33 Jahre Künstlerfreundschaft Dachau-Oświęcim:"Was jetzt passiert, kann man nicht mit Worten ausdrücken"

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Pawel Warchoł hat gemeinsam mit seinem Dachauer Kollegen und Freund Heiko Klohn vor 33 Jahren die Grundlagen für die Künstlerfreundschaft gelegt. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Seit 1989 verbindet Dachau und Oświęcim eine Künstlerfreundschaft. Gefeiert wird dies mit einer großen Ausstellung, die noch bis Sonntag zu sehen ist. Mit dabei: Paweł Warchoł, Mann der ersten Stunde, das Künstlerpaar Elżbieta und Jerzy Pietruczuk und Barbara Wójcik, die bereits Vertreter einer neuen Generation ist.

Von Dorothea Friedrich, Dachau

33 Jahre Künstlerfreundschaft mit Oświęcim und acht Jahre Landkreispartnerschaft mit der polnischen Stadt wollen gefeiert werden. Nicht nur mit einer großen Ausstellung in vier Dachauer Galerien, der Galerie der KVD, der neuen Galerie, der Galerie Lochner und der Kleinen Altstadtgalerie. 15 Künstlerinnen und Künstler zeigen hier noch bis zum Sonntag, 4. September, rund 120 Bilder, Skulpturen, Installationen und Videos. Was allen Beteiligten ebenso wichtig ist: der persönliche Austausch, das Kennenlernen, das Verarbeiten der vielen Eindrücke - abseits des vollgepackten offiziellen Programms - beispielsweise im lauschigen Biergarten.

Paweł Warchoł, zusammen mit Heiko Klohn einer der Initiatoren dieser gewachsenen Beziehung, mag das Wort "Künstlerfreundschaft" gar nicht so gerne hören. "Es geht doch nicht darum, dass wir Künstler sind", sagt er, "wir sind Freunde." Er ist immer noch ein wenig überwältigt von all dem, was sich in den vergangenen Jahrzehnten auf den unterschiedlichsten Ebenen in den beiden Städten entwickelt hat, deren Namen für die unfassbaren Schrecken des Naziregimes stehen und die zu Lern- und Erinnerungsorten geworden sind - Oświęcim übrigens viel früher als Dachau.

Ängste und Vorurteile auf beiden Seiten wurden abgebaut

"Wir haben nie geglaubt, dass wir irgendwann so feiern und gefeiert werden. Was jetzt passiert, kann man nicht mit Worten ausdrücken", sagt Grafiker Warchoł im Rückblick auf den begeisterten Empfang der polnischen Künstler in Dachau: "Wow, da ist tatsächlich was daraus geworden. Das Schönste ist aber, dass Jugendliche von Dachau nach Oświęcim kommen und umgekehrt." Das habe bewirkt, "Ängste und Vorurteile auf beiden Seiten abzubauen", sich kennenzulernen und zu respektieren. "Wenn wir dann noch zusammenarbeiten können: umso besser", weiß Warchoł aus 33-jähriger Erfahrung.

Als die erste Ausstellung von Dachauer Künstlern in Oświęcim stattfand, war Barbara Wójcik noch gar nicht geboren. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Barbara Wójcik lebt in Oświęcim. Ihre Arbeiten sind eine Synthese aus Fotografie und Malerei. Sie war noch nicht einmal geboren, als 1991 die erste Ausstellung polnischer Künstler in Dachau stattfand. Nun sei sie "ganz neu" in der Künstlergemeinschaft und zum ersten Mal in Dachau, erzählt sie, und dass die Zusammenarbeit großen Einfluss auf ihr Schaffen habe. "Mich begeistert die Offenheit der Menschen in Dachau, das gute zwischenmenschliche Klima und die gute Stimmung", sagt sie. "Das ist ein Treffen unter Freunden, das haben wir alles der Partnerschaft zwischen den Künstlern zu verdanken." Und was nimmt sie mit nach Hause? "Der Austausch inspiriert mich, ich bin offener geworden, mein Horizont erweitert sich", sagt Barbara Wójcik. Das werde sich künftig auch in ihren Arbeiten ausdrücken, in denen sie Fotografie und Malerei den gleichen Stellenwert einräumt, "denn sie sind sich sehr ähnlich und eröffnen immer neue Möglichkeiten".

Für Elżbieta Pietruczuk und ihren Mann Jerzy ist der Dachau-Besuch ihre erste Reise nach Deutschland überhaupt. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Für Elżbieta Pietruczuk und ihren Mann Jerzy ist der Dachau-Besuch ihre erste Reise nach Deutschland überhaupt. Er und seine Frau haben sich auf digitale Grafik spezialisiert. "Wir fühlen uns wie zu Hause. Die Menschen, die ich kennengelernt habe, habe ich liebgewonnen", sagt Jerzy Pietruczuk und spricht von "einer neuen Energie, die ich gewonnen habe". Für beide ist "der Kontakt mit der Kunst anderer Menschen sehr wichtig". Denn "normalerweise konzentriert sich ein Künstler auf sich selbst. Aber dann gewinnt er keine neuen Perspektiven", sagt Elżbieta Pietruczuk. Sie ist überzeugt, dass "alle Künstler zwar durch das Internet raus kommen können, aber das ersetzt niemals das Persönliche". Das sei ein Grund gewesen, "warum wir die Möglichkeit, nach Dachau zu kommen, sofort genutzt haben". Jerzy Pietruczuk, der sich selbst einen "Alleingänger" nennt, will seine neuen Erfahrungen "nach der innerlichen Verarbeitung" gemeinsam mit seiner Frau umsetzen. Dabei sieht er sich ganz bescheiden als "digitale Ergänzung" ihrer Arbeiten, was selbstredend so nicht der Fall ist. Doch beide sind überzeugt, dass digitale Kunst ganz neue Chancen bietet.

Was man aus den lockeren Gesprächen mitnimmt, ist eine schöne Perspektive: Diese Freundschaft hat Bestand. Gut möglich, dass Grafiker Paweł Warchoł das gemeint hat, als er sagte: "Es ist erst einmal keine weitere Gemeinschaftsausstellung geplant, das entwickelt sich." So wie die vielfältigen Beziehungen zwischen Dachau und Oświęcim.

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