Bildung:Stark machen für draußen

Lesezeit: 3 Min.

Fest im Blick: Tanztherapeut Alan Brooks fördert und fordert. (Foto: Toni Heigl)

In der Dachauer Mittelschule an der Anton-Günther-Straße, der Sprengelschule im einstigen Problemviertel Dachau Ost, kommen die 345 Kinder und Jugendlichen aus 43 Ländern. Jetzt ist sie Teil des Netzwerks "Schule ohne Rassismus".

Von Alexandra Vettori, Dachau

Es fängt schon mal damit an, dass Choreograf und Tanzpädagoge Alan Brooks "Ladies and Gentlemen" zu den rund 20 Jugendlichen sagt. Es ist eine der letzten Proben für das Tanzstück, das die Gruppe am Tag darauf aufführen wird, vor der ganzen Schulfamilie. Dann findet an der Mittelschule an der Anton-Günther-Straße der Festakt zur Verleihung des Titels "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage" statt. Eine Woche lang haben sie geübt, man spürt das Band, das da gewachsen ist. "Ich sage euch seit Montag: Ihr seid gut!", ruft Brooks, der auch Pate bei "Schule ohne Rassismus" ist.

Was bedeutet Schule ohne Rassismus, wenn die 345 Kinder und Jugendlichen aus 43 verschiedenen Herkunftsländern kommen? Kinder, die selten Deutsch daheim sprechen, sich oft mit wenig elterlicher Unterstützung durch die schulischen Anforderungen beißen und zum gesellschaftlichen Stempel "Mittelschüler" noch den ihres Migrationshintergrunds tragen?

"Ablehnung entsteht eher dort, wo etwas unbekannt ist"

Es bedeutet vor allem, das wird am Konferenztisch von Rektorin Alice Nüßl schnell klar: Dass es eine schulische Aufgabe ist, die Kinder stark zu machen, ihnen Kulturtechniken an die Hand zu geben, um in dieser Gesellschaft zu bestehen. Ihnen zu beizubringen, dass Kommunikation ein guter Weg dazu ist. Rassismus im wörtlichen Sinn gebe es an der Schule nicht, versichern alle aus dem Projektteam. Niemand werde ausgegrenzt. "Unterschiedliche Kulturen sind hier selbstverständlich. Ablehnung entsteht eher dort, wo etwas unbekannt ist", sagt Lehrerin Bianca Kluger.

Zum Beispiel gilt es Propaganda-Videos zu politischen Konflikten in den jeweiligen Herkunftsländern Aufklärung entgegenzusetzen, erklärt Konrektor Thomas Hendler: "Wir besprechen im Deutschunterricht solche Videos, führen Pro- und Kontra-Debatten. Die Schüler können diskutieren, sie brauchen nur einen Rahmen dafür." Der Titel "Schule ohne Rassismus", den ein bundesweites Netzwerk vergibt und mit Fortbildungen betreut, ist kein Zertifikat. Es ist die Übereinkunft aller Schulmitglieder, von Rektorin über Hausmeister bis zum Fünftklässler, aktiv gegen Diskriminierungen einzutreten.

Das Projektteam freut sich, dass die Mittelschule Dachau Ost nun "Schule ohne Rassismus" ist. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Schulleiterin Alice Nüßl legt größten Wert auf ein gutes Schulklima und klare Regeln. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Die Schülerschaft der Mittelschule Dachau Ost kommt aus 43 Ländern der Erde. (Foto: Toni Heigl)
Tanzpädagoge Alan Brooks arbeitet regelmäßig an der Mittelschule Dachau Ost. (Foto: Toni Heigl)

Es geht dabei auch im eine Grundhaltung wie, dass man sich freundlich und aufmerksam begegnet. Schulleiterin Alice Nüßl, die im dritten Jahr in Dachau ist, erzählt, wie sie ihre ersten Tage an der Schule ab kurz vor 8 Uhr an der Schultüre stand und jeden und jede mit einem "guten Morgen" begrüßte. Am ersten Tag habe sie in viele verwunderte, stumme Gesichter geschaut, nach ein paar Tagen grüßten alle, und viele, so ihr Eindruck, freuten sich.

Nüßl hat auch eine Art Problem-Pyramide eingeführt, "wir sind sehr strukturiert, wie wir mit was verfahren." Gibt es einen Problemfall, wird zunächst mit Lehrern geredet und erst bei schweren Verfehlungen wird als letzte Eskalationsstufe die Rektorin eingebunden. Davor gebe es aufmerksame Lehrerinnen, Gespräche, Schulpsychologen, Telefonate. "Aber immer geht es darum, wie können wir dir helfen?" Um die Eltern mehr einzubinden, gibt es am Schuljahresanfang ein Elterncafé.

Als neulich das Mittagessen teurer geworden ist, wusste Alice Nüßl, "das können sich viele Eltern nicht leisten". Sie fand eine Stiftung, die einen Zuschuss leistet. "Aber das geht nur ein Jahr, jetzt muss ich mal schauen." Oder das Handy-Verbot: Die Schule hat keinen Zaun, es ist schwer für die Pausenaufsicht abzugrenzen, wo das Schulgelände beginnt. Man habe sich jetzt auf die Treppe als Handynutzungsgrenze geeignet, die immerhin klar erkenntlich ist. Ein Zaun, sagt Alice Nüßl mit Blick auf die angrenzende Grünfläche, wäre trotzdem gut - nicht nur wegen der Handys.

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Währenddessen in der Aula bei der Tanzprobe motiviert Alan Brooks die Truppe. Er macht vor, zieht mit. Während seiner Zeit als Tänzer, unter anderem als Solist beim Ballett Theater München, machte der gebürtige Brite eine Ausbildung zum Tanzpädagogen, heute ist das eines seiner beruflichen Standbeine - und er übt es mit sichtlichem Herzblut aus: "Wenn morgen etwas schiefläuft, weil es eben schiefläuft - shit happens. Aber wenn etwas schiefläuft, weil du glaubst, dein Witz ist wichtiger - dann problem." Brooks spricht mit englischem Akzent, rollt die Augen, strafft die Schultern, alle Blicke sind gebannt auf ihn gerichtet, es ist mucksmäuschenstill.

Weil Alice Nüßl den Tanzpädagigen Brooks von ihrer früheren Schule kannte, hat sie ihn auch nach Dachau geholt und nun gefragt, ob er Pate werden wolle. Auf die Frage, warum er ja sagte, holt Brooks aus: Er arbeite oft an Mittelschulen, "das ist spannend. Die Kinder haben eine Geschichte, sie haben einen Stempel, aber sie haben eine Zukunft. Die Schule bereitet sie auf die Außenwelt vor, da ist Rassismus ein Thema. Also bereitet sie die Kinder darauf vor. Inklusion ist möglich, es ist aber harte Arbeit". Er kenne die Schulleiterin, er kenne die Schule, es gebe viele gute Aktionen, "und ich habe hier eine Schulfamilie gefunden, die kämpft für ein Stück bessere Welt".

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