Kultur in Dachau:Vom wilden Alpinistan bis zum Nordpol

Lesezeit: 3 min

Das Trio "Gruberich" mit Maria Friedrich, Thomas Gruber und Sabine Gruber-Heberlein nimmt das Publikum in der Dachauer Friedenskirche mit auf eine musikalische Weltreise. (Foto: Toni Heigl)

Das vielfach ausgezeichnete Kammermusik-Trio "Gruberich" nimmt die Zuhörer in der Friedenskirche mit auf eine musikalische Weltreise. Am Ende will das Publikum die Künstler gar nicht mehr gehen lassen.

Von Renate Zauscher, Dachau

Auf eine musikalische Weltreise, wie sie wohl noch niemand bei einer Veranstaltung des Leierkasten in Dachau erlebt hat, nahm das Trio "Gruberich" am Samstag sein Publikum mit. Die Reise führte vom oberbayerischen Voralpenland über Orient und Okzident bis hin zu den Eisbären am Nordpol - und endete zuletzt wieder in heimatlichen Gefilden: In der Gegend von Murnau, wo Sabine Gruber-Heberlein (Harfe) und ihr Mann Thomas Gruber (Hackbrett und diatonische Knopfharmonika) zu Hause sind, während die Cellistin Maria Friedrich in Seefeld bei Herrsching lebt.

Den "Reiseleiter" in der Dachauer Friedenskirche gab Thomas Gruber. Er komponierte die Musik, mit der sich die Musiker auf Weltreise durch unterschiedlichste Landschaften und musikalische Genres begaben. Dabei ließ er Klassik, Folk und Jazz einfließen, auch Milongas und Tangos waren herauszuhören und trotz all dieser Bestandteile blieb Gruber einem ganz eigenen, unverwechselbaren Stil treu. Darüber hinaus erzählte der schmale Mann mit der auffallenden schwarzen Brille und der kunstvoll verstrubbelten Frisur eine Reisegeschichte, die den Titel "Im wilden Alpinistan" trägt und aus einem fantasievollen Kinderbuch stammen könnte. Es geht dabei um den zunächst schüchternen Buben Xaver, der sich im Lauf der Reise zum gewieften Weltreisenden entwickelt. Begleitet wird er vom Goldfisch Otto, den er auf einem Basar entdeckt hat, und der Fledermaus Frieda, die am liebsten Vanillekipferl isst und sich den beiden unterwegs anschließt.

Szenenbilder sind mithilfe von künstlicher Intelligenz entstanden

Die Kompositionen, mit denen das Kammermusik-Trio die Reise musikalisch erlebbar machte, changierten zwischen zarter Poesie und wilder, durchaus schräger Dramatik. Dabei verwoben sich die Klänge von Cello, Harfe, Hackbrett und diatonischem Akkordeon zu subtilen Landschaftsbildern, in denen die Instrumente jeweils eigene Rollen übernahmen. Auf der Bühne erwiesen sich die Musiker als virtuose Künstler, alle drei haben ein klassisches Musikstudium absolviert, Gruber und seine Frau Sabine Gruber-Heberlein an der Musikhochschule in München, Maria Friedrich in Würzburg. Und alle drei beschäftigen sich jenseits von "Gruberich" auch mit anderen Projekten, unter anderem im Bereich der klassischen Musik. Mehrfach wurden sie bereits mit Preisen ausgezeichnet, 2018 bekamen sie etwa den internationalen Worldmusic Award "creole" verliehen.

Auch das Bühnenbild veranschaulichte die einzelnen Stationen der Weltreise. (Foto: Toni Heigl)

In der Friedenskirche veranschaulichte auch das Bühnenbild die einzelnen Stationen der Weltreise: So illustrierten prachtvolle Gebirgslandschaften, die auf eine Leinwand projiziert wurden, das Thema "Alpinistan". Über hoch aufragende Gipfel zogen sich verändernde Wolken hinweg, auch die Landschaft selbst veränderte sich. Fernes rückte näher, ließ Details erkennen, die zunächst weit im Hintergrund waren. Die Farbigkeit der Bilder erinnerte an expressionistische Malerei und die ein oder andere Landschaft an Gegenden, die man vielleicht selbst schon gesehen und erlebt hat.

So poetisch wie einzelne Musikpassagen ist auch die Reisegeschichte

Geschaffen hatte die animierten Bilder der Videokünstler, Fotograf und Filmemacher Felix Pitscheneder aus Rott bei Landsberg. Dabei sei auch künstliche Intelligenz eingesetzt worden, erzählte Thomas Gruber nach der Vorstellung. Dadurch erinnern manche Szenen an Bilder von Gabriele Münter, an die Farbigkeit eines Feldes von Van Gogh, an ein Aquarell von Emil Nolde oder an den Orient, dem Paul Klee und August Macke auf ihrer Tunisreise 1914 begegnet sind. Trotz solcher Anklänge an Bekanntes entsteht aber etwas fesselnd Neues, das dem musikalischen Reisethema optische Wirkung verleiht.

So poetisch wie einzelne Musikpassagen, und wie viele der Bilder, die Felix Pitscheneder geschaffen hat, war auch die Sprache, mit der Gruber die Reisegeschichte erzählte. Ein Beispiel: In einer Zaubernacht, in der der Mond langsam am Himmel aufsteigt und die Sterne anfangen, dicht an dicht zu funkeln, vollführt Frieda einen Vollmondtanz, und am Nordpol kuscheln sich zwei Schneekristalle eng aneinander, weil es dort so bitterkalt ist - Bilder, die so nur einem veritablen Märchenerzähler einfallen können. Zuletzt kommen Xaver, Frieda und Otto wieder zu Hause an, wo die Fledermaus es sich in einem Baum gemütlich machen will, den so mancher Spaziergänger entlang des Murnauer Mooses kennen dürfte.

Bevor Frieda aber in einen tiefen Fledermausschlaf sinken durfte, gab es noch eine Reihe von Zugaben: Das begeisterte Publikum wollte die Drei von "Gruberich" am liebsten gar nicht mehr gehen lassen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusRechtsextreme Übergriffe
:Bilanz der Provokationen

Eingeritzte Hakenkreuze, antisemitische Gästebucheinträge, Hitlergrüße vor dem Eingangstor - die KZ-Gedenkstätte Dachau sieht sich seit jeher rechtsextremen Übergriffen ausgesetzt. Einträge aus einer schier endlosen Liste an Ungeheuerlichkeiten.

Von Martin Wollenhaupt

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: