Schönbrunn:"Diese Diskriminierung ist unverständlich"

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Die beschlossenen Ausnahmeregeln gelten nicht für Altenheime oder Behinderteneinrichtungen wie dem Franziskuswerk Schönbrunn. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Das Franziskuswerk sieht in den jüngsten Lockerungen für Geimpfte eine Ungleichbehandlung von Menschen mit Behinderung.

Von Thomas Altvater, Röhrmoos

Michaela Streich und Markus Holl, die beiden Geschäftsführer des Franziskuswerks Schönbrunn, sind empört. Mit direkten Worten kritisieren sie in einer Pressemitteilung die jüngsten Lockerungsschritte der Bayerischen Staatsregierung in der Corona-Krise. Streich und Holl sehen darin eine Ungleichbehandlung der Bewohner in Einrichtungen der Behindertenhilfe wie dem Franziskuswerk und sagen: "Diese Diskriminierung ist unverständlich."

Hintergrund ist die Änderung der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung, die am 28. April in Kraft getreten ist und Ausnahmeregelungen für Bürger vorsieht, die vollständig gegen das Coronavirus geimpft sind. Diese Regelungen - Geimpfte brauchen etwa keinen negativen Test mehr, um im Einzelhandel einkaufen zu können - gelten jedoch nicht für Alten- oder Pflegeheime ebenso wenig für Behinderteneinrichtungen. Besucher müssen dort vor dem Zutritt ein negatives Testergebnis vorlegen, auch wenn sie bereits geimpft sind. Für geimpfte Pfleger gilt ebenfalls eine Testpflicht, zum Tragen von FFP-2-Masken sind geimpfte Pfleger und Bewohner innerhalb der Einrichtungen gleichermaßen verpflichtet.

"Das macht mich wütend und sprachlos"

Das erzürnt Michaela Streich, sie sagt: "Sobald unsere geimpften Bewohner die Einrichtung verlassen, haben sie Rechte wie alle anderen auch, innerhalb der Einrichtung ist das allerdings nicht so." Konkret äußere sich das so: "Unsere Bewohner müssen, auch wenn sie geimpft sind, sogar innerhalb ihrer Wohngruppen eine Maske tragen und untereinander Abstand halten, während sich Geimpfte außerhalb der Einrichtung bald ohne Beschränkungen treffen dürfen", erklärt Streich, "und das macht mich wütend und sprachlos."

Dabei wurde gerade in Alten- und Pflegeheimen zu Beginn des Jahres mit Hochdruck und der Aussicht auf baldige Lockerungen geimpft. Das Resultat: Mehr als die Hälfte der Bewohner im Franziskuswerk sei bereits vollständig geimpft, so Streich. Auch habe es innerhalb der Einrichtung seit Februar keine positiven Corona-Fälle mehr gegeben, erklärt sie. Die Rücknahme der Einschränkungen wären deshalb laut Streich gut zu verantworten. Und sollten die Fallzahlen wieder steigen, "können wir flexibel darauf reagieren", erklärt Streich. "Wir müssen aber ein gewisses Risiko eingehen, weil sonst die soziale Vereinsamung und die Beeinträchtigung der Bewohner noch größer wird", sagt sie. Streich fordert deshalb, den Heimen mehr Eigenverantwortung zukommen zu lassen. Eigenständig über Abstands- und Maskenregeln zu bestimmen, sei für Streich derzeit rechtlich nicht möglich.

"Zwei-Klassen-Mentalität"

Die beiden Geschäftsführer berufen sich mit ihrer Kritik auf den Vorstand des Caritas-Verbands der Erzdiözese München und Freising, Gabriele Stark-Angermeier. In einer Pressemitteilung spricht sie von einer "Zwei-Klassen-Mentalität", und fordert die Staatsregierung auf, "allen zweifach geimpften Menschen ihre Grundrechte zurückgeben, unabhängig davon, ob sie in den eigenen vier Wänden, im Altenheim oder in einem Wohnheim für Menschen mit Behinderung wohnen." Hier müsse Söder dringend deutlich machen, was er sich vorstelle, verlangt Gabriele Stark-Angermeier mit Hinweis auf die alten Menschen, die ihre letzte, "oftmals sehr kurze Lebensphase nicht weiter so isoliert verbringen dürften".

Auch Heidi Schaitl, Kreisgeschäftsführerin der Caritas in Dachau, kann diese Ungleichbehandlung nicht verstehen. Dennoch könne sie es nachvollziehen, dass man trotz der vielen Impfungen in den Heimen noch "vorsichtig" sei, sagt sie. Für Doris Schneider, Geschäftsleiterin der Caritas-Altenheime in Oberbayern, hätten die geforderten Lockerungen vor allem einen positiven Effekt: Den Menschen in den Heimen könne so mehr Lebensqualität und Lebensfreude zurückgegeben werden.

© SZ vom 07.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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