Dachauer Kreisausschuss:Gymnasien müssen ohne Luftreiniger auskommen

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Die Mehrheit im Kreisausschuss spricht sich gegen eine Anschaffung der mobilen Geräte für weiterführende Schulen im Landkreis aus.

Von Jacqueline Lang, Dachau

Seit knapp drei Wochen läuft das neue Schuljahr nun schon und mit ihm auch wieder die Debatte darüber, ob Luftreiniger in die Klassenzimmer gehören oder nicht. Die Stadt Dachau hat sich in ihrer jüngsten Familien- und Sozialausschusssitzung vor gut zwei Wochen anders als noch in einer Sitzung vor der Sommerpause nun doch mehrheitlich für die Beschaffung von mehr als 200 Geräten ausgesprochen. Anders fiel die Entscheidung auf Kreisebene aus: Hier hat sich eine knappe Mehrheit (6:9) am Freitag im Kreisausschuss gegen deren Beschaffung ausgesprochen. Landrat Stefan Löwl (CSU) sprach von einem "durchwachsenen Meinungsbild". Die Argumente, derer, die sich gegen Luftreiniger für die 1. bis 6. Klassen aussprechen: zu teuer, zu laut, der Nutzen sei nicht zweifelsfrei erwiesen.

Im niedersächsischen Oldenburg hat man sich für die Anschaffung von Luftfiltergeräten an Schulen entschieden. Dieses Gerät steht in einem Fachraum des Alten Gymnasiums. (Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa)

In der letzten Sitzung vor der Sommerpause hatten die Kreisrätinnen und Kreisräte beschlossen, die bereits bestehenden RLT-Anlagen - sprich Lüftungssysteme - in den Klassen- und Fachräumen der kreiseigenen Schulen im Hinblick auf die Höhe des Luftaustausches optimieren zu lassen. Zudem sollte ein qualifiziertes Fachbüro, an allen Landkreisschulen, die nicht über RLT-Anlagen verfügen, "die Möglichkeiten für den Einbau prüfen". In allen Schulen die zukünftig neu geplant werden, sollen solche Anlagen fortan verpflichtend eingebaut werden. Fest steht mittlerweile: Die Optimierung, beziehungsweise der Einbau dieser Anlagen ist nicht innerhalb weniger Wochen zu machen, er kommt also als Sofortlösung nicht infrage. Umgehend sollte nach Willen des Gremiums der konkrete fachliche Bedarf an mobilen Luftreinigungsgeräten geklärt werden, unter Berücksichtigung der Förderrichtlinien des Freistaats. Außerdem sollte die Verwaltung beim Kultusministerium klären, ob durch den Einsatz von Luftreinigungsgeräten ein "schulorganisatorischer oder pandemischer Unterschied" erreicht werden könnte, sprich: länger Präsenzunterricht, keine Masken, keine Quarantäne von Kontaktpersonen. Außerdem sollten 100 Prozent der tatsächlichen Kosten gefördert werden. An den Förderrichtlinie hat sich bislang nichts geändert, der Freistaat will sich weiterhin lediglich mit bis zu 50 Prozent an den Kosten beteiligen.

"Ein wichtiger, aber nicht der einzige Baustein"

Gut drei Monate später hat der Landkreis die Firma Feistl Lüftungs- und Klimatechnik GmbH & Co. KG mit der Optimierung und Ausstattung der RLT-Anlagen beauftragt, doch sonst ist noch nicht allzu viel passiert. Im Gegenteil, die geplante Studie wird nun doch nicht in Auftrag gegeben. Der Grund: Auf Nachfrage des Landrats hat Kultusminister Michael Piazolo (FW) in einem Schreiben erklärt, dass Luftreiniger "ein ergänzender wichtiger, aber nicht der einzige Baustein des Schutzkonzepts" für Schulen darstellten. Die Geräte hätten demnach lediglich eine "ergänzende Wirkung". Dies entspreche, so heißt es in der Beschlussvorlage, auch den Ergebnissen von Studien und Aussagen des Umweltbundesamtes. "Eine (weitere) kreiseigene Studie zum Mehrwert würde wohl mindestens sechs bis neun Monate in Anspruch nehmen, und es wären keine anderen Erkenntnisse zu erwarten."

