Wachstumsdruck:"So können wir nicht weitermachen"

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Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter ruft Stadt und Landkreis Dachau zur engen Zusammenarbeit auf und übt sich auf dem Empfang des Dachauer SPD-Landtagabgeordneten Martin Güll auch in Selbstkritik

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hat Stadt und Landkreis Dachau ein umfassendes Angebot zur engen Zusammenarbeit in allen wesentlichen Bereichen der Kommunalpolitik unterbreitet. Nur auf diese Weise seien die Wohnungsnot, die wirtschaftliche Expansion des gesamten Ballungsraums und die Verkehrsprobleme gedanklich zu erfassen und schließlich zu bewältigen. Auf dem Empfang des SPD-Landtagsabgeordneten Martin Güll für die Mandatsträger aller 17 Kommunen im Ludwig-Thoma-Haus in Dachau übte sich Dieter Reiter in Selbstkritik und bezeichnete den bisherigen überheblichen Umgang der Landeshauptstadt gegenüber dem Umland als "No go". An die etwa 100 Gemeinderäte, Kreisräte und Bürgermeister gerichtet, sagte er am Sonntag: "Früher haben wir alle mit den Hosenträgern geschnalzt. Will sagen: 'Lasst uns unsere Ruah'." Aber: "So können wir nicht mehr weitermachen."

Die Landtagsfraktion der SPD organisiert in dieser Legislaturperiode eigens Empfänge für Kommunalpolitiker, um in der Öffentlichkeit herauszustellen, "dass auch diese Funktionen Ehrenämter sind". Der Dachauer Landtagsabgeordnete Martin Güll nutzte das Angebot, um seine regelmäßig stattfindende Reihe "Treffpunkt Landtag" mit dem roten SPD-Sofa auf großer Bühne zu inszenieren. Als zentrales Thema wählte er nicht die Flüchtlingspolitik aus, wie angesichts der aktuellen Debatten über Asylbewerber im Landkreis zu erwarten gewesen wäre, sondern das Dauerthema der Regionalpolitik: Wohnen, Arbeiten und Verkehr. Wie können München und das Umland besser zusammenarbeiten? Dazu saßen der Dachauer Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) und sein Münchner Kollege Reiter auf dem roten Sofa. Der gemeinsam Tenor ihrer beiden Grundsatzreden und der anschließenden Diskussion lautete: Die Landeshauptstadt München und das gesamte Umland haben keine andere Wahl als die Kooperation.

In der Reihe "Treffpunkt Landtag" des Dachauer SPD-Abgeordneten Martin Güll unterhielten sich Florian Hartmann und Dieter Reiter (r.). (Foto: Toni Heigl)

Beispiel Gewerbepolitik: OB Hartmann schilderte die Notwendigkeit, Unternehmen anzusiedeln, um der Stadt Dachau finanzielle Spielräume für eine, wie er sagte, "lebendige Stadt" zu schaffen. Ein Stadt, die nicht nur ihre Pflichtaufgaben erfüllt, sondern auch noch Geld für Sport und Kultur hat. Münchens OB Reiter drängte Stadt und Landkreis regelrecht Unternehmen aufzunehmen. "Wir haben keine Flächen mehr", sagte er. Und er würde sich freuen, wenn so viele wie möglich in das Umland gingen. "Das wäre mir nur sehr recht." Außerdem sehe sich München wegen der Wohnungsnot gezwungen, sogar vorhandene Gewerbeflächen in Grundstücke für den Wohnungsbau rechtlich umzuwandeln.

Beispiel Wohnungsbau: OB Hartmann betonte, dass die Stadt Dachau die sozial gerechte Bodennutzung einführen will, damit sich Grundstückseigentümer und Bauträger in einem gerechten Maß an den Folgekosten des Wohnungsbaus beteiligen. München wendet dieses Instrument seit 20 Jahren an und erwarb auf diese Weise mehr als eine halbe Milliarde Euro, um Kindergärten, Schulen und sonstige soziale Einrichtungen zu schaffen. OB Reiter empfahl diese Form der kommunalen Steuerung der Grundstückspolitik dem gesamten Landkreis. Allerdings sollten die Kommunen mit den Bauunternehmen und Bauträgern kooperieren, und ihnen auf diese Weise auch erläutern. Diese Gesprächsbereitschaft habe sich in München ausgezahlt. Schließlich schlug er einen gemeinsamen genossenschaftlichen Wohnungsbau vor. Die Diskussion auf dem SPD-Empfang mündete in die Vereinbarung zwischen Dachau und München, auf diesem Sektor zu kooperieren. Und OB Hartmann betonte, dass er bereit sei, die Planung des großen Bauvorhabens auf dem MD-Gelände, einer 17 Hektar großen Industriebrache in der Innenstadt, nochmals zu überdenken. Das würde bedeuten, dass die gesamten Planung im Sinne des sozialen Wohnungsbau neu überdacht werden müsste.

Wird das MD-Areal in der Dachauer Innenstadt zu einem Zentrum des sozialen Wohnungsbaus in der Region München? Folgt man den Ausführungen der Oberbürgermeister Hartmann (Dachau) und Reiter (München) wäre es zu wünschen. (Foto: Toni Heigl)

Beispiel Verkehr: Ähnliche enge Beziehungen zu Stadt und Landkreis wünscht sich der Münchner Oberbürgermeister beim Thema Verkehr. Abgesehen von einer zweiten Stammstrecke hält auch er Tangentialen für nötig. "Wir sind auch bereit, solche Buslinien mit zu finanzieren.

Beispiel Bildung: Eine inhaltliche und finanzielle Kooperation wünscht sich Reiter mit dem Landkreis beim Aufbau von weiterführenden Schulen. Er kritisierte das eigene Schulreferat dafür, dass es sich geweigert habe, in den vergangenen Jahrzehnten über die Stadtgrenzen hinaus zu denken. Reiter sagte: "Den Menschen in München und der Region ist es doch egal, ob sie 20 Meter vor oder hinter der Stadtgrenze in die Schule gehen." Die Nagelprobe auf Reiters Credo steht kur bevor: Der Landkreis Dachau will gemeinsam mit der Stadt München ein Ganztagsgymnasium in Karlsfeld errichten.

© SZ vom 19.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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