Dachau/München:Ehepaar wegen versuchten Totschlags angeklagt

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Wegen eines Streits um Geld gehen ein Mann und eine Frau mit einem Messer aufeinander los.

Von Andreas Salch, Dachau/München

Die Angeklagte schluchzt laut. Zwei Dolmetscherinnen reden beruhigend auf sie ein. Doch die 30-Jährige ist nicht zu besänftigen. Ihr Wehklagen wird immer lauter, längst sitzt sie nicht mehr aufrecht da. Dann rutscht sie auf einmal unter die Anklagebank und verliert offenbar das Bewusstsein. Polizisten und ein Sanitäter, der im Zuschauerraum sitzt, ziehen sie unter der Anklagebank hervor und bringen sie in eine stabile Seitenlage. Die Öffentlichkeit muss den Gerichtssaal für einen Moment verlassen. Es sind dramatische Szenen, die sich zum Auftakt des Prozesses gegen ein Ehepaar aus Nigeria abspielen, dass sich seit Donnerstag vor der Schwurgerichtskammer am Landgericht München II verantworten muss.

Die 30-jährige Frau und ihr fünf Jahre älterer Mann sind Asylsuchende und lebten zuletzt in der mittlerweile geschlossenen Gemeinschaftsunterkunft in der Kufsteiner Straße in Dachau. In der Nacht auf den 8. März vergangenen Jahres sollen die Eheleute versucht haben einander zu töten. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage wegen versuchten Totschlags erhoben. Der Ehemann räumte über seinen Verteidiger die Vorwürfe aus der Anklage ein. In Briefen, die sich das Paar in der Untersuchungshaft schrieb, sollen sie inzwischen einander verziehen haben.

In den Wochen vor der mutmaßlichen Tat, soll sich das Paar immer wieder gestritten haben. Der 35-Jährige und seine Frau lebten seit Juni 2015 mit ihren Kindern gemeinsam in einem Zimmer in der Unterkunft. Wegen der ständigen Auseinandersetzungen bekam der Ehemann ein eigenes Zimmer neben dem seiner Frau.

Streit ums Geld

Am 7. März sei das Paar erneut aneinandergeraten, heißt es in der Anklage der Staatsanwaltschaft. Entzündet haben soll sich der Streit daran, wie die Unterstützungsleistung des Landratsamtes in Höhe von 1004 Euro verwendet werden soll. Der 35-jährige Ehemann habe den Ermittlungen zufolge 700 Euro für sich beansprucht. Seine Frau sei damit aber nicht einverstanden gewesen. Es soll deshalb sofort zum Streit gekommen sein. Dem Verwaltungsleiter der Unterkunft sei es gelungen, zu schlichten. Doch der Zwist entbrannte erneut.

Gegen 21.45 Uhr am Abend jenes Tages sollen die Eheleute sich gegenseitig körperlich attackiert haben. Der 35-Jährige habe seiner Frau ein Büschel Haare ausgerissen. "Beide Angeklagte drohten einander gegenseitig, den jeweils anderen umzubringen", wirft Staatsanwalt Matthias Braumandl den Eheleuten vor. Einem Bewohner der Unterkunft gelang es, das Paar zu trennen. Der Ehemann ging nach draußen.

Gezielter Stich in den Rücken

Gegen Mitternacht kam er zurück. Seine Frau soll in diesem Augenblick gerade die Jacke ihres Mannes sowie dessen Zimmerschlüssel aus ihrem Appartement auf den Flur geworfen haben. Als sie ihren Mann sah, soll sie auf ihn zugelaufen sein, um auf ihn einzuschlagen. Die Situation eskalierte immer mehr: Die 30-Jährige soll so außer sich gewesen sein, dass sie aus ihrem Zimmer ein Steakmesser mit einer zehn Zentimeter langen Klinge geholt habe. Der 35-Jährige soll versucht haben, es ihr abzunehmen. Doch die Angeklagte habe ihrem Mann, so die Staatsanwaltschaft "willentlich und gezielt" in den Rücken gestochen.

Der Mann erlitt eine 3,5 Zentimeter lange und vier Millimeter tiefe Wunde. Es soll ihm aber gelungen sein, seine Frau festzuhalten und sie daran zu hindern, weiter auf ihn einzustechen. Die 30-Jährige sei dann in ihr Zimmer gelaufen. Laut Anklageschrift war dem Mann das Messer in einem Muskel an der Schulter stecken geblieben. Er zog es heraus, folgte seiner Frau und attackierte diese wiederum mit dem Messer, so der Vorwurf. Die Frau soll sich heftig zur Wehr gesetzt haben. Dennoch erlitt sie Schnittverletzungen an beiden Oberarmen. Ihrem Mann soll während des Kampfes das Messer aus den Händen gefallen sein. Gleichwohl habe er seine Frau nochmals angegriffen und sie mit beiden Händen am Hals gewürgt, so die Staatsanwaltschaft. Erst einer alarmierten Streife der Polizei gelang es, die Situation zu beruhigen.

© SZ vom 31.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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