Landtagswahl im Landkreis Dachau:Wenn Politiker Bierpong spielen

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Der junge Stammtisch "PoliTisch" lädt zum Kandidaten- und Kandidatinnen-Check für die Jugend ein. Fast alle kommen. (Foto: Toni Heigl)

Der Kreisjugendring Dachau lädt die Direktkandidaten und -kandidatinnen für die Landtagswahl ein. Es wird ein kurzweiliger Abend mit Gesprächsrunden und Spielen im gut besuchten Erchana-Saal.

Von Andreas Förster, Dachau

Gut zwei Wochen vor der Landtagswahl hat der junge Politik-Stammtisch "PoliTisch" mit Unterstützung des Dachauer Kreisjugendrings am vergangenen Freitag einen "Kanditat*innencheck" veranstaltet. Dabei sollten die zur Wahl stehenden Direktkandidaten mithilfe von Spiel- und Diskussionsrunden sich selbst und ihre politischen Inhalte einem jungen Publikum vorstellen.

Eingeladen waren die Kandidatinnen und Kandidaten von CSU, SPD, Grünen, Freien Wählern, FDP, ÖDP, dem Wahlbündnis Die Linke/Mut, die Partei, die Basis, AfD, Tierschutzpartei, V-Partei, Bayern Partei und Volt. Abgesagt hatten die Vertreter der Basis, der Bayern Partei und der AfD. Frank Sommerfeld von der FDP konnte wegen eines kurzfristigen Notfalls nicht kommen.

Zunächst sollten sich alle Kandidaten vor ihren zuvor ausgefüllten "Steckbrief" stellen und die Besucher durften aus den Stickern in einer eigenes bereitgestellten Stofftasche den richtigen auf den Steckbrief kleben. Allerdings ließ sich die Klebefläche nur sehr schlecht ablösen. Diejenigen, die sich ablösen ließen, wurden dann aber überwiegend richtig zugeordnet. Das zeigte, dass das Publikum durchaus Ahnung hatte, wer da vor ihnen stand.

Für manch Älteren war das Format ungewohnt

Dass sich anschließend einige der Kandidaten bei der Vorstellungsrunde auf der Bühne des Stockmann-Saals lockerer präsentieren konnten als andere, war keine Überraschung. Die jungen Kandidaten von Die Linke/Mut, Volt, der V-Partei und der Partei blieben in der Zeit und fassten ihre Ziele kurz und knapp zusammen. Für manchen älteren Herren war das Format ungewohnt, der eine oder andere wirkte unsicher. Bei der anschließenden Online-Abstimmung seitens des Publikums hatten nicht alle Anwesenden überhaupt Netzempfang, und auch das Abstimmungsergebnis konnte wegen Netzwerkproblemen zunächst nicht angezeigt werden. Letztlich klappte es doch noch: Auf der Grafik hatten die Grünen und die SPD den höchsten Balken, gefolgt von Volt und der CSU.

Die anschließenden Diskussionsrunden waren in drei Themenschwerpunkte unterteilt: Chancengleichheit, Mobilität sowie Klima- und Umweltschutz. Jeder der Kandidaten zog aus einem Lostopf eines der Themen, den Anfang machte Chancengleichheit. Dabei wurde schnell deutlich, dass CSU-Kandidat Bernhard Seidenath ein wenig auf dem "heißen Stuhl" saß. Zumindest rechtfertigte er die Politik seiner Partei, die von den restlichen Vertretern, vor allem von Sebastian Felsner (Linke/Mut), angegriffen wurde. Er forderte mehr Geld für sozial benachteiligte Schüler, da sich immer noch nicht alle die schulische Grundausstattung leisten konnten. Seidenath hielt dagegen, dass jede Schule dafür einen eigenen Topf zur Verfügung habe, um im Härtefall zu alimentieren. Als bestes Beispiel für Chancengleichheit führte er das Stipendium im Maximilianeum für Musterschüler an, das jedem offenstehe, egal welcher Herkunft. Das sei klassische Elitenförderung, entgegnete Felsner, man müsse viel früher, schon in der Grundschule ansetzen, um benachteiligte Kinder zu fördern.

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Alle fünf Jahre wird in Bayern ein neuer Landtag gewählt, das nächste Mal am Sonntag, 8. Oktober. Berichte über Wahlkampfveranstaltungen, Analysen sowie Porträts aller Kandidaten im Stimmkreis Dachau finden Sie hier.

Wenn sich eine Diskussion festzufahren drohte, hakten die beiden souverän agierenden Moderatoren, Julia Neumann (21) und Lukas Stolze (19) - beide im Vorstand des Kreisjungendrings Dachau - nach. So präsentierte Julia Neumann eine Grafik, wonach insbesondere beim individuellen Förderbedarf Angebot und Nachfrage an Lehrern weit auseinanderklaffe. Eine Steilvorlage für den Vertreter von Volt, Samuel Grimm, um mehr Sozialarbeiter und multiprofessionelle Teams an Schulen zu fordern und sich mehr am finnischen Schulmodell zu orientieren, das ohne Noten auskomme. Bernhard Seidenath, der das Notensystem vehement verteidigte, versuchte sich danach an einem Witz zu Finnland, der vom Publikum nicht verstanden wurde, was er mit einem "Ich hab' ihn schon verstanden", quittierte. Als Samuel Grimm ihn mit dem Vorwurf der UN, wonach Deutschland Defizite bei der Inklusion von Behinderten aufweist, konfrontierte, antwortete er: "Wenn die UN nach Bayern gekommen wäre, hätte das Ergebnis anders ausgesehen."

