Schönbrunn:Franziskuswerk kritisiert einrichtungsbezogene Impfpflicht

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Im Franziskuswerk Schönbrunn leben viele Menschen mit einer Behinderung. Für sie ist eine Corona-Infektion besonders gefährlich. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Wie die Maßnahme konkret umgesetzt werden soll, ist nach wie vor in weiten Teilen unklar. Die beiden Geschäftsführer Markus Holl und Michaela Streich befürchten einen "bürokratischen Papiertiger".

Von Jacqueline Lang, Röhrmoos

Die Haltung des Franziskuswerk Schönbrunn ist klar: Die einrichtungsbezogene Impfpflicht, wie sie an diesem Mittwoch in Kraft tritt, ist der falsche Weg. Zwar sei das Impfen die "zentrale Säule" im Kampf gegen die Pandemie, sagt Geschäftsführerin Michaela Streich bei einem virtuellen Pressegespräch. Doch anders als von der Regierung erhofft, werde die beschlossene Impfpflicht nicht zum Schutz vulnerabler Personen, wie sie auch in Schönbrunn leben, beitragen.

Stand Mitte März sind laut Streich 97 Prozent aller Heimbewohnerinnen und - bewohner geimpft, von den Mitarbeitenden sind es ebenfalls rund 90 Prozent. 60 Prozent sind bereits geboostert, weitere zwei Prozent sind kürzlich genesen. Lediglich sieben bis acht Prozent der Mitarbeitenden würden sich eigenen Angaben zufolge "keinesfalls impfen lassen". Streich gibt auch zu, dass selbst der neu zugelassene Totimpfstoff diese Menschen nicht habe überzeugen können: "Novavax hat bei uns nicht eingeschlagen." Gleichwohl habe es nur ganz vereinzelt bislang Kündigungen aufgrund der angekündigten Impfpflicht gegeben. Alles in allem seien das "sehr ermutigende Zahlen", findet Streich.

Doch das Franziskuswerk kritisiert: Selbst diese vergleichsweise hohen Zahlen werden die Menschen in den Einrichtungen - weder in Schönbrunn noch sonst wo - vollumfänglich schützen können. Denn Menschen mit einer Behinderung leben ganz bewusst nicht "auf einer Insel", sie sollen am Leben teilhaben können. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch: "Menschen mit Behinderung infizieren sich dort, wo sich auch Menschen ohne Behinderung infizieren", sei es im Bus, beim Treffen mit Freunden oder beim Einkaufen. Wenn man vulnerable Personen also wirklich schützen wolle, sagt Streich, dann könne man dies nur mit einer allgemeinen Impfpflicht für die gesamte Bevölkerung erwirken, nicht aber mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht.

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Markus Holl, ebenfalls Geschäftsführer des Franziskuswerk Schönbrunn, sieht in der seitens der Regierung getroffenen Entscheidung den "typischen Reflex", ein Problem an bestimmte Berufsgruppen "weg zu delegieren" - ohne es wirklich zu lösen. Kritisiert habe man das bereits Ende November in einem offenen Brief. Eine Antwort, auch das kritisiert Holl, seitens der Ampel-Regierung habe man nie erhalten. Einzig die CSU-Bundestagsabgeordnete Katrin Staffler habe sich mehrmals Zeit für Gespräche genommen.

"Das Gesetz hat an dieser Stelle jetzt erst einmal gar keine Konsequenzen"

