Seit mehr als 90 Jahren ist die "Gast- und Tafernwirtschaft" in Niederdorf in Hilgertshausen-Tandern ein Familienbetrieb. Das Wirtshaus selbst gibt es seit mehr als 160 Jahren. Norbert Pfündl hat in den sonnigen Monaten alle Hände voll zu tun, jetzt in der Ferienzeit ist der Biergarten fast täglich voll. Das Wirtshaus ist ein beliebtes Ausflugsziel für Fahrradfreunde und dank seines großen Spielplatzes auch für Familien. "Es läuft sehr gut", sagt er. Und trotz allen Erfolges macht sich der Gastronom Sorgen um die Zukunft seines Betriebes.
Der Grund: Ab 2024 soll die auf sieben Prozent gesenkte Mehrwertsteuer, die aktuell in der Gastronomie gilt, wieder auf 19 Prozent erhöht werden. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) warnt vor einer damit verbundenen Pleitewelle, hat sich die Gastronomie doch soeben erst von den Folgen der Pandemie erholt. "Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer wird für uns zu massiven Umsatzrückgängen führen", sagt Pfündl.
Michael Groß, Kreisvorsitzender der Dehoga, hält die Erhöhung gerade für kleine Häuser für sehr problematisch. Die Kosten im Wareneinkauf und für Energiekosten seien extrem, so Groß. Viele Gasthäuser hätten deshalb die Preise erhöhen müssen. Wenn diese noch weiter steigen, fürchtet er, werden es sich viele Menschen wohl überlegen, gastronomische Betriebe aufzusuchen und seltener kommen.
"Die klassische Form der Dorfwirtschaft kann kaum mehr bestehen"
Auch Birgitta Unger-Richter, Kreisheimatpflegerin, befürchtet, dass der Biergarten- und Wirtshausbesuch mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer für viele zum Luxus werden könnte. Schon jetzt, sagt sie, kämpfe die hiesige Gastronomie um das Weiterbestehen, was man beispielsweise an reduzierten Öffnungszeiten erkenne. Bereits seit den 70er-Jahren gehe die Wirtshauskultur allmählich mehr und mehr verloren, sagt Unger-Richter. "Die klassische Form der Dorfwirtschaft kann eigentlich heute kaum mehr bestehen." Gastronomen im Landkreis müssten sich ein weiteres Standbein suchen, um noch sichere Einnahmequellen zu haben.
Schuld an dieser Entwicklung sind aus Sicht des Dehoga-Chefs die wirtschaftliche Instabilität und die fehlende Planungssicherheit in der Gastronomie. Groß betreibt selbst den gleichnamigen Hotelgasthof in Bergkirchen mit 300 Plätzen und etwa 40 Angestellten. Seine weiteren Standbeine sind der Hotelbetrieb und die Event-Location. "Wir müssen richtig Gas geben, damit wir Umsatz machen", sagt er. Im Sommer laufe das immer besser als im Winter.
Auch die "Gast- und Tafernwirtschaft" in Niederdorf bietet neben den mehr als 600 Plätzen in Biergarten und Restaurant noch drei Hotelzimmer an, um Gäste an sich zu binden. Denn das Hauptklientel von Pfündl sind Besucher, die eine längere Anfahrt zurücklegen. "Sie kämen bei einer Erhöhung der Preise dann schnell in eine Spanne, die sie sich nicht mehr so oft leisten könnten", sagt Pfündl.
Die Sorge der beiden bezieht sich aber nicht nur auf die drohende Steuererhöhung. Sie bemängeln auch die geltenden Vorschriften in der Gastronomie, die es den Betreibern immer schwerer mache, Personal zu finden und dieses langfristig zu halten. "Es ist nicht einfach, Nachfolger zu finden, weil es eine hochriskante Branche geworden ist", klagt Groß.
Häufig findet sich kein Nachfolger
Junge Gastronomen werden von der Bürokratie, den Auflagen und Vorschriften abgeschreckt, was dazu führt, dass langjährig bestehende Familienbetriebe nicht weitergeführt und in die nächste Generation getragen werden. Ein Phänomen, das sich durch den gesamten Landkreis zieht. So schließt das Wirtepaar Andrea Schneider und Jürgen Vötter Ende des Jahres den Dachauer "Zieglerbräu", weil die wirtschaftliche Situation zunehmend schwieriger geworden ist.
Für Groß ist das Wirtshaussterben vor allem im ländlichen Raum deutlich zu spüren: "Es genügt, in die Dörfer hier zu fahren, um zu sehen, wie viele Gasthäuser es nicht mehr gibt." 2019 schloss das "Gasthaus zur Sonne" in Odelzhausen, 2018 das Wirtshaus in Großberghofen, 2019 die Gaststätte "Waldfrieden" in Deutenhofen bei Hebertshausen.
Damit diese Liste nicht noch viel länger wird, hofft Groß auf eine Veränderung, vor allem auf mehr Sicherheit - und natürlich weiterhin auf die gesenkte Mehrwertsteuer. Benötigt werde außerdem mehr Flexibilität bei den Arbeitszeitregelungen. Diese seien, oft schwer mit der Praxis vereinbar, so Groß. Nach zehn Stunden müssten alle Feierabend machen. "Wenn wir aber eine Hochzeit feiern, käme dann nach dem Hauptgang kein Kellner mehr, wie soll das klappen?" Gerade Groß' Teilzeitmitarbeiter, die oft nur einen Tag pro Woche arbeiten und diesen dann entsprechen auskosten möchten, würden dadurch ausgebremst.
"Es ist wirklich deprimierend, denn das Hauptübel hängt in Berlin und das können wir überhaupt nicht beeinflussen. Aber wir geben nicht auf", sagt er. Daran halten auch Pfündl und seine 42 Mitarbeiter fest. "Wir können nur hoffen, dass es gut weitergeht und weiterhin Kundschaft zu uns kommt", sagt er. Eine Mehrwertsteuer von 19 Prozent in der Gastronomie könnte die Gäste aber mehr und mehr verschrecken, fürchtet er.