Lansing ist schon ein seltsames Dorf. Die hiesige Kirche ist nicht begehbar und hat keinen Kirchturm. Die Weißwürste sehen zwar toll aus, sind aber aus Plastik. Die Katze, die im Dorf zu Besuch ist, hat eine eigene Trainerin. Und im Oktober steht in Lansing bereits ein mit roten Kugeln geschmückter Christbaum. Dabei steht die Ortschaft doch eigentlich für Ehrlichkeit, wie kaum eine zweite in Bayern. Die Geschichten, die sich hier abspielen, sind mitten aus dem Leben gegriffen. Sie erzählen von typisch bayerischen Charakteren, von Problemen und Gefühlen, die jeden von uns genauso beschäftigen könnten. Das macht Lansing doch wieder normal. Wenn am Stammtisch im "Brunnerwirt" geratscht wird, scheint die Welt irgendwie doch noch in Ordnung.
Das macht die bayerische Daily Soap "Dahoam is Dahoam" seit inzwischen zehn Jahren überaus beliebt. Das fiktive oberbayerische Dorf Lansing im frei erfundenen Landkreis Baierkofen gehört zu Dachau wie sein Schloss. Die Gemeinschaftsproduktion von Constantin Film und Bayerischem Rundfunk wurde vom ersten Tag an auf dem Gelände des stillgelegten Feinpappenwerks der Familie Schuster an der Schleißheimer Straße produziert. Der zehnte Geburtstag der Erfolgsserie wird nun groß gefeiert. An diesem Samstag, beim traditionellen Dorffest, werden wieder mehr als 10 000 Fans aus ganz Bayern und sogar aus Österreich erwartet. Der Bayer würde sagen: Mei, die Serie ist halt brutal erfolgreich.
Lansing:So sieht es am Set von "Dahoam is Dahoam" aus
Allein der Außendrehbereich für die Vorabendserie ist so groß wie ein Fußballplatz.
Dazu muss man sich nur ein paar Zahlen vergegenwärtigen. Seit dem Sendestart im Oktober 2007 sind rund 90 Prozent der Bayern, sprich zehn Millionen Menschen, in Kontakt mit der Serie gekommen. Bundesweit schalten bis zu eine Million Zuschauer zu den Folgen ein, die täglich von Montag bis Donnerstag von 19.30 Uhr bis 20 Uhr im dritten Programm laufen. "Dahoam is Dahoam" ist damit die mit Abstand erfolgreichste Vorabendserie in Bayern und die einzige, die auf einem dritten Programm läuft. Ihr Marktanteil im Freistaat lag Ende September bei 14,8 Prozent. In elf Tagen wird bereits die 2000. Folge ausgestrahlt.
Aber was steckt eigentlich hinter der Kulisse? Der Produktionsleiter Georg Rettenbeck führt an diesem Vormittag über das Gelände. Der 35-Jährige ist seit der ersten Folge mit dabei, er kennt offensichtlich jeden Kieselstein in dem Dorf. Wie immer vor dem großen Fest, ist Lansing ziemlich in Aufruhr. Einigen jungen Männern gibt Rettenbeck Anweisungen, wie sie ein Zirkuszelt und eine Bühne für das große Dorffest aufzubauen haben. Denn das Motto lautet heuer: "Zauberwelt Lansing."
Der Außen-Drehbereich hat ungefähr die Größe eines Fußballplatzes und besteht - wie eine Ortschaft eben - aus Straßen und Gebäuden. Etwa ein Viertel aller Szenen der Serie würden grundsätzlich draußen gedreht, erklärt Rettenbeck, entweder auf dem Gelände, irgendwo im Dachauer Landkreis oder manchmal noch weiter draußen, in den Bergen oder auch auf Mallorca. Ein Geheimtipp in Lansing ist der eigens angelegte Friedhof im Garten der Kantine, auf dem die Toten ihre letzte Ruhe unter einer Trauerweide gefunden haben. Wobei die Gräber angeblich nicht echt sind.

Kratzers Wortschatz:Zwiefe aufm Braten, Gas im Bauch
In den Raunächten, die am Thomastag begonnen haben, spielte auch die Zwiebel - oder bairisch Zwiefe - eine wichtige Rolle.
Die meisten Schauplätze im Außenbereich sind reine Kulisse. Wer besagte Kirche betritt, sollte höllisch aufpassen, dass er nicht gegen die Holzwand rennt, die direkt ans Eingangstor anschließt. Der bayernweit bekannte Brunnerwirt, sozusagen das Gesicht des Dorfes, oder die Tankstelle geschweige denn Apotheke sind ebenfalls nicht betretbar. Wirklich gedreht wird im Außenbereich nur im Kiosk, das an Silvester abgebrannt war und einen großen Feuerwehreinsatz ausgelöst hatte (natürlich nur in der Serie), im Gemeindesaal und Pfarrbüro oder im Büro der Lansinger Bürgermeisterin Veronika Brunner (Senta Auth). Andere Szenen spielen wiederum auf den Straßen des Dorfes. Erst kürzlich hat die Produktionsfirma einen ausrangierten Einsatzwagen von der Dachauer Feuerwehr abgekauft und hergerichtet. Er trägt freilich das Nummernschild von Baierkofen, BFN.