Kritik üben die beiden Geschäftsführer jedoch nicht nur an dem Gesetz an sich, sondern auch daran, dass es bis zu diesem Tage noch viele ungeklärte Fragen zur "Ausgestaltung" gibt. Fest steht: Alle Mitarbeitenden - egal ob ungeimpft, geimpft, genesen - werden zunächst einmal einfach weiterarbeiten können. "Das Gesetz hat an dieser Stelle jetzt erst einmal gar keine Konsequenzen", so Holl. Zwar muss laut dem Bayerischen Gesundheitsministerium der Status an das jeweilige Gesundheitsamt übermittelt werden. Was dann folgt, sind aber zunächst einmal ausgiebige Verfahren oder, wie Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) es in einer Pressemitteilung formuliert: "Bayern setzt bei der einrichtungsbezogenen Impfpflicht auf eine pragmatische Umsetzung mit Augenmaß." Man habe die Gesundheitsämter angewiesen, den betroffenen Bestandskräften zunächst die Möglichkeit zu geben, eine Impfberatung wahrzunehmen und sich noch impfen zu lassen. "Unser Ziel ist es, noch möglichst viele ungeimpfte Beschäftigte in den betroffenen Bereichen von einer Impfung zu überzeugen."

Auf das Beratungsangebot folge - sofern die Person sich trotzdem weiterhin nicht impfen lassen wolle - eine förmliche Aufforderung zur Vorlage der gesetzlich festgelegten Nachweise beim Gesundheitsamt. Bleibe dies weiterhin aus, werde ein Bußgeldverfahren eingeleitet. "In letzter Konsequenz - aber nur als Ultima Ratio - kann auch ein Betretungs- und Tätigkeitsverbot ausgesprochen werden", heißt es zum Prozedere in jener Pressemitteilung. Man rechne damit, dass aufgrund dieses gestuften Verfahrens eventuelle Betretungsverbote erst ab dem Sommer ausgesprochen werden könnten. Laut Franziskuswerk-Geschäftsführer Markus Holl laufen damit alle Bestrebungen "erst einmal ins Leere" und alles, was man erschaffe, sei ein "bürokratischer Papiertiger".

In den Einrichtungen des Franziskuswerks gilt weiterhin eine Masken- und Testpflicht

Die Schonfrist gilt allerdings, so viel ist zumindest klar, nur für Bestandskräfte. Bei Neueinstellungen muss ein Impf- oder Genesenen-Nachweis von Anfang an vorgewiesen werden. Stellt sich die Frage: Könnte es in Schönbrunn nicht nur durch coronabedingte Krankheitsfälle zu personellen Engpässen kommen? Darin sieht Holl zunächst keine akute Gefahr, allerdings betont er, dass die hohe Impfquote in den eigenen Einrichtungen natürlich nicht repräsentativ für die gesamte Berufsgruppe sei und man damit in Zukunft sicher "noch aufmerksamer und gezielter" nach Personal werde suchen müssen. Aufgrund des eigenen "Berufsethos", der den Schutz der Menschen, für die man verantwortlich ist, an oberste Stelle stellt, sei aber ohnehin das Ziel, bevorzugt mit geimpftem Personal zu arbeiten. Gleichzeitig werde natürlich, auch das betont Streich, niemand unter Druck gesetzt in seiner Entscheidung.

Auch deshalb begrüßt das Franziskuswerk, dass Bayern, wie auch einige andere Bundesländer, die Corona-Maßnahmen nicht schon an diesem Sonntag komplett aufheben wird, sondern darüber frühestens ab dem 2. April nachdenken will. Vorerst werden demnach nur die Kontaktbeschränkungen und Kapazitätsgrenzen bei Kultur- und Sportveranstaltungen aufgehoben. Unabhängig von den Entscheidungen der Politik will man in den Einrichtungen des Franziskuswerks aber ohnehin bis auf Weiteres auf das Tragen von FFP2-Masken und das regelmäßigen Testen setzen - zum Schutz der Bewohnerinnen wie Pfleger gleichermaßen.

Denn eine Unterscheidung in Menschen mit und ohne Behinderung, dagegen wehren sich die beiden Geschäftsführer. Auch deshalb sind sie der Meinung: Eine Impflicht kann es, genau wie eine Öffnung, nur für alle Menschen geben oder für niemanden. Und, so Holl, wenn bei einer Öffnung nicht auch vulnerable Gruppen wie die Heimbewohner ausreichend geschützt seien, sei es dafür auch noch zu früh.

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