Dachau:Wie Hartmut Lichti das Image der Fledermäuse aufpoliert

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Ein Abendspaziergang an der Amper mit dem Experten vom Landesbund für Vogelschutz.

Von Petra Neumaier, Dachau

Der Moment ist kurz - kaum einen Wimpernschlag lang. Aus dem Nichts der Dunkelheit taucht sie ins Licht der Taschenlampe. Ein Geist, ein kleines, blasses Etwas, flatterhaft wie ein Vogel und so flink wie eine Maus. Silbern glänzen ihre Flügel, als sie diesen einen, winzigen Moment über dem Wasser schwebt, sich dann dreht und so schnell wendet, dass ihr das Auge kaum folgen kann. Dann ist sie auch schon wieder weg, verschmolzen mit der Nacht, die auch den Seitenarm der Amper schwarz eingefärbt hat. Und so rasch ist ihr Auftauchen vorbei, dass das begeisterte "Da!" und erstaunte "Oh" aus den Mündern der aufgeregten Zuschauer wie ein Echo hinter ihr her hallen. "Das war eine Wasserfledermaus", sagt Experte Hartmut Lichti mit einer Bewunderung und Begeisterung, die in all den Jahren, die er für den Landesbund für Vogelschutz (LBV) der Kreisgruppe wirkt, nicht abgenommen hat. Am Samstag teilte er sie bei der Europäischen Fledermausnacht mit etwa 60 Besuchern.

Laut rauscht die Amper durch das Wehr - nur unterbrochen von der noch lauteren Durchsage des benachbarten Freibades, dass die Badezeit für heute beendet ist. Immer mehr Erwachsene nähern sich zu dieser Dämmerstunde dem Treffpunkt an der kleinen Fußgängerbrücke. Die meisten mit aufgeregten Kindern an der Hand - kleinen Naturforschern, die mit Rucksack und Taschenlampen perfekt für diese nächtliche Exkursion ausgerüstet sind.

Hartmut Lichti erwartet sie bereits, ein Mikrofon vor dem Mund, kleine Kopfhörer auf den Ohren, einen Lautsprecher am Hosengurt und einen Ultraschalldetektor in der Hand. Seit 2006 führt der Landschaftsarchitekt Gruppen an Abenden durch Wälder und Auen, um sie teilhaben zu lassen an der Einzigartigkeit der Fledermäuse, die völlig zu Unrecht ein schlechtes Image haben.

Mit dem Teufel im Bunde

65 Millionen Jahre, so alt ist die Spezies, die in der Tierwelt eine Sonderstellung einnimmt. Sie kann fliegen, ist aber kein Vogel, sondern ein Säugetier, dessen Skelett unserem gleicht. Die Flügel sind wie Hände, an denen lediglich die einzelnen Finger mit einer Flügelhaut verbunden sind. Was sie den Menschen jedoch Jahrtausende lang unheimlich machte, ist ihr Orientierungssinn: Wer in dunkler Nacht so zielgenau winzige Insekten fangen kann und trotz der Schnelligkeit nicht mit Hindernissen kollidiert, musste doch mit dem Teufel im Bunde sein - wenn er es denn nicht gleich daselbst ist. "Deshalb trägt der Teufel auch auf vielen alten Darstellungen Fledermausflügel", erklärt Hartmut Lichti. Erst als im 18. Jahrhundert der Ultraschall und das Geheimnis der Tiere entdeckt wurden, besserte sich der Ruf. Ein Rätsel bleibt das Tier bis heute. "Auch ich kann es mir immer noch nicht vorstellen, wie es sein kann, dass Fledermäuse alleine durch das Echo ihrer Schallwellen hören können, wo gerade eine Mücke fliegt und sie auch noch punktgenau fängt", sagt der Fledermausexperte bewundernd.

Die Neugier auf diese unheimlichen Tiere ist es aber auch, was die Kinder der Führung gebannt aufpassen lässt. Sogar der Reiz, die Taschenlampe auf- und abblitzen zu lassen, verliert sich da rasch. Wo die Fledermäuse wohnen? Na klar, in Höhlen und "Fledermauszüchthäusern", ruft ein kleiner Junge und meint die Nistkästen. Sogar unter Dachziegeln, ergänzt Hartmut Lichti, sind Fledermäuse zu Hause, wie er erst kürzlich in Karlsfeld entdeckte. Keller und Rollladenkästen sind ebenfalls beliebt - nicht nur in alten Häusern, auch in Neubauten. Gern gesehen sind die Tiere allerdings selten, dabei sind sie absolut harmlos. Abgesehen davon stehen sie unter strengstem Naturschutz: Weder die Quartiere noch die Fledermäuse selbst dürfen eigenmächtig beseitigt werden. Hin und wieder passiere das aber unabsichtlich: Vor allem bei energetischen Sanierungen werden Spalten zugemauert, hinter denen sich manchmal noch lebendige Fledermäuse befinden.

