Ausstellung in Dachau:Mach dir die Welt schön puschelig

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Wer Puschel-Welten unter Wasser erforscht, sollte die Taucherbrille nicht vergessen. (Foto: Toni Heigl)

Martina Groß aus Grafing hat ein fröhliches flauschiges Wesen geschaffen, das sich auf ihren Gemälden immer wieder in neuen Rollen erprobt. Jetzt erobern ihre Puschel den Dachauer Wasserturm.

Von Renate Zauscher, Dachau

Ein ebenso originelles wie rätselhaftes Geschöpf steht im Mittelpunkt der neuen Ausstellung im Dachauer Wasserturm, die am Donnerstag eröffnet wird: der Puschel. Mitgebracht hat ihn Martina Groß aus Grafing - kein Bild in der Schau, auf dem sich nicht ein Puschel finden würde. In aller Regel spielt er dabei die Hauptrolle im Zentrum der Bildkomposition.

Wer oder was aber ist eigentlich ein Puschel? Auf die Frage gibt es keine eindeutige Antwort. Man könnte ihn als flauschig-rundes Kugelwesen beschreiben, aus dem unten zwei spindeldürre Beinchen mit übergroßen Füßen ragen und oben zwei Hörnchen, die sich auch als Fühler eines Insekts interpretieren ließen. Kein Kopf, kein Gesicht, aus dem sich ablesen ließe, was Puschel denkt oder fühlt. Selbst die Frage, ob es sich um ein männliches, weibliches oder ein Mischwesen handelt, bleibt offen.

Während Puschel anfangs noch aus einem Feder- oder Wollknäuel besteht, trägt er - oder sie - später ein Röckchen, wird also sichtbar weiblich, oder trägt eine Krone und wird dann männlich als "Prinz" oder "König" betitelt. In späteren Bildreihen tritt das Geschöpf manchmal nur noch am Rande des Geschehens auf, oder es werden Schriftbänder eingearbeitet, die etwa mit dem Wort "Freiheit" Auskunft darüber geben, was mit Puschel gemeint ist.

Puschel ist jetzt sieben Jahre alt

Entstanden ist Puschel vor rund sieben Jahren; Martina Groß nennt 2017 als sein "Geburtsjahr". Vorher hatte sie eine dreijährige Ausbildung an der Akademie der bildenden Künste Kolbermoor gemacht. In dieser Zeit seien thematisch auch ganz andere, oft abstrakte Bilder entstanden, zumeist mit Acrylfarben auf Leinwand. Dann trat der Puschel eines Tages in den Mittelpunkt des Geschehens. Auf seinem "Geburtsbild" steht er vor einem streng strukturierten, perspektivisch ins Unendliche führenden blauen Hintergrund.

Allmählich werden die Bildkompositionen lockerer, farbiger, zusätzliche Elemente werden einbezogen. So greifen etwa in der Arbeit "Puschel on Stage" gierige Hände nach dem kleinen roten Geschöpf in der Mitte: ganz offensichtlich Puschels Fans. Oder das flauschig-fedrige Wesen steht vor einer bunten Wand, die den Ausblick auf eine Insel freigibt: "Puschel macht Urlaub" hat seine Schöpferin das große Acrylgemälde genannt.

Die weiblichen Züge treten immer stärker hervor

In jüngeren Bildserien wird dessen Umgebung immer fröhlicher, vielgestaltiger, bewegter und farbenprächtiger. Eine diese Arbeiten mit dem Titel "Speranza" hängt derzeit am Rande der Biennale von Venedig. Die Schweizer Galerie "Artbox" platziert dort Einzelobjekte an prominenten Plätzen. Auf diese Weise kam Puschel auch schon nach New York, in die Nähe des MoMA, des Museum of Modern Art, oder an den Flughafen nach Basel.

Über die Jahre veränderte sich Puschel zusehends. In den jüngsten Arbeiten von Martina Groß trägt er - oder sie - gelegentlich ein kurzes Röckchen, auch seine Umgebung in Rot- und Rosatönen ist hier deutlich weiblicher. In einem Fall sagt der Titel "Shopping Queen" klar aus, dass es sich bei dem dargestellten Wesen, dem das Geld aus dem Handtäschchen fliegt, um eine Puschel-Lady handelt. Andere Puschels tragen jetzt Ballerina-Outfit oder eine Kopfbinde, die sie als Kampfsportler kennzeichnet.

Martina Groß will mit ihrer farbenfrohen Kunst ganz groß rauskommen. (Foto: Toni Heigl)
Erholung sucht der "Urlaubspuschel". (Foto: Toni Heigl)
Gesichter haben die Puschel keine, aber sie verbreiten immer gute Laune. (Foto: Toni Heigl)
Wo geht's denn da lang? "Puschel 1" mit Zentralperspektive. (Foto: Toni Heigl)

Doch immer haftet ihm oder ihr etwas sehr Lockeres, Fröhliches an. "Smile" steht da ganz groß auf einer Mauer, die den Hintergrund eines Puschel-Bildes darstellt - und genau das soll der Betrachter oder die Betrachterin tun: sich freuen an Puschels Lustigkeit und an den kleinen Bildgeschichten, die nebenbei erzählt werden. Dann etwa, wenn auf den kleinformatigen Papierarbeiten mit Tusche oder Buntstiften, die ganz oben im Wasserturm hängen, Puschel von einer Gans begleitet wird oder von einem Hund, der ihm hinterherläuft. Puschel - "das ist das Lebendige, das Mutige, ist Freiheit", sagt Martina Groß.

Vielleicht ist er oder sie ja ganz einfach der Mensch schlechthin, in all seinen Aktivitäten, seinen Stimmungslagen, seinen oft ja tatsächlich lustigen Widersprüchlichkeiten. Und gelegentlich auch mit seinen Sorgen und Ängsten, dann zum Beispiel, wenn dem winzigen Puschel ein anderer, riesiger und deshalb nur teilweise im Bild sichtbarer Puschel den Weg versperrt.

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Die Tatsache, dass Puschel sich bereits in die Welt jenseits von Grafing, Ebersberg und Wasserburg zu anderen Orten, an denen er schon zu sehen war, aufgemacht hat, freut Martina Groß natürlich. New York, Venedig oder Basel sind aber für sie nur der Anfang. Sie will mehr. Am Beginn ihrer künstlerischen Karriere stand schließlich in ganz wörtlichem Sinn ein Traum: Sie sah sich, ganz realistisch, im MoMA mit einer eigenen, ganz ihren Arbeiten gewidmeten Ausstellung. Dort will sie hin - mitten hinein in die große Welt des internationalen Kunstgeschehens. Sie wünscht sich, irgendwann einmal von ihrer Kunst leben zu können. Dazu fehlt ihr allerdings noch der Mäzen, der das finanziell ermöglichen würde. Vielleicht kommt er ja noch - und ist, ganz wie der Puschel, eines Tages einfach da.

Eröffnet wird die Ausstellung "Puschel-Welt" am Donnerstag, 25. April, um 19 Uhr. Bis zum 5. Mai ist sie täglich geöffnet, von Montag bis Freitag von 15 bis 19 Uhr sowie Samstag und Sonntag und am 1. Mai von 10 bis 19 Uhr. Dabei kann auch "Puschel-Schmuck" von Angelika Christoph-Huber erworben werden. Der Erlös aus dem Verkauf geht an den Tierschutzverein "Galgorettung Fränkisches Seenland".

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