Flüchtlinge integrieren:Es geht nur gemeinsam

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Landrat Stefan Löwl will auf die Integration der anerkannten Asylbewerber vorbereitet sein. Bei einem informellen Treffen werden Ideen ausgetauscht. Klar ist: Alle Gemeinden müssen sich beteiligen

Von Viktoria Großmann, Dachau

Dieses Mal möchte der Landrat vorbereitet sein: Viele der Asylbewerber, die jetzt in den Landkreis kommen, werden bleiben und sollen integriert werden. Das heißt: die Sprache lernen, zur Schule gehen, eine Ausbildung machen oder gleich in den Arbeitsmarkt einsteigen, im Landkreis leben, wohnen, teilnehmen. Im Vergleich zu dieser Riesenaufgabe, sagt Stefan Löwl (CSU), ist die Unterbringung, die jetzt den Landkreis fordert, noch das kleinste Problem.

Deshalb hat Löwl am Mittwochabend zu einer informellen Beratungsrunde ins Landratsamt eingeladen: Wohlfahrtsverbände, Vereine, Feuerwehr, Polizei, Volkshochschule, Bürgermeister, Kirchenvertreter. