Gerichtsprozess:Dachauer geht bei Faschingsumzug auf Polizisten los

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Eine sogenannte Bodycam, also eine Körperkamera an der Brust eines Polizisten, filmt den Vorfall beim Indersdorfer Faschingsumzug. (Foto: Martin Schutt/dpa)

Ein 21-Jähriger tritt nach den Beamten, beleidigt sie heftig und holt sogar mit der Faust aus. Er hat etwa zwei Promille im Blut und wird über eine Stunde lang am Boden fixiert. Vor Gericht bereut er sein Verhalten.

Von Anna Schwarz, Dachau

Über eine Stunde lang müssen ihn die Polizisten am Boden der Glonnbrücke fixieren, im Hintergrund dröhnt die Partymusik von den Wägen des Indersdorfer Faschingsumzugs: Der damals 21-jährige Dachauer hat über zwei Promille im Blut, als er im vergangenen Februar einen Polizeibeamten schubst und gegen dessen Brust schlägt. Als dem Betrunkenen Handschellen angelegt werden, wehrt er sich, wird am Boden fixiert. Sechs Polizisten stehen um ihn herum, der Dachauer tritt nach ihnen und trifft eine Beamtin am Knie, beleidigt die Polizisten heftig und bespuckt einen sogar zweimal. Wegen dieses "tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte" musste sich der mittlerweile 22-Jährige am Donnerstag vor dem Amtsgericht Dachau verantworten.

In der Verhandlung trägt der Angeklagte Jeans, weiße Turnschuhe und ein schwarzes Hemd, er schwitzt stark im Gesicht, als die Polizisten aussagen, schaut währenddessen immer wieder zu Boden. Sein Verteidiger räumt die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft ein. Der Angeklagte sagt, dass er bei dem Faschingsumzug ziemlich betrunken gewesen sei, er habe etwa zwölf Bier getrunken, eineinhalb Flaschen Schnaps und ein paar Shots. Daraufhin sagt Richter Stefan Lorenz, dass er einen Sohn im Alter des Angeklagten habe und nicht verstehe, warum sich der Dachauer derart besoffen habe. Er antwortet: "Ich habe mich an diesem Tag übernommen, das kommt normalerweise nicht vor."

"Man konnte ihn nicht entfesseln, weil so viel Aggression da war"

Im Zeugenstand sagt ein 30-jähriger Polizeiobermeister aus, wie es zu der Ausnahmesituation kam: An dem Nachmittag wurde er mit seinen Kollegen an die Glonnbrücke gerufen, weil dort Passanten eine Körperverletzung beobachtet hatten. Der Polizist wollte den Angeklagten damals nur als Zeugen befragen und seine Personalien aufnehmen. "Doch er war sehr aufbrausend gegenüber mir", sagt der Polizist. Der Angeklagte habe ihn geschubst, schlug ihm auf die Brust und holte mit der Faust aus. Er sei "immer wieder emotional hochgefahren", deshalb hätte man ihn später mit Plastik- und Klettfesseln auf dem Boden fixiert.

Eine Bodycam, also eine Videokamera, die ein Beamter an der Brust trug, filmte die Situation größtenteils, kurze Ausschnitte davon werden im Sitzungssaal abgespielt. Demnach sei der Angeklagte über eine Stunde auf dem Boden fixiert worden, sagt Richter Lorenz. Er fragt die drei Polizeibeamten im Zeugenstand, ob es stattdessen nicht eine andere Möglichkeit gegeben hätte. Ein 26-jähriger Polizist, der sich bei dem Vorfall Schürfwunden am Knie zugezogen hatte, sagt: "Man konnte ihn nicht entfesseln, weil so viel Aggression da war." Darüber hinaus sei es nicht infrage gekommen, den Angeklagten in eine Ausnüchterungszelle zu bringen, weil er mit über zwei Promille "nicht haftfähig" war. Unter anderem hätte die Gefahr bestanden, dass er sich dort übergibt, so der 26-Jährige. Auf der Glonnbrücke ist der Angeklagte auch kurz bewusstlos geworden. Schließlich erreichten die Polizisten seinen Onkel, der ihn aber erst nach über einer halben Stunde in Markt Indersdorf abholte.

"Nach einer Stunde sagt jeder: Ich will da raus"

Vor Gericht zeigt der 22-Jährige Reue. Er entschuldigt sich bei den drei Polizeibeamten und sagt: "Ich schäme mich für mein Verhalten", er respektiere Polizisten und wisse nicht, was an diesem Tag mit ihm los gewesen sei. Auf seine Entschuldigung antworten zwei der Beamten mit "Danke" und "Angenommen", der dritte nickt.

Die Staatsanwältin sagt, dass die Fixierung des Angeklagten am Boden zwar sehr lange gedauert habe, aber wegen des "hohen Aggressionspotenzials" verhältnismäßig gewesen sei. Für das Urteil sei wichtig, dass der Angeklagte sein Verhalten bereue und zum Tatzeitpunkt sehr alkoholisiert war. Negativ legt sie ihm aus, dass er eine hohe kriminelle Energie an den Tag gelegt habe und bereits eine Eintragung im Polizeiregister hat, weil er vor rund drei Jahren eine illegale Waffe, ein Springmesser, besessen hatte. Die Staatsanwältin plädiert für eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten, die auf Bewährung ausgesetzt wird. Der Verteidiger fordert eine zehnmonatige Freiheitsstrafe auf Bewährung, schließlich sei es eine enorme Stresssituation für seinen Mandanten gewesen so lange gefesselt am Boden zu liegen: "Nach einer Stunde sagt jeder: Ich will da raus."

Richter Lorenz verhängt eine Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung, außerdem muss der Angeklagte eine Geldstrafe von 2000 Euro an den Verein "Ärzte ohne Grenzen" bezahlen und trägt die Verfahrenskosten. Lorenz bewertet positiv, dass sich der 22-Jährige in der Verhandlung bei den Polizisten entschuldigt und sein Leben sonst im Griff hat: Er hat einen festen Job und lebt in einer festen Beziehung. Dennoch hoffe Lorenz, dass sich der 22-Jährige nochmals kritisch mit seinem Verhalten bei dem Faschingsumzug auseinandersetzt und mahnt: "Hoffentlich hören Sie in Zukunft nach der vierten oder fünften Halben auf."

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