Hartmut Lichti liefert die Informationen. (Foto: Niels P. Joergensen)

Katzen fangen auch Fledermäuse

Neben dem Menschen ist das größte Problem die Katze: Unter den 25 Fledermausarten in Deutschland (etwa die Hälfte davon findet sich im Landkreis Dachau) gibt es eine, die sehr tief fliegt und von Katzen gejagt werden kann. "Außerdem übertragen sie Krankheiten, an denen die Fledermäuse sterben können", erklärt Lichti. Inzwischen wird der Landschaftsarchitekt auch bei Baumfällungen zu Rate gezogen. Wie kürzlich im Schlosspark, als sich nach dem Fällen einer Buche herausstellte, dass dadurch ein Fledermausnest abgesägt worden war. "Es hat viele Verletzte gegeben", sagt der Experte traurig, der lieber Abende lang potenzielle Nistbäume beobachtet, bevor einfach darauf losgesägt wird. "Am besten", resümiert er, "lässt man tote Bäume einfach stehen." Die Fledermäuse sind nämlich nur schwer umzusiedeln, sie folgen zudem einem genau vorgegebenen Lebenstakt: Im Herbst ist Paarungszeit. "Weil die Männchen versuchen, so viele Frauen wie möglich in ihre Höhle zu locken, geht es da ganz schön zu." Dann wird Winterschlaf gehalten, und im Frühling treffen sich die Weibchen zur "Wochenstube", also zum Gebären und Aufzucht der Kleinen. "Die Männchen sind in dieser Zeit sonstwo."

Immer wieder hält Hartmut Lichti seinen Detektor in Richtung Wald. "Jetzt sollten sie langsam erscheinen", murmelt er. Die Abendsonne hat sich längst verabschiedet, Dunkelheit taucht die Bäume in schwarze Schatten. Die Luft ist schwül und geschwängert von Anti-Mückenspray, in dessen Wolke man sich nur zu gerne stellt. Wenn auch Fledermäuse bei ihren nächtlichen Ausflügen bis zu 1000 Stück futtern, bleiben genug Stechfliegen übrig.

Sybille Lichti, die ihren Ehemann stets begleitet und unterstützt, hat die ersten Signale empfangen. "Eine Zwergfledermaus", hört Lichti aus der Frequenz und der Abfolge der Ultraschallgeräusche heraus. "Eine sehr zuverlässige Art, die sich gut sehen lässt", ergänzt der Experte. "Das ist immer ein guter Kandidat am Abend, wenn sie über das Wasser fliegt um Mücken zu holen."

Essbare Fledermäuse. (Foto: Jørgensen)

Licht aus!

Aufgeregt geht die Gruppe zu dem kleinen Steg über den Amper-Altarm. Kinder ziehen ihre Eltern; die versuchen den Überblick nicht zu verlieren. Ungezählte Taschenlampen blitzen über das Wasser, beleuchten aber nur Schwaden von Mücken, die da tanzen. Nur widerwillig werden die Lampen gelöscht - "Licht meiden Fledermäuse", erklärt Lichti. Durch den Lautsprecher ist jetzt deutlich ein Knacken zu hören. Erst leise und mit deutlichen Abständen, dann immer lauter und rascher. Wie ein Spuk taucht die Fledermaus auf, rechts, links, stürzt Richtung Wasser, wieder nach oben und ist auch schon verschwunden.

"Hast Du sie gesehen?" die Aufregung ist bei den Erwachsenen fast größer, als bei den Kindern. Ferdinand Romig bleibt sogar recht cool. Von Sybille Lichti hat der Siebenjährige, der mit seiner jüngeren Schwester Vefi gekommen ist, die Kopfhörer auf den Ohren und den Detektor in der Hand. "Ich höre sie", flüstert er. Im nächsten Moment springt er erschrocken zur Seite: "Das war auf einmal ganz schön laut", beruhigt der "nur ein bisschen" ängstliche Forscher die ebenfalls erschrockene Mutter.

Naim Klotz strahlt, als auch er die Kopfhörer aufsetzen darf. "Cool!" Bei einem Zeltlager hatte der Achtjährige schon einmal Fledermäuse gesehen, gehört hat er sie noch nie. Mit dem Detektor folgt er der Gruppe zu einer anderen Stelle, wo Sybille Lichti weitere Fledermäuse gesichtet hat. Die kommen auch - einzeln - eine nach der anderen oder die eine immer wieder. "So genau kann man das nicht sagen", sagt Hartmut Lichti.

Nicht alle überleben

Es ist schon spät, als sich die Zuschauer von dem Schauspiel losreißen. Der vierjährigen Philipp Steglich, der extra am Nachmittag vorgeschlafen hat und am Dienstag fünf Jahre alt wird, fragt seinen Vater, was er denn nun an dem Abend gelernt habe. Viel. Gesehen hat er auch eine Menge. Und er hat sogar von einer bedrohten Fledermausart gekostet: Wie zu jeder Führung hatte Sybille Lichti Plätzchen in Fledermausform gebackenen. "Die überleben keinen Abend", sagt Hartmut Lichti und lacht.

© SZ vom 29.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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