Das Publikum jedenfalls hörte gut zu. Als Johann Groß, der Kandidat der Freien Wähler, auf die Frage, warum nur 27 Prozent der Landtagsabgeordneten weiblich seien, antwortete "Frauen haben ja die Kinder", warf ein Zuhörer schlagfertig ein: "Männer haben wohl keine Kinder?"

Die zehn Kandidaten und Kandidatinnen werden in zwei Gruppen zu Gesprächsrunden aufgeteilt. Hier sprechen (v.l.) Samuel Grimm (Volt), Johann Groß (Freie Wähler), Sebastian Felsner (Die Linke) und Bernhard Seidenath (CSU). (Foto: Toni Heigl)
Die Zuschauer durften die Parteien Kandidaten-Streckbriefen zuordnen - und lagen meist richtig. (Foto: Toni Heigl)
So ging die Sympathie-Abstimmung bei den Anwesenden im Thoma-Haus aus. (Foto: Toni Heigl)

Vor der zweiten Diskussionsrunde zum Thema Mobilität mussten die Kandidaten beim Bierpong-Spiel Ballgefühl und Treffsicherheit unter Beweis stellen, was Johann Groß wiederum am besten gelang, der als einziger Kandidat zweimal mit dem Tischtennisball in einen mehrere Meter entfernten Becher getroffen hatte. Bei jedem Treffer durfte man seinem Gegenüber eine Frage stellen, so kam unter anderem heraus, dass der Kandidat der Tierschutzpartei seine Wahlplakate mit der Sackkarre transportiert, weil er kein Auto hat, oder dass Grünen-Kandidat Martin Modlinger auf eine einsame Insel ein Buch, seine Kinder und - ganz pragmatisch - ein Boot mitnehmen würde.

Bei den nächsten Themendiskussionen, Mobilität sowie Klima- und Umweltschutz, ging es weniger konfrontativ zur Sache. Hubert Böck von der SPD, Fabian Handfest von der Satire-Partei Die Partei und Martin Modlinger von den Grünen waren sich einig, dass der ÖPNV gestärkt werden müsse. Die klarste Aussage kam dabei von Modlinger: "Für die fünf Milliarden für das Dienstwagenprivileg kann man drei Jahre lang das Deutschland-Ticket finanzieren." Es komme darauf an, wo man die Prioritäten setze. Auf die Publikumsfrage, was die Kandidaten von der Förderung von Elektro-Zweirädern hielten, sagten alle Kandidaten, sie seien dafür, insbesondere auch für den Ausbau der Radwegeinfrastruktur. Auch die Einführung von autonom fahrenden innerstädtischen Bussen wurde befürwortet. Hubert Böck: "Mit der KI wird es noch sicherer, da könnten wir in den nächsten Jahren auf den Bus schon aufspringen."

Der "Fragenhagel" brachte wenig Substanzielles

Nach einem "Fragenhagel", bei dem der per Zufallsgenerator gesteuerte Scheinwerfer ein wenig zu oft auf Samuel Grimm von Volt landete und der nicht viel Substanzielles zu den Kandidaten beisteuerte, kam es zum letzten Diskussionsthema: Klima- und Umweltschutz. Hier forderte die Fürstenfeldbrucker Kandidatin der V³-Partei, Cornelia Wiedorn, unter anderem mehr Möglichkeiten für Windkraft-Projektentwickler in Bayern. Ihr Argument: "In Bayern ist es zu aufwändig und zu teuer, einen Windpark oder Windräder zu entwickeln, die Entwickler gehen deshalb dahin, wo man es ihnen leichter macht." Adrian Heim von der ÖDP betonte, man brauche mehr regional erzeugten und verbrauchten Strom und müsse die Moore erhalten und wieder vernässen. "Wir brauchen einen Paradigmenwechsel", forderte er.

Michael Krämer von der Tierschutzpartei appellierte an die Anwesenden, ihr Konsumverhalten zu überprüfen, und bezog auch die Gastgeber, das PoliTisch-Team des KJR Dachau, mit ein. "Ihr habt uns eine Süßigkeit mit eingepackt, in der Gelatine enthalten ist. Diese wird in der Regel aus Massentierhaltung gewonnen", erinnerte er und forderte steuerliche Anreize für klimafreundliche und -positive Produkte.

Am Ende der zweieinhalb Stunden fühlte sich der 15-jährige Philipp Caspari, Zehntklässler am Effner-Gymnasium Dachau, "gut informiert: "Ich habe viele Eindrücke von den Kandidaten gewonnen, die ich vorher nicht hatte", sagte er. Er wünschte sich von der Politik, dass sie das Kommunalwahlrecht auf 16 herabsetze, damit auch in der Schule endlich konkreter über Politik und Parteien gesprochen werde.

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