Der wichtige Zeuge, den die Staatsanwaltschaft München I und die Kriminalpolizei Fürstenfeldbruck im Zusammenhang mit den tödlichen Schüssen auf Staatsanwalt Tilman T. im Dachauer Amtsgericht suchen, hat sich nach Auskunft des Polizeipräsidiums Oberbayern-Nord noch nicht gemeldet. Laut Aussagen anderer Zeugen handelt es sich um einen erwachsenen Mann, der sich am Mittwochnachmittag im Café des Dachauer Schlosses aufhielt. Die Kripo bittet den Zeugen dringend, sich unter Telefon 08141/612-0 zu melden.
Unmittelbar vor Beginn der Gerichtsverhandlung, in der Rudolf U. plötzlich eine Pistole zog und auf Richter Lukas Neubeck und Ankläger Tilman T. feuerte, saßen der 54-jährige Täter und seine Anwältin im Schlosscafé und warteten auf den Beginn des Prozesses. Rudolf U. soll dabei lautstark auf Richter Neubeck und die bayerische Justiz geschimpft haben. Der Zeuge, nach dem die Kripo nun fahndet, saß unmittelbar am Nebentisch. Die Ermittler vermuten, dass dieser Mann wesentliche Teile des Gesprächs zwischen Rudolf U. und seiner Anwältin mitbekommen hat. Durch die Aussage dieses Zeugen erhoffen sich die Ermittler Aufschluss darüber, ob der Täter das Verbrechen plante und damit vorsätzlich handelte. Die Anwältin von Rudolf U. macht zu diesem Gespräch keine Angaben, weil sie sich auf ihre Verschwiegenheitspflicht beruft.
Wie ein Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern-Nord der Süddeutschen Zeitung sagte, haben die Ermittler bisher keine neuen Erkenntnisse. Täter Rudolf U. sitzt in Stadelheim in Untersuchungshaft und macht nach wie vor keine Angaben. "Seit der Tat verhält er sich ruhig", sagte der Polizeisprecher. U., der von Nachbarn und ehemaligen Angestellten seines Speditionsunternehmens als jähzorniger Mensch beschrieben wird, zeige in Stadelheim kein auffälliges Verhalten. Seit seiner Firmenpleite 2009 und einem Schlaganfall im Jahr darauf ist der 54-Jährige ein verbitterter und verzweifelter Mensch. Auch Angestellte einer Metzgerei in Dachau-Süd, in der er offenbar häufig einkaufte, beschreiben den Mann als jähzornig und renitent. Wenn er nicht sofort bedient worden sei, habe er zu schimpfen begonnen und das Personal beleidigt. Der Mann leidet an Herzproblemen und Diabetes.
Der Haftbefehl gegen den 54-Jährigen lautet auf Mord und versuchten Mord. Die Ermittler untersuchen jetzt, ob der Todesschütze auch die beiden Zeugen töten wollte, die ihn im Gerichtssaal überwältigten. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hat bei seinem Neujahrsempfang an den getöteten jungen Münchner Staatsanwalt erinnert. Dieser sei Opfer eines brutalen Verbrechens geworden, sagte Seehofer am Freitagabend in der Münchner Residenz. (Bayern)