Pädagogik:Vom Moorversuchsgut zum vielfältigen Lernort

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Pädagogik spielt eine wichtige Rolle am Obergrashof. Dazu gibt es auch eine Reihe von Nutztieren. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Am Obergrashof ist Pädagogik ein wichtiges Thema. Es gibt Angebote für Erwachsene und Kinder und sogar einen Bauernhofkindergarten. Der braucht bald ein neues Gebäude, doch das ist kompliziert.

Von David Schmidhuber, Dachau

Eine kleine hölzerne Kuppel, der Boden überzogen mit gelb-weißem Heu, aus dem Inneren gucken drei Schafe heraus: Das ist mit das Erste, was die Kindergartenkinder des Waldorf-Bauernhofkindergartens am Obergrashof in Dachau jeden Tag sehen. "Der erste Gang für die Kinder früh am Tag ist hierher", erklärt Elise Ewald vom Trägerverein des Kindergartens. Sie wohnt und arbeitet am Obergrashof, ihre Tochter besucht den Kindergarten. Die Schafe werden von den Kindern mit Gemüseresten gefüttert, ebenso muss frisches Heu nachgefüllt werden. Seit knapp zwei Jahren gibt es die Schafskuppel, die von einigen Eltern der Kindergartenkinder gebaut wurde.

Pädagogik ist ein zentraler Baustein der Arbeit auf dem einstigen Gutshof, dessen ursprüngliche Bedeutung in der Trockenlegung des Dachauer Mooses lag. Heute sieht das anders aus, denn der Hof ist auch Sitz der Umweltbildung des Vereins "Dachauer Moos", der sich für den Schutz der Moosreste starkmacht. Beim jüngsten Hofgespräch im Herbst wurden weitere pädagogische Initiativen der Hofgemeinschaft vorgestellt.

Ein Herzensprojekt ist der Kindergarten am Obergrashof, in dem 15 Kinder betreut werden. "Wir haben sehr wenig Platz", sagt Ewald. Neben einem kleinen Vorraum gibt es ein größeres Zimmer zum Spielen und Essen. An Spielmöglichkeiten fehlt es jedoch nicht. In einer Ecke des Raumes finden sich Bastelmaterialien und eine Spielküche, im Vorraum gibt es eine Werkbank. Doch auch das Landratsamt Dachau bemängelte bereits, dass das Haus zu klein ist und es nur eine Toilette gibt. Deswegen möchte der Obergrashof schon seit vielen Jahren einen neuen Waldorf-Bauernhofkindergarten bauen, um mehr Raum für die Kinder zu schaffen. Das Probefundament steht seit Juli vergangenen Jahres.

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Einen ebenfalls wichtigen Platz auf dem Hof nimmt die Gärtnerei mit ihrem biologisch-dynamischen Anbau ein, die es schon seit 1991 gibt. Auf über 100 Hektar Freilandfläche wird auf dem Obergrashof Gemüse nach dem Konzept des Bioverbandes Demeter angebaut. Die Gärtnerei bietet über 50 Gemüsearten an, wovon der Großteil in der Münchner Region verkauft wird.

Seit sechs Jahren ist es in Bayern möglich, eine Ausbildung zum biodynamischen Landwirt respektive Gärtner zu absolvieren, beide Berufsbilder lernen in verschiedenen Wanderseminaren, die an unterschiedlichen Höfen stattfinden - auch am Obergrashof kann die Lehre abgeschlossen werden, erklärt Peter Stinshoff, der Betriebsleiter der Gärtnerei.

Für Erwachsene gibt es Angebote in der hofeigenen Töpferwerkstatt am Obergrashof. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Umweltbildung wird groß geschrieben, dazu gehört auch Basteln mit Naturmaterialien. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die biologisch-dynamische Wirtschaftsmethode, die vor knapp 100 Jahren ihre Anfänge nahm, wurde in Dachau während der NS-Zeit erforscht und angewandt. Von 1939 bis 1945 existierte eine über 200 Hektar große Gartenanlage außerhalb des KZ Dachaus, sie wurde verharmlosend "Kräutergarten" genannt. Bis zur Befreiung des Konzentrationslagers starben dort mehr als 800 KZ-Häftlinge. Die Gefangenen wurden unter anderem zu Forschungszwecken eingesetzt, um sogenannte biologisch-dynamische Präparate weiter zu untersuchen.

