Plakataktion der KVD:Kleister für den Zusammenhalt

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Unter dem Motto "Haltung zeigen" hängt das Plakat der Bildhauerin Monika Siebmanns an einer Litfaßsäule in der Münchner Straße in Dachau. Insgesamt 24 Künstlerinnen und Künstler der KVD haben bereits erklärt, sich an der Aktion zu beteiligen. (Foto: Toni Heigl)

In den kommenden sechs Monaten lässt die Künstlervereinigung jede Woche neue Plakate in Dachau kleben. Sie werben für etwas, das keineswegs nur die Freunde der zeitgenössischen Kunst angeht.

Von Gregor Schiegl, Dachau

Bereits die Satzung der Künstlervereinigung Dachau aus dem Jahr 1927 listet als Zweck des Vereins neben der "Förderung künstlerischer Bestrebungen" und der "Vertretung der Künstlerschaft nach außen" die "Pflege der Geselligkeit" auf. Wenn sich Malerinnen, Zeichner und weitere Kulturschaffende am Samstagvormittag samt Besuchern ab 11 Uhr in der Schranne um einen wärmenden Kessel mit Stockwürsten versammeln, folgen sie damit also einem Auftrag, der schon vor rund 100 Jahren festgeschrieben wurde. Man kann diesen Auftrag aber noch weiter fassen, nämlich dergestalt, dass Kunst und Kultur auch immer Mittel der Verständigung gewesen sind in einem großen gesellschaftlichen Miteinander.

Seit Mittwoch hängen unter dem Titel "Haltung zeigen" die ersten Plakate in Dachau, mit der sich die Künstlervereinigung sichtbar "gegen die Polarisierung in unserer Gesellschaft" stellt. 24 Künstlerinnen und Künstler der KVD haben bereits erklärt, sich zu beteiligen, jede Woche wird das Plakat eines anderen Mitglieds auf die Litfaßsäulen im gesamten Stadtgebiet geklebt. Wie lange das dauern wird, kann man sich, Stand heute, leicht ausrechnen: mindestens ein halbes Jahr. Kleben will der Vorstand maximal 35 Motive, "sonst wird es irgendwann auch zu teuer", sagt KVD-Vorstand Florian Marschall. Auf dem Instagram-Account der KVD läuft die Aktion ebenfalls, möglicherweise sogar noch etwas länger; 1250 Follower tummeln sich hier - und die Kosten für Kleister, Druck und Werbeflächen kann man sich im digitalen Raum auch sparen.

Siebmanns Motiv kann mal als Botschaft lesen - muss man aber nicht

Das erste Plakat kommt von der Dachauer Bildhauerin Monika Siebmanns, sie zeigt eine Arbeit mit einer Gruppe lang gezogener menschlicher Gestalten. In ihrer abstrakten Form erscheinen sie einander ähnlich, sind aber aus unterschiedlichen Materialien gefertigt und haben die Farben von Eisen und Ton. Man kann darin ein Sinnbild für friedfertigen Pluralismus sehen - oder einfach nur eine für die Künstlerin typische Arbeit zwischen Figürlichkeit und Abstraktion, archaischer Einfachheit und moderner Klarheit.

Für Florian Marschall war entscheidend, dass die Mitglieder mit ihrem Motiv eine persönliche künstlerische Signatur abgeben - etwa so wie eine Unterschrift. Er selbst hat eine Zeichnung angefertigt von dem Innenleben des von Baggern aufgerissenen und mittlerweile komplett abgeräumten Kraftwerksblocks des MD-Geländes. Ein typischer Flo Marschall, könnte man sagen.

Das Plakatmotiv der Bildhauerin Monika Siebmanns. (Foto: privat/KVD Dachau)
Grafiker Alfred Ullrich zeigt eine Gewebestruktur in Schwarz-Rot-Gold. (Foto: privat/KVD Dachau)
Leise, nachdenkliche Töne gegen die Plärrer: der Beitrag von Norbert Göttler. (Foto: privat/KVD Dachau)

Von ihm kam auch der Anstoß für das Projekt. Der erstarkende Rechtsradikalismus, der auch im Landkreis immer wieder Bürger auf die Straße treibt, um Position für die Demokratie und gegen die AfD zu beziehen, war für Marschall nur noch "der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht" hat: "Es ist die Gesamtsituation, die uns dazu zwingt", sagt er. Schon seit der Pandemie stelle er fest, dass die Bereitschaft, sich mit Argumenten der anderen Seite auseinanderzusetzen, dramatisch geschwunden sei, gegensätzliche Meinungen prallten immer unversöhnlicher aufeinander. "Der Ton in der Politik und in der Debattenkultur hat sich verändert. Es gibt nur noch Schwarz oder Weiß." Besonders bestürzt habe ihn die Demo in Erding gegen das Heizungsgesetz, als Hubert Aiwanger - immerhin demokratisch gewählter stellvertretender bayerischer Ministerpräsident - davon schwadroniert hatte, man werde sich "die Demokratie zurückholen".

Parteipolitisch bleibt die Aktion neutral

In der KVD löst die Frage, ob und wie politisch sie sein will, immer wieder kontroverse Diskussionen aus. Im Kreise seiner Vorstandskollegen musste Florian Marschall dem Vernehmen nach allerdings keine große Überzeugungsarbeit leisten, nur an der exakten Formulierung des Plakattextes habe man noch gefeilt: "Gegen Hass, Polemik und Egoismus", heißt es dort. "Für Toleranz, Vielfalt und Menschlichkeit." Eine explizite parteipolitische Positionierung hat die KVD mit dieser Formulierung bewusst vermieden.

Die Motive, die die beteiligten Künstlerinnen und Künstler als persönlichen Beitrag ausgewählt haben, reichen von einer Supermarkt-Fruchtsaft-Kartonagen-Collage (Matthias Metz) über ein Foto von einer ethnisch bunt gemischten Sportmannschaft, bei der jeder seinem Nebenmann einen Arm um die Schulter gelegt hat (Katrin Schürmann) bis zu einem Mundart-Gedicht des Bezirksheimatpflegers und Dachauer Literaten Norbert Göttler, der ebenfalls Mitglied der KVD ist.

Er hat die oft mit dumpfem Stolz, aber ohne jede Selbstreflexion vorgetragene Parole vom "Mia san mia" in einem 13-zeiligen Gedicht zerlegt. Der letzte Vers lautet: "mia san mia, hot a gsogt /aber er hot se ned gfrogd /ob ma des a sei soitatn!" Diese Frage kann sich nun jeder selbst stellen.

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