SZ-Kulturpreis Tassilo:Servus, shalom!

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Margit Meyer ist Kunsterzieherin am Josef-Effner-Gymnasium. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Margit Meyer, Kunstlehrerin am Josef-Effner-Gymnasium, hat das internationale Schulprojekt "Dahusalem" mit der Charles-E.-Smith-Highschool for the Arts in Jerusalem auf die Beine gestellt. Über Kunst und Musik bringt es deutsche und israelische Jugendliche zusammen.

Von Jana Rick, Dachau

Margit Meyer kommt einem auf der Höhe der Werkräume entgegen, Unterlagen unter den Arm geklemmt. Zielstrebig steuert die 55-Jährige auf den Zeichensaal des Josef-Effner-Gymnasiums zu, einen Raum, mit dem die Kunstlehrerin viel verbindet. Hier ging sie als Abiturientin selbst ein und aus, hier arbeitete sie an ihrer Facharbeit in Kunst. Ein Jahr später sammelte sie in genau diesem Raum auch ihre ersten pädagogischen Erfahrungen, als sie Querflötenunterricht gab.

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Seit 2006 unterrichtet Meyer am Josef-Effner-Gymnasium und das mit großer Leidenschaft. "Ich sehe das schon als Berufung", sagt sie und lacht. Sie spricht von einem "Glücksgefühl", wenn sie einem Fünftklässler vorne an ihrem Pult etwas vorzeichnet und er dann fröhlich zu seinem Platz hüpft. "Man kann sie begeistern, das ist schön."

Die israelische Generalkonsulin Sandra Simovich besucht die Ausstellung "Dahusalem" in der Dachauer Volksbank, die mitten in der Corona-Pandemie entstanden ist. Rechts die Schülerin Luisa Köhler und Schüler Finn Walter. (Foto: Toni Heigl)
In dem Kunstprojekt "Dahusalem" zeigen Schüler Orte, die in ihrem Leben eine wichtige Rolle spielen: zum Beispiel eine Haltestelle an der Linie S2. (Foto: Privat)
Kultureller Dreiklang: Israelische, arabische und deutsche Musik führt der ehemalige Effner-Schüler Christian Benning mit seiner Percussion Group beim Dahusalem-Konzert "Transcultural" zusammen. Benning ist bereits Tassilo-Kulturpreisträger. (Foto: Toni Heigl)

Meyer ist eine von vier Kunstlehrkräften am Gymnasium, sie unterrichtet derzeit 17 Klassen, also etwa 450 Kinder und Jugendliche, von der 5. bis zur 12. Klasse. Früher habe sie sich kleine Hefte mit Fotos der Schülerinnen und Schüler gebastelt, um sich die Namen besser merken zu können. "Wie diese Fußballstickerhefte", sagt sie und lacht wieder. Sie genießt es, unterschiedliche Altersklassen zu unterrichten, "da habe ich die ganze Spannbreite, die ganze Pubertät".

Sie kam nicht direkt in die Lehrer-Laufbahn. Nach dem Schulabschluss machte sie eine Lehre als Glaserin in Dachau, dann entschied sie sich ein das Studium an der Akademie der Bildenden Künste in München. Ein Freund brachte die Künstlerin schließlich auf die Idee, in die Kunsterziehung zu gehen. "Lehrer zu sein ist gar nicht so schlimm", habe er gesagt, erzählt Margit Meyer.

Ihr "duales Studium" habe sie sich schließlich selbst "zusammengebastelt": Während sie sieben Jahre lang als Gesellin in der Mayer'schen Hofkunstanstalt in München arbeitete, stand sie schon am Effner-Gymasium im Werkunterricht und ließ die Schülerinnen und Schüler kurze Filme drehen. In genau diesem Raum, in dem sie heute auch sitzt. Und genau hier hängen auch bunte Gemälde an der Wand, die in einem grenzüberschreitenden Projekt entstanden sind, das sie selbst auf die Beine gestellt hat. Es heißt "Dahusalem" und schlägt - wie der Name schon erahnen lässt - eine Brücke zwischen Dachau und Jerusalem.