Die Verwaltung hat stattdessen zwischenzeitlich ein Ingenieurbüro damit beauftragt, drei Musterklassenzimmer versuchsweise mit UVC-Raumluftreinigungsgeräten auszustatten und "dabei nachweislich die Wirkung und Strömungsverhältnisse im Raum zu prüfen". Die Ergebnisse sollen laut Landrat Löwl Ende der Woche vorliegen. Anders als die RLT-Anlagen könnten die Luftreiniger laut Verwaltung bei zeitnaher Bestellung schon in den Herbstferien oder spätestens bis Jahresende installiert werden. Geschätzter Kostenpunkt: 5500 Euro pro Gerät, inklusive Installation. Bei 60 Klassenzimmern der Jahrgangsstufen 1 bis 6 wären das 330 000 Euro. Doch dazu wird es nach jetzigem Stand nicht kommen: Gegen die Stimmen von Landrat Stefan Löwl, Stephanie Burgmaier und Peter Strauch von der CSU und Arthur Stein, Carsten Schleh und Sabrina Spallek von den Grünen stimmte eine Mehrheit von neun Kreisräten gegen die Beschaffung der mobilen Luftreiniger.

Schutz für Kinder oder Durchseuchung

Schon im Vorfeld der Abstimmung hatte CSU-Fraktionssprecher Stefan Kolbe angekündigt, dass seine Partei in dieser Frage uneins sei. Er selbst halte RLT-Anlagen für nachhaltiger, durch die mobilen Geräte falle mittelfristig unnötiger "Elektroschrott" an. Zudem sei bei den Luftreinigern ein Luftaustausch nicht gegeben. Die Fraktion der FW indes ist geschlossen dagegen, wie Sprecher Michael Reindl verkündet. "Es besteht nachhaltiger Klärungsbedarf", so Reindl. Etwa warum man die Geräte anschaffen soll, wenn an diesem Montag die Maskenpflicht am Platz aufgehoben werden soll und alle Geräte ein regelmäßiges Lüften nicht ersetzen. Markus Kellerer (AfD) spricht sich ebenfalls entschieden gegen die Beschaffung aus, angeblich auch der Umwelt zuliebe. Denn, so Kellerer, warum lasse man Schulkinder die freitäglichen Klimastreiks die Schule schwänzen, spreche aber nicht über die Klimabilanz der Luftreiniger?

Burgmaier und Schleh plädierten klar für die Beschaffung der Geräte. "Es ist unsere Aufgabe, unsere Kinder zu schützen, so gut wir es vermögen", so Schleh. Vor allem deshalb, weil die Kinder unter zwölf Jahren sich derzeit noch nicht impfen lassen könnten und es daher für sie nur zwei Möglichkeiten gebe: einen ausreichenden Schutz, unter anderem durch die Luftreiniger, oder die Durchseuchung. Letztere könne mit Blick auf schwere Verläufe auch bei Kindern und Long Covid, nicht gewollt sein, so Schleh. Im Oktober 2020 Zeit hätten einige die Pandemie bereits für überstanden erklärt, so Burgmaier. Wenige Wochen später sei ein neuer Lockdown die Folge gewesen - das dürfe nicht noch einmal passieren. Klar sei, so Burgmaier weiter, dass es keine "100-prozentige Lösung" gebe, aber man müsse alles in der Macht des Gremiums Stehende tun, um die Kinder zu schützen. Und auch wenn alle anderen Kreisräte, die sich zu Wort gemeldet hatten, betonten, dass der Schutz der Kinder oberste Priorität habe - am Ende reichten die Argumente der Fürsprecher wohl nicht aus. Der Landkreis wird deshalb weder selbst Geräte beschaffen noch den Schulen die nötigen Mittel für die Beschaffung zur Verfügung stellen.

© SZ vom 04.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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