Atelierausstellung in Dachau:Eindringliche Zustandsbeschreibung

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Monika Siebmanns in ihrer Werkstatt. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Dachauer Künstlerin Monika Siebmanns zeigt ihre jüngsten Arbeiten, die sich auch damit beschäftigen, was Corona und der Krieg aus unserer Gesellschaft machen

Von Dorothea Friedrich, Dachau

Was machen Corona, Krieg und Klimawandel mit unserer Gesellschaft? Diese Fragen bewegen derzeit viele Menschen, spüren sie doch, dass nichts mehr so ist, wie es noch Anfang 2020 war. Die Dachauer Künstlerin Monika Siebmanns hat auf ihre eigene Art - mit Metall und Ton - nach Antworten gesucht. Vom heutigen Freitag an sind auch ihre jüngsten Arbeiten, die von 2020 bis 2022 entstanden sind, in einer Atelierausstellung in der Martin-Huber-Straße 15 zu sehen. Diese neue Serie "Gesellschaft" ist eine eindringliche Zustandsbeschreibung; einen Lösungsansatz finden Betrachterinnen und Betrachter möglicherweise selbst oder beim Gespräch mit anderen Besuchern. Denn Monika Siebmanns will mit diesen Arbeiten keine Antworten vorgeben, sie lädt vielmehr dazu ein, neue Blickrichtungen zu wagen.

Vier Objekte umfasst die Serie "Gesellschaft". Doch es gibt noch viel mehr Sehenswertes wie etwa die "unverkäufliche Ecke". Hier hat Monika Siebmanns "Fundstücke von meinen Reisen", verarbeitet, sie "in einen Rahmen gebracht", wie sie sagt. Die kleinen, unauffälligen Mitbringsel entwickeln durch ihre Einbindung in ein größeres Objekt eine ganz eigene Anziehungskraft. Sie machen neugierig, mehr über ihre Herkunft und Bedeutung zu erfahren - und reihen sich damit in Monika Siebmanns Arbeitsphilosophie ein. Im Fokus der Atelierausstellung steht jedoch die Serie "Gesellschaft". Sie zeigt in aller Deutlichkeit, wie sehr sich unser Zusammenleben in den vergangenen zwei Jahren verändert hat, welche Verwerfungen daraus entstanden sind und immer noch entstehen.

Auf subtile Art will die Künstlerin zum Perspektivwechsel anregen

Da ist eine Kugel, aus der kleine Gestalten herausschauen, ängstlich oder doch hoffnungsvoll? Haben sie sich in einer Blase eingerichtet, von der Außenwelt abgeschottet, hat sich dort eine geschlossene Gesellschaft versammelt, die die Realität ausblenden will? Oder haben diese Menschlein sich in ihre persönliche Arche Noah geflüchtet und warten ab, bis die unheilvollen Stürme des Weltgeschehens abflauen und sie endlich einen Neubeginn wagen können? Diese kleinen, reduzierten, gesichtslosen Wesen wirken irgendwie verloren, haltlos in ihrer aufs Minimum reduzierten Welt. Mag sein, dass sie einmal Teil der gespaltenen Gesellschaft waren, die sich auf einer Art Rampe mit tiefen Rissen bewegt, krümmt, fällt und möglicherweise nie wieder aufsteht. Eine dystopische Welt, der man am liebsten den Rücken zukehren möchte, spiegelt sie doch die Lebenswirklichkeit vieler wider. Diese Skulpturen stellen beängstigende Fragen: Sind Empathie, soziales Miteinander, Mut und Tatendrang wirklich so schnell verschwunden? Wollen wir tatsächlich unser vielzitiertes "altes Leben" zurückhaben? Oder sind wir gerade dabei, uns neu zu erfinden? Genau das will die Künstlerin auf ihre subtile Art erreichen: den Perspektivenwechsel. Wie es überhaupt ihre große Gabe ist, das Kopfkino des Betrachters einzuschalten.

Das zeigen auch weitere Arbeiten im Atelier. "Was bleibt" hat die Künstlerin eine Serie genannt, in der sie Papier oder pflanzliche Materialien mit einer dünnen Tonschicht überzogen und dann gebrannt hat. Entstanden sind ganz neue Formen, gewissermaßen wie Phoenix aus der Asche. Das sind fragile, singuläre Gebilde, in denen man mit den Augen herumwandern kann. Dann ist da noch eine weitere Arbeit, die den Blick magisch anzieht: "Vorhang auf" heißt sie. Entstanden ist sie aus selbst geschöpftem Papier auf Leinwand. Doch für wen hebt sich der Vorhang? Für eine kleine Tonfigur, die sich lasziv anlehnt und womöglich gerade "Lili Marleen" anstimmt. Monika Siebmanns Atelier wird mit dieser Ausstellung zu einem Ort, an dem man mehr als die Fratzen von Corona, Krieg und Klimakatastrophe sehen kann. Das jedoch liegt ganz im Auge des Betrachters.

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