Schloss in Dachau:Ein Berg voller Geheimnisse

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Betreten verboten: Der Zugang zur Aussichtsplattform im Hofgarten ist gesperrt. Einige Besucher lassen sich davon aber nicht abhalten. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Seit mehreren Wochen ist ein Teil der Aussichtsplattform im Hofgarten gesperrt. Der Grund: Im Boden haben sich mysteriöse Löcher aufgetan.

Von Johannes Rockstuhl, Dachau

Rot-weiße Bänder versperren schon seit mehreren Wochen die südliche Ecke der Aussichtsplattform im Hofgarten des Schlosses Dachau. Einen Unterschied zwischen frei zugänglichem und eingezäuntem Bereich können Besucherinnen und Besucher mit bloßem Auge jedoch nicht erkennen. Keine Bauarbeiten, umgefallenen Bäume oder abgebrochenen Mauerteile. Von diesen Flatterbändern allein lassen sich einige Besucherinnen und Besucher nicht abhalten, den schönen Ausblick auf München auch aus der abgesperrten Zone zu genießen und betreten ihn trotzdem, ohne eine mögliche Gefahr unter ihren Füßen zu erwarten.

Ob tatsächlich eine Gefahr besteht, weiß man nicht. Angestellten des Schlosses sind vor einigen Wochen Bodenabsenkungen an der südlichen Stelle des Aussichtsbereiches aufgefallen und sie haben die betroffene Stelle, die sich direkt am Hang befindet, vorsorglich abgesperrt, um einem möglichen Erdrutsch vorzubeugen. Da die Absperrung keineswegs einer langfristigen Lösung entspricht und einige Besucherinnen und Besucher kaum davon abhält, den potenziell gefährlichen Bereich zu betreten, wurden Geologen hinzugezogen, die den Bereich untersucht haben.

Das Bauamt Freising soll jetzt Bodenproben entnehmen und ein Gutachten erstellen

Genaue Ursachen für die Absenkung könne man jedoch nur durch Sondierungsarbeiten erforschen, meint die Bayrische Schlösserverwaltung, weswegen diese das Bauamt Freising beauftragt hat, diese durchzuführen. Jetzt werden Bodenproben entnommen und ein Gutachten erstellt. Im Bereich der Absenkungen werden Bodenschürfen, also vereinzelte lochartige Grabungen, vorgenommen, um Schichtaufbau und Qualität des Bodens zu erkunden. Hier zeigen sich gegebenenfalls Hinweise auf Hohlräume oder Ausspülungen. Noch könne nicht wirklich gesagt werden, wie es zu den Absenkungen im Boden gekommen ist, so das Bauamt Freising. Angestellte des Schlosses vermuten Erdlöcher, die durch den vielen Regen der letzten Wochen entstanden sind. Dies sind bisher jedoch nur Spekulationen.

Auch Edgar Forster, ehemaliger stellvertretender Landrat und Kenner der Böden und des Untergrundes Dachaus, ist überfragt, weist jedoch auf das hohe Alter und die Geschichte des Schlosses hin. Aus einer ehemaligen Mittelalterburg ist im 16. Jahrhundert das Renaissanceschloss entstanden und wurde seitdem noch mehrfach umgebaut. So ist von einst vier Flügeln nur noch einer erhalten. Auf Höhe der Aussichtsplattform wäre vor hunderten von Jahren ziemlich viel fahrlässig aufgeschüttet worden, was heutigen Sicherheitsrichtlinien wohl nicht mehr so entspräche, so Forsters. "Dass es da jetzt zu Schwierigkeiten kommt, ist nicht verwunderlich", meint er. Die Baugeschichte des Schlosses ist bis heute größtenteils unbekannt und es wurden noch keine großen Aktionen unternommen, nachzuforschen, was sich unterhalb des Schlosses denn überhaupt alles so befindet. "Was da aufgeschüttet wurde, wissen wir nicht", sagt Forster.

Er selbst wollte vor etwa 50 Jahren, als er im Dachauer Stadtrat saß, Grabungen unter dem Schloss vornehmen und nachsehen, was dort denn verborgen sein könnte. Damals stand für ihn jedoch sein Interesse und Neugier vordergründiger, als eine Gefahrenvorbeugung. Dieser Vorschlag stieß jedoch auf deutlich mehr als nur taube Ohren. Lorenz Reitmeier, der damalige Oberbürgermeister Dachaus, war strikt dagegen und so sehr erzürnt, dass er Edgar Forster ein Betretungsverbot auf das Schlossgelände erließ. "Heute kann ich darüber lachen", sagt Forster und weist darauf hin, dass dieses Verbot bis heute offiziell noch nicht aufgehoben wurde. Nachdem er kurz auflacht, bemerkt er, dass er sich also jedes mal in Gefahr begebe, wenn der das Schlossgelände betrete.

Bereich bleibt abgesperrt

Vielleicht genauso wie zahlreiche andere Besucherinnen und Besucher des Schlossgartens, die den abgesperrten Bereich sorglos und verbotenerweise betreten. Bisher weiß das aber noch niemand. Das Bauamt Freising hat Proben vom Boden entnommen und lässt diese untersuchen. Auch die Stützmauern sowie der Abhang sollen nun auf ihren Zustand überprüft werden. Wie lange die Absperrmaßnahmen also noch notwendig sein werden, ist derzeit nicht abschätzbar. Das Gutachten des Bauamts Freising werde in der ersten Septemberhälfte erwartet. Bis dahin bleibt der Bereich abgesperrt.

Der betroffene Abschnitt sieht nun schon mehrere Tage nach den kurzen Sondierungsarbeiten wieder genauso unschuldig aus wie schon Wochen zuvor. Noch konnten die Proben zu keinem Ergebnis führen und der Bereich bleibt versperrt; durch rot-weiße Bändchen und viel symbolischer Kraft dahinter. Von Symbolik lässt sich aber nicht jeder Besucher aufhalten, der eine schöne Aussicht genießen will. Hätte man Edgar Forster vor 50 Jahren also lieber mal graben lassen.

© SZ vom 31.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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