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Betriebsleiter Peter Stinshoff wird deutlich, wenn er dazu befragt wird. "Ich schaue mit Entsetzen und größtem Befremden darauf", sagt er: "Gründlicher missdeuten und pervertieren konnte man den positiven ökologischen Ansatz der biologisch-dynamischen Landwirtschaft nicht. Selbstverständlich distanzieren wir uns klar von jeglichem rassistischen, menschenverachtenden Gedankengut - es hat auf unserem Hof keinen Platz!"

Auch Trauerbegleitung wird angeboten

Zudem wird am Obergrashof die "Lacrima-Trauerbegleitung" angeboten, es ist eine Initiative der Johanniter-Unfallhilfe für Kinder. Derzeit gibt es eine Gruppe von zehn Kindern, die betreut wird. Silke Mißfeldt ist eine der sechs Betreuenden am Hof und ausgebildete Trauerbegleiterin. Sie erklärt, warum Kinder, aber auch deren Eltern gleichzeitig eine Betreuung bekommen. "Die Gruppen sind getrennt und das Hauptaugenmerk ist auf den Kindern. Aber es ist wichtig, dass der Trauerprozess sowohl beim Kind als auch beim Erwachsenen parallel abläuft."

Insgesamt soll die Trauerbegleitung in erster Linie einen geschützten Rahmen für die Kinder bieten. Während der gemeinsamen Aktivitäten und Gespräche kommt es oft dazu, dass die Trauer der Kinder zum Thema wird. "Wichtig ist, dass der Raum da ist, um darüber zu sprechen. Es muss aber überhaupt nicht dazu kommen."

Obwohl viele der Initiativen am Obergrashof gut laufen: Es wird auch deutlich, dass manche Projekte nur schwierig umzusetzen sind. Vor allem der geplante Neubau des Waldorf-Bauernhofkindergartens steht dabei im Fokus. Der Hof steht mit der Stadt Dachau und München im Austausch, um eine Einigung zu erzielen, wie mit dem Neubau weiterverfahren kann. Das aktuelle Problem ist, dass der Flächennutzungsplan der Stadt Dachau überarbeitet wird und bisher nicht geregelt werden konnte, wer die sogenannte Rückbauverpflichtung des aktuellen Kindergartens übernimmt - die Stadt Dachau oder München. Eine Alternative muss zeitnah gefunden werden, denn im kommenden Sommer muss der Kindergarten seine alten Räumlichkeiten verlassen.

Die Stadt schlägt einen Bauwagen als Provisorium vor

Die Stadt Dachau schlägt vor, entweder auf den Flächennutzungsplan zu warten oder als Übergangslösung in einem umgebauten Bauwagen, einem Container oder im städtischen Umwelthaus den Unterricht abzuhalten. Den Übergangslösungen stehen die Hofbewohner eher negativ gegenüber. "Das wäre nicht mehr dasselbe Gefühl wie auf dem Hof", sagt eine Bewohnerin. "Dazu kostet es Geld, das Konzept müsste umgestellt werden und die Elternschaft muss mitziehen", erklärt Elise Ewald vom Trägerverein des Bauernhofkindergartens. Nach den vielen Jahren Arbeit, die investiert wurde, um den Neubau zu ermöglichen, macht sich Frust breit. "Die Initiativkraft muss schon sehr hoch sein", sagt Ewald.

Momentaner Stand ist nun, dass der Obergrashof einen neuen Vertragsentwurf der Stadt München erhalten hat, der zeitnah vom Obergrashof an die Stadt Dachau weitergegeben wird. Der Obergrashof hofft, dass der Neubau endlich gelingen kann. Damit die Kinder auch in Zukunft den Waldorf-Bauernhofkindergarten am Obergrashof besuchen können und der erste Gang am Morgen weiter zur Schafskuppel führen kann.

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