Erste Corona-Teststation im Landkreis:Abstriche am Fließband

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Der Landkreis Dachau rüstet sich für den Ernstfall und nimmt eine Teststation in Betrieb. Apotheken und Klinikum stocken Medikamente und Betten auf

Von Julia Putzger und Johanna Hintermeier, Dachau

Das Absperrband flattert in der Frühlingsbrise, ein Auto fährt langsam über die eingegrenzte Zufahrtsstraße auf das große weiße Zelt zu. Das Beifahrerfenster wird heruntergelassen und eine Helferin reicht eine Tüte, in der sich ein Röhr-chen befindet, ins Wageninnere. Dann rollt das Fahrzeug langsam weiter über das Gelände. Wenige Meter später öffnet sich das Beifahrerfenster erneut, ein Umschlag wird zurückgereicht. In dessen Inneren befindet sich nun die Speichelprobe des Fahrzeuglenkers.

Szenen wie aus einem guten Lokalkrimi, so könnte man meinen, spielen sich derzeit auf dem Volksfestplatz in Markt Indersdorf ab. Tatsächlich gibt es dort aber keine Verbrechen zu beobachten - auf dem Gelände wurde am Mittwoch die zentrale Coronavirus-Teststation des Landkreises in Betrieb genommen. Dadurch sollen vor allem die Hausarztpraxen entlastet werden. Bis zu 100 Testabstriche können in der Station täglich durchgeführt werden - allerdings nur für Patienten, bei denen in vorheriger telefonischer Absprache mit dem Hausarzt die Notwendigkeit einer Testung festgestellt worden ist und die dann einen Code und ein Zeitfenster für die Testung erhalten. Patienten ohne diesen Code können nicht spontan getestet und müssen abgewiesen werden. Das war bereits einige Male der Fall, insgesamt verlief der Betrieb aber bisher ruhig und geordnet, wie Wolfgang Reichelt, Pressesprecher des Landratsamts, berichtet. Insgesamt wurden am Mittwoch 30 Tests vorgenommen, für Donnerstag waren mehr als 70 Tests angemeldet.

Und dennoch: Die Angst vor Zuständen, wie sie derzeit in Italien herrschen - überfüllte Krankenhäuser, die längst an ihre Kapazitätsgrenzen gestoßen sind und zu wenig medizinisches Equipment - ist auch im Landkreis Dachau groß. Einige Bürger machen gar bereits die Erfahrung, dass ihr Medikament in der Apotheke nicht mehr sofort verfügbar war. Doch sowohl die Verantwortlichen des Helios Amper-Klinikums als auch Apothekensprecher Maximilian Lernbecher geben Entwarnung: Die Versorgung ist gesichert und alle sind bestens vorbereitet.

In den Helios Amper-Kliniken in Dachau und Markt Indersdorf ist daher von Aufregung auch nichts zu spüren. Zwar passte man sich auch dort den aktuellen Verordnungen an - beispielsweise wurden sämtliche Informationsveranstaltungen abgesagt, das Café im Foyer des Dachauer Kli-nikums und die Cafeteria in Indersdorf geschlossen sowie strenge Besucherregelungen eingeführt - die medizinische Versorgung ist davon aber nicht beeinträchtigt und die Patienten- und Notfallversorgung ist in vollem Umfang gewährleistet. Es gibt keinen Mangel an Medikamenten, auch Schutzmasken, Beatmungsgeräte und Desinfektionsmittel sind in ausreichender Menge vorhanden, bestätigt Pressesprecherin Pia Ott. In Indersdorf, wo der Schwerpunkt auf der Behandlung älterer Menschen liegt, wurde zwar die ambulante Reha eingestellt, die stationäre Behandlung läuft vorerst aber wie gewohnt weiter.

