Dachau:Harte Zeiten für Startbahngegner

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Nein zum Flughafenausbau: Die SPD im Landkreis bleibt dabei, könnte aber in der Landespartei bald isoliert dastehen.

Helmut Zeller

Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) bereitet den Sozialdemokraten im Landkreis Dachau - wie den Genossen in der ganzen Flughafenregion - schon einige Bauchschmerzen. Aber der Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordnete Martin Güll tritt dem Eindruck entgegen, dass der Spitzenkandidat des Landtagswahlkampfs 2013 die Kreis-SPD spaltet: Die Dachauer Genossen stehen zur Kandidatur Udes um das Amt des Ministerpräsidenten. Gleichzeitig bleiben sie bei ihrem Nein zur dritten Startbahn am Münchner Flughafen. Das bringt sie zwar auf Konfrontationskurs zu Ude, dem Befürworter des Flughafenausbaus. Aber darin sehen die Dachauer das geringere Problem. Mehr fürchten sie die Bayern-SPD: Der Landesvorstand hat für März 2012 einen Infrastruktur-Parteitag angesetzt. Der könnte für die Startbahngegner in der Partei böse enden, wenn das Votum von 2009 gegen den Flughafenausbau aufgehoben wird.

Startendes Flugzeug am Münchner Flughafen. Im Juni sollen die Münchner nach dem Willen von SPD und CSU über eine dritte Startbahn abstimmen. (Foto: dpa/dpaweb)

Noch deute nichts darauf hin, dass die Delegierten eine Kehrtwende herbeiführen werden, meint Güll. Aber ganz wohl ist der Kreis-SPD nicht. Denn bei realistischer Betrachtung kommt Güll zu dem Schluss, dass zwar die Genossen in der Flughafenregion - Dachau, Freising, Erding - gegen die Expansionspläne der Flughafengesellschaft (FMG) weiter aufrecht stehen. Aber in weiten Teilen Bayerns ist der Flughafen in der Partei überhaupt kein Thema. Den Nürnbergern zum Beispiel, so Güll, sei das "wurscht". Nicht wurscht ist der Landespartei aber der Spitzenkandidat Christian Ude, der einen Machtwechsel in Bayern möglich erscheinen lässt. Der Münchner OB hatte seine Kandidatur an den Flughafenausbau geknüpft. "Das gleicht einer Erpressung", kritisierte Freisings Oberbürgermeister Dieter Thalhammer (SPD) in einem SZ-Interview. Güll sieht das nicht so: Ude habe zu keiner Zeit die Partei erpresst. Er habe, als er seine Bereitschaft zur Kandidatur bekannt gab, klargestellt, dass er seine Position zum Flughafenausbau beibehalten werde.

Ob das der richtige Zeitpunkt gewesen sei, so Güll, bleibe dahingestellt. Auf jeden Fall zwingt Ude die Dachauer Genossen zum Spagat. Denn einerseits sehen sie in Ude den Wegbereiter für einen Machtwechsel in Bayern. Andererseits muss es gerade für Martin Güll schmerzlich sein, dass ausgerechnet der beste Spitzenkandidat, den seine Partei haben kann, ein Startbahnbefürworter ist. Güll war das Kunststück gelungen, Verfechter und Gegner des Flughafenausbaus in der Landkreis-SPD auf einen gemeinsamen Kurs zu bringen. Im November 2010 hatte sich eine klare Mehrheit von 73 Prozent gegen die Startbahn ausgesprochen. Martin Güll gelang auf Anhieb der Sprung in das bayerische Parlament. Der ehemalige Schulleiter in Indersdorf, der erst kurz vor den Landtagswahlen 2008 in die Partei eingetreten war, erreichte 26 Prozent der Erststimmen - seit Jahrzehnten das beste Ergebnis eines Dachauer SPD-Kandidaten - und zog seine Partei noch auf 22,1 Prozent und damit über den Landesdurchschnitt. Der Bildungsexperte der SPD-Landtagsfraktion ist zum Verdruss von CSU und Freien Wählern in den Augen der Bürger glaubwürdig. Und sein Ansehen strahlt auf den Kreisverband ab.

Das lässt sich Güll jetzt nicht kaputt machen. "Man kann bald den Eindruck gewinnen, dass der SPD aktuell mit Fleiß untergeschoben wird, dass sie ihr Fähnchen nach dem Winde drehe und die Bürger im Landkreis verunsichere. In unseren Augen hat sich nichts verändert - die ablehnenden Gründe, die vor sechs Wochen zählten, haben sich nicht durch die mögliche Kandidatur des Münchner Oberbürgermeisters ins Positive gewendet", erklärt Güll für den Kreisvorstand seiner Partei. Das gilt dem Wähler, der nicht glauben soll, die Dachauer Genossen könnten Ude zuliebe eine Kehrtwende in der Startbahnfrage vollziehen. "Wir von der Dachauer SPD werden zusammen mit allen Startbahngegnern aus der Flughafenregion mit unserer Überzeugungsarbeit fortfahren", erklärt auch die Ortsvereinsvorsitzende Brigitte Bokovoy. Auf einer Versammlung von 38 Delegierten mit der Generalsekretärin Natascha Kohnen begehrten lediglich zwei Genossen gegen die Kandidatur Udes auf. "Für mich persönlich hat sich nichts verändert", sagt Güll. Und: Die Partei stehe zur gültigen Beschlusslage. Bleibt das Votum, wäre es auch für Ude bindend. Den Teufel werde er tun, im Wahlkampf gegen einen gültigen Parteitagsbeschluss aufzutreten und daraus ein Wahlkampfthema zu machen. Aber das muss Ude vielleicht gar nicht. Der bayerische Parteichef Florian Pronold, die Spitzen der Landtagsfraktion und Ude selbst wollen im März den ablehnenden Beschluss kippen. Ein gewichtiges Argument der Dachauer, dass das Geld für den Flughafenausbau sinnvoller in Bildung und öffentlichen Nahverkehr investiert werden sollte, ist bereits zerschlagen. Der Münchner Flughafen kann die Startbahn selbst bezahlen, wie Finanz-Geschäftsführer Thomas Weyer erklärt hat. Wenn das Votum aufgehoben wird, dann muss Güll als Demokrat, wie er sagt, das akzeptieren. "Aber ich will mich vor den Wähler stellen können, dass ich nicht für die Startbahn war."

© SZ vom 28.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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