, als die Kandidaten ausgewählt wurden, sei "der Hans" sich noch unsicher gewesen, erzählt sie. Der 67-Jährige Bergkirchener habe sich eher im Bezirkstag gesehen, habe aber schließlich doch noch überzeugt werden können. Groß selbst sagt, er sei "überwältigt" davon, dass er als langjähriges Gemeinderatsmitglied nun plötzlich in den Landtag einzieht.

Groß ist in erster Linie Landwirt. Soziale Medien? Nutzt er nicht. Selbst ein Handy besitzt er bisher nicht. Die Handystrahlung und sein Defibrillator verstünden sich nicht. Studien der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie bestätigen, dass es ein Risiko gibt. Groß will eine Lösung finden, die ihn erreichbar macht und sein Herz schont.

Sein Wahlkampf, das kann man festhalten, war Handarbeit. Vielleicht ist es genau das, was die Wähler überzeugt hat. Vielleicht war es aber auch Michaela Steiner. Sie ist so etwas wie Groß' Wahlkampfmanagerin und Pressesprecherin in einem. Geht es um die Politik, wird man von Groß schnell an die Bankkauffrau verwiesen - am Telefon, aber auch an diesem Tag im Gasthaus. Steiner sagt über Groß: "Er ist keiner, der sich in den Vordergrund drängt. Aber einer, der im Hintergrund richtig anschiebt." Vor allem ist er jetzt einer von zwei Landtagskandidaten des Landkreises. Und steht damit - ob er will oder nicht - nun im Vordergrund.

Welchen Arbeitsfeldern er sich als neuer Landtagskandidat widmen möchte: Landwirtschaft und Umwelt, sagt Groß und geht detailliert auf die Frage ein, wieso der Einsatz von Pestiziden unumgänglich sei. Bis Michaela Steiner die Ausführungen beendet. "Wir sind jetzt im Landtag", sagt sie, "natürlich beschäftigen wir uns mit allen möglichen Themen." Dann darf Groß wieder ran: Da sei zum Beispiel die Erbschaftssteuer. Die Freien Wähler würden sie gern abschaffen. Außerdem brauche es mehr Kindergärten, sagt er. Eine Gruppe mit anderen Parlamentariern, die sich für eine bessere Finanzierung der Kommunen einsetzt, wäre auch gut. Alles andere, das betont er häufig, werde sich zeigen.

Ein Netzwerk, auch ohne Mobiltelefon

Die meisten Fragen an den Landtagsabgeordneten werden kurz von Groß und dann ausführlich von seiner Kreisvorsitzenden beantwortet. "Jeder hat Kernthemen. Und solche, in denen er sich weniger gut auskennt", sagt Steiner. Es gehört zu den Kernkompetenzen eines Politikers, sich in neue Themen eingraben zu können, auf neue Situationen zu reagieren. In Bergkirchen - da lässt Steiner keinen Zweifel - hat man dafür genau den Richtigen gefunden. Auf Groß kommt nun erst einmal die innenarchitektonische und personelle Einrichtung seines Büros zu. Auf Steiner als Büroleiterin kann er dabei aber nicht zählen, sie möchte weiter in der Bank arbeiten.

Im Februar, als die Freien Wähler seine Kandidatur bekanntgaben, war auch der Landtagsabgeordnete der Freien Wähler aus Freising, Benno Zierer, anwesend. Es sei wichtig, dass man sich Netzwerke aufbaue, hatte dieser damals gesagt. Ob Groß das gelingen wird, Networking? Aber sicher, sagt Steiner: Man habe doch im Wahlkampf gesehen, wie viele Organisationen und Menschen "der Hans" zusammenbringen kann. Da ist der Bauernverband. Oder der Veteranenverein, dem Groß vorsteht.

Über Aiwanger mag Groß nicht sprechen - man kenne sich kaum

Bleibt die Frage, ob auch die Dachauer KZ-Gedenkstätte künftig zu seinem Netzwerk gehören wird. Als einer von zwei Dachauer Landtagsabgeordneten hat er in Zukunft besondere erinnerungspolitische Pflichten. Blöd nur, dass seinem Parteichef, Hubert Aiwanger, von der Leitung der Gedenkstätte von einem Besuch abgeraten wurde, nachdem dieser wegen eines antisemitischen Flugblattes in der Kritik stand.

Über Aiwanger mag Groß nicht sprechen, man kenne sich kaum. In der Gedenkstätte sei er aber schon mal gewesen, "bedrückend" habe sich das angefühlt, sagt Groß. Auch die Gedenkstätte in Auschwitz habe er als Gemeinderat von Bergkirchen schon einmal besucht. Genau an dieser Stelle beendet Michaela Steiner die kleine Pressekonferenz abrupt. Am ersten Tag seines neuen Politikerlebens warten weitere Termine auf den Landwirt. Einer davon ist seine erste Fraktionssitzung im Landtag - Steiner wird dort nicht an seiner Seite sitzen.

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