Ansonsten ist es an diesem Vormittag relativ ruhig auf den Straßen, zumal ein Teil des Teams für einen Außendreh nach Arzbach in die Gemeinde Röhrmoos verreist ist. Der Rundgang führt also ins Herz der Serie - in die drei großen Aufnahmestudios mit einer Gesamtfläche von 1400 Quadratmetern. Der Großteil der Innenaufnahmen entsteht hier. Die drei Studios beheimaten insgesamt 38 Kulissensets - von Wohnräumen der Serienfamilien über Bambergers Apotheke und die Metzgerei bis hin zur Wirtsstube im "Brunnerwirt". Die meisten Sets sind wegen des Platzmangels so konzipiert, dass sie bei Bedarf jederzeit umgebaut werden können. Das WG-Zimmer kann sich so kurzerhand in eine Kirche mit Beichtstuhl verwandeln, auch dank mobiler Wände.
In den großen Studios kommt Leben hinter die Fassaden. Im Wohnzimmer der Brauereifamilie Kirchleitner wird gerade gedreht. Was genau passiert, darf natürlich nicht verraten werden. Nur so viel: In der Szene treffen zwei prominente Schauspieler aufeinander, Eisi Gulp, der nebenbei noch den kiffenden Vater vom Kommissar Eberhofer spielt, und der 72-jährige Gerd Lohmeyer, ein Mann, der in seinem Leben auf unzähligen Theaterbühnen gestanden ist und an Spielfilmen wie "Der Schuh des Manitu" oder im Tatort mitgewirkt hat. In der Serie verkörpert er Michael Gerstl, der nach seiner Pensionierung ehrenamtlich in Lansing für Recht und Ordnung sorgt. Eisi Gulp spielt Alexander "Sascha" Wagenbauer, einen ungebundenen Lebemann, der eines Tages plötzlich in Lansing aufgetaucht ist.
Der Star der Szene ist jedoch eine Katze. Rettenbeck erzählt, dass sie mit Tier-Trainerin Eve Schwender bereits seit Wochen übt, was das Drehbuch von ihr verlangt. Die Trainerin diskutiert am Set intensiv mit Regisseur Julian Plica. "Sie müssen sich einig werden, wie man die Szene am stärksten inszeniert, ohne dass die Katze zu viel Stress ausgesetzt wird", erklärt Produktionsleiter Rettenbeck.
Der Mann ist ein wandelndes Nachschlagewerk, was "Dahoam is Dahoam" angeht. Die Fakten, die er nennt, geben eine Ahnung, welcher Aufwand hinter der Produktion einer Daily Soap steckt. Insgesamt sind mit der Serie 150 Mitarbeiter aus verschiedensten Bereichen beschäftigt. Pro Woche werden demnach fünf Folgen à 28 Minuten gedreht. Eine Folge besteht aus etwa 20 Szenen, von denen täglich zwischen 16 und 18 gedreht werden. Die Akkordarbeit ist minutiös geplant. Die Schauspieler - derzeit sind es 23 Haupt- und sieben Nebenrollen - bekommen wie in der Schule einen Stundenplan, wann und an welchen Set sie zu erscheinen haben. Zur Seite werden ihnen sogenannte Dramaturgiecoaches gestellt. Jede Szene verlangt schließlich ihre eigene Körpersprache. "Die Coaches bringen die Schauspieler in die richtige Stimmung", sagt Rettenbeck.
Die Geschichten hinter den Szenen denken sich mehr als 30 Autorinnen und Autoren unter der Leitung von Chefin Martina Borger aus. Von der ersten Idee bis zum fertigen Drehbuch dauert es mindestens acht Wochen; vom fertigen Drehbuch bis zur Ausstrahlung weitere fünf Monate. Dazu muss man wissen, dass die einzelnen Folgen nicht chronologisch abgedreht werden. Vom Dreh einer Folge bis zu ihrer Ausstrahlung vergehen etwa zwölf Wochen. Da muss man erst Mal den Überblick bewahren.
Und der "Dahoam is Dahoam"-Fan ist kritisch. Wenn in der Metzgerei die Wurstattrappen in mehreren Folgen an der selben Stelle hängen bleiben, klingelt im Hauptquartier an der Schleißheimer Straße sofort das Telefon. Wehe, es wirkt etwas nicht echt. Beim Dorffest an diesem Samstag werden sie alles ganz genau unter die Lupe nehmen. Das fiktive Dorf Lansing im Landkreis Baierkofen wird dann plötzlich echt. Aber Finger weg von den Weißwürschten!