Plötzlich, bei der Zugabe, schnauft und faucht das Dampfboot doch noch heran. Zu Gast an diesem Abend des Jazz e.V. in der Kulturschranne ist Dominik Blum, der wunderbare, der furchteinflößende Hammond-Organist aus der Schweiz. Diesmal mit seinem Trio DR.O.G.E. (Dave Gisler an der E-Gitarre, Valeria Zangger am Schlagzeug). Aber diese Zugabe klingt mit ihrem hart verzerrten Sound und den dissonanten Brachial-Riffs eher nach Steamboat Switzerland, jener Band, mit der Blum vor vielen Jahren das Café Teufelhart kaperte und mit Hingabe demontierte. Damals musste er hierfür Flügel und Synthesizer verwenden, seine Hammond-Orgel passte nicht durch das enge Treppenhaus. Diese bauliche Einschränkung gibt es in der Schranne nicht.
Groß und mächtig thront die Hammond C3 auf der Bühne. Dazu ein Leslie-Verstärker und allerhand zusätzliches Gerät, mit dem Blum den Klang seiner Orgel variieren und durch Loop-Effekte schicken kann. Allein ihn dabei zu beobachten, ist schon ein Erlebnis, vor allem, wenn man dabei seine Beine einbezieht. Unterhalb des Spieltisches vollbringt Blum Großtaten. Es ist klassische Spielpraxis, dass die Orgel im Orgel-Jazztrio auf dem 25-tönigen Pedal auch den Basspart übernimmt. Blum ist ein Meister dieser 25 Fußtasten. Selbst schnellste Walkingbässe, für die andere Jazzorganisten längst mit der linken Hand auf das untere Manual ausgewichen wären, tanzt Blum in die Pedale. So hat er die linke Hand frei, um damit in unablässiger Variation den Klang zu gestalten. Und dieser ist bei "DR.O.G.E" besonders.
Es sind weniger die rhythmisch harten Riffs, die hier dominieren. Blum sucht die Intensität in ganz anderen Bereichen: Oft sind es nur wenige Akkorde, die er in weiter Klangebene aufeinanderfolgen lässt. Akkorde freilich, die mit vielen harmonischen Extranoten versehen sind und dadurch wundersam schweben.
Diesen Charakter unterstützt Blum durch die Registrierung, justiert feinsinnig die Zugriegel, mischt leise Oberschwingungen hinzu, lässt sie verschwinden, dann wieder andere heranwehen. Auf diese Weise entstehen in einem Orgelpart, der eigentlich flächig angelegt ist, unablässig kleine und kleinste Ereignisse. Alles ist in Bewegung, alles ist im Prozess - und doch ruhend. Das ist eine faszinierende Mischung, die weniger eine klassisch-technische Virtuosität des Spielers ins Zentrum rückt (obwohl Blum - siehe Pedal - darüber ja verfügt), sondern gewissermaßen die virtuose Klangwelt des Instruments.
Grüße von Bruder Jakob und dem Kollegen Coltrane
Blums Orgelspiel für sich betrachtet wäre damit etwas für Feinschmecker. Dass das Konzert so immense Intensität entwickelt, liegt am Zusammenwirken des Trios. Gislers Gitarrenpart ist in einem zentralen Merkmal ähnlich konstruiert wie der Orgelpart: Die Noten der Gitarre sind in ständiger Bewegung - und das in so dichter Folge, dass sich auch hier die schiere Ereignisfülle als musikalische Größe von den Einzelfiguren entkoppelt.
Mit dieser Rezeptur, die Valeria Zangger mit ihrem sehr aufmerksam reagierenden, treibenden Schlagzeugspiel ideal unterstützt, werden die Instrumente (obwohl es nur drei sind) wie in einem musikalischen Schwarm zu einer gemeinsamen, in sich unablässig bewegten Klangkulisse fusioniert. Diese Klangkulisse nehmen Blum, Gisler und Zangger nun in ihre Hände, formen sie, verdichten sie, dehnen sie, lassen sie zu mächtigem, hymnischem Klangstrom anschwellen und zu impressionistisch lyrischem Zauber abschwellen. Solche dynamischen Prozesse geben der Darbietung ihre enorme Kraft. Und zur Steigerung der Wirkung malen die drei an ausgesuchter Stelle als gleichsam kognitives Moment deutlich abgegrenzte Muster auf ihr musikalisches Tableau. Hier die Melodie eines Kinderliedes, da der "Bruder Jakob", dort - SZ-Fotograf Heigl Toni erkennt es natürlich sofort und souffliert hilfreich - "Impressions" von John Coltrane. Ein großartiger Abend.