Auch die israelische Generalkonsulin unterstützt das Projekt

"Dahusalem" hat Schülerinnen und Schüler des Dachauer Effner-Gymnasiums und der Charles-E.-Smith-Highschool for the Arts in Jerusalem zusammengebracht. Meyer blättert in einem Heft, das beim ersten künstlerischen Austausch entstanden ist, ein dreisprachiges Sammelwerk an kurzen Texten und Fotografien sehr unterschiedlicher, aber im Grunde doch sehr ähnlicher Jugendlicher. Die Bilder zeigen Basketballplätze, Kinderzimmer mit Schlagzeug, den Park oder Wald von nebenan. Orte, die den Jugendlichen viel bedeuten. "Places. Change. People" heißt es auf der ersten Seite des kleinen Katalogs: "Orte verändern Menschen."

Es ist zwar "nur" ein Schulprojekt, aber das Bedeutende sei "das Große, was dahintersteht: dass sich hier Nationen austauschen und zusammenwachsen", erklärte Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) beim Besuch der Ausstellung. "Gerade in Bezug auf Deutschland und Israel ist das eine ganz tolle Geschichte." Das sehen auch andere so: Kultusminister Michael Piazolo (FW), die ehemalige israelische Generalkonsulin Sandra Simovic und die aktuelle Generalkonsulin Carmela Shamir unterstützen die Schulpartnerschaft.

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Bereits 1980 gab es am Josef-Effner-Gymnasium einen Austausch mit einer Schule in Jerusalem, doch das Projekt schlief ein. Wieder aufgegriffen und zum Leben erweckt haben es erst Margit Meyer gemeinsam mit Robert Sigel, ihrem ehemaligen Geschichtslehrer und Mitarbeiter des Beauftragten der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben, die Idee kam ihnen bei der Planung einer Stadtführung für Meyers Kinder.

Und so machten sich 2020 kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie die ersten neun Schülerinnen und Schüler aus Meyers P-Seminar auf nach Jerusalem, nicht ganz ohne Ängste. "Die ersten hatten wirklich Bedenken", erinnert sie sich und beschreibt, welche Herausforderungen sie als Lehrerin meistern musste: Unterschiedliche Ferienzeiten in den beiden Ländern, Sprachhürden, Bedenken der Eltern und die hohe Verantwortung, die sie als Leiterin des Projektes trägt. Doch die Bedenken legten sich schnell, als beiden Seiten klar wurde, dass sie viel verbindet.

Sorgen und Bedenken erweisen sich als unbegründet

Die ersten Freundschaften entstanden, nicht nur zwischen den Jugendlichen, sondern auch zwischen den Eltern, die sich über Einreisebeschränkungen und die Essgewohnheiten ihrer Kinder austauschten. Meyer berichtet von einer Familie eines israelischen Schülers, die zunächst sehr skeptisch war. Die Großeltern der Gastfamilie hatten den Holocaust im KZ Dachau überlebt.

Es sind genau diese Bedenken, die anfangs alle umtrieben: "Sind wir jetzt schuld?" Sie stellt die Frage in den Raum. Ob sie beim Besuch der nächsten Gruppe junger Israelis auch einen Besuch der KZ-Gedenkstätte einplant, weiß sie noch nicht. Wahrscheinlich überlässt sie die Entscheidung den israelischen Schülerinnen und Schülern selbst.

Über sich selbst spricht Margit Meyer kaum

Spricht Margit Meyer über das Projekt, dann verliert sie kaum ein Wort über sich. Stattdessen erzählt sie von Jerusalem und was die Stadt zu bieten hat, über die verschiedenen Kulturen und Religionen, über das Netzwerk, das sie sich dort mittlerweile aufgebaut hat. Im März ist eine weitere Reise von Zehntklässlern des Gymnasiums nach Jerusalem geplant, und sie organisiert bereits für ihre 9. Klasse ein kleines Projekt im Rahmen von "Dahusalem".

Sie erzählt vom "Café Europa", einer Initiative in Israel, die Holocaust-Überlebende zusammenbringt und mit Lebensmitteln und Medikamenten unterstützt. Sie spricht davon, wie Dachau möglicherweise Patenschaften übernehmen könnte, bei denen die ältere Generation mit wenig Geld unterstützt werden könnte. "Das wäre mein Traum, etwas zu bewirken als Lehrerin" sagt Meyer. Diesen Traum hat sie sich längst erfüllt.

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