Am Mittwoch stieg die Zahl der Infizierten im Landkreis sprunghaft an: Waren zuvor täglich jeweils nur einige wenige positive Testergebnisse gemeldet worden und insgesamt 18 Landkreisbürger infiziert, kamen auf einen Schlag 16 Neuinfizierte hinzu. Hierbei handelt es sich um drei Kontaktpersonen, neun Reiserückkehrer und vier Personen bei denen der Infektionsweg bislang unklar ist. Die neuen Fälle stammen aus den Gemeinden Altomünster, Bergkirchen, Erdweg, Hebertshausen, Karlsfeld, Markt Indersdorf, Pfaffenhofen an der Glonn, Röhrmoos, Schwabhausen, Weichs sowie der Stadt Dachau. Ein Infizierter wird in einer Klinik behandelt, die sich nicht im Landkreis befindet, die anderen befinden sich in häuslicher Quarantäne. Einer der Infizierten wird außerdem nach wie vor im Dachauer Klinikum behandelt. Dort wurde bereits am vergangenen Wochenende eine komplette Station zur Isolierstation umgerüstet, um die bestehende Zahl von sieben Isolationszimmer mit insgesamt 14 Betten zu erweitern. Nun stehen insgesamt 28 Isolationszimmer zur Verfügung, in denen Covid-19-Patienten oder entsprechende Verdachtsfälle untergebracht werden können. Alle Mitarbeiter würden geschult und sollte es zu einem weiteren Anstieg kommen, seien Notfallpläne vorbereitet, so das Landratsamt.

Maximilian Lernbecher, Betreiber der Oberen Apotheke in Dachau und Apothekensprecher, beruhigt ebenfalls und erklärt, dass ausreichend Medikamente vorrätig seien. "Unser Warenlager ist bis unters Dach voll, wir kommen mit dem Einräumen gar nicht mehr hinterher", sagt er. Wie in den Lebensmittelgeschäften gebe es jedoch auch in den Apotheken das Problem der Hamsterkäufe. Lernbecher und seine Kollegen verkaufen Medikamente deshalb nur noch in haushaltsüblichen Mengen, denn: "Das ist kein Klopapier, sondern geht unter Umständen wirklich aus." Für den üblichen Vorrat in der Hausapotheke gebe es aber jedenfalls keine Versorgungsschwierigkeiten. Es könne lediglich sein, dass das Medikament nicht immer vom Wunschhersteller auf Lager seien. In einem solchen Fall greife man dann einfach auf ein Medikament mit demselben Wirkstoff eines anderen Herstellers zurück. Das sei aber auch vor der Corona-Krise nicht anders gewesen.

Lieferengpässe aus dem Ausland fürchtet Lernbecher jedenfalls nicht. Als Lieferstopps bestimmter Substanzen absehbar waren, hätten er und seine Kollegen sich mit diesen rechtzeitig eingedeckt. So könnten die Apotheken im Landkreis bestimmte Präparate auch einfach selbst herstel-len. Zudem seien alle Kollegen sehr solidarisch. "Wir helfen uns gegenseitig aus", sagt der Apothekensprecher. An den Öffnungszeiten habe sich bisher nichts geändert, auch die Notdienste werden wie gewohnt organisiert. Neu ist dafür ein Lieferdienst, den einige Apotheken anbieten. Patienten können ihr Rezept an die Apotheke übermitteln und bekommen ihre Medikamente direkt vor die Haustür geliefert. "So haben wir auch schon die ersten Coronapatienten versorgt", erzählt Maximilian Lernbecher.

Doch obwohl alle Verantwortlichen betonen, dass die Situation unter Kontrolle ist, spricht das Landratsamt eine Warnung aus: Nachdem sich die Lage praktisch über Nacht "sprunghaft verschärft" habe, gelte es nun die bayernweit angeordneten Gebote und Verbote ab sofort noch konsequenter zu beachten und umzusetzen. Ein Verstoß gegen die Maßnahmen stelle eine Straftat dar und werde mit Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder einer Geldstrafe bestraft. Das Landratsamt und alle Gemeinden sind angehalten, Verstöße konsequent zur Anzeige zu bringen.

© SZ vom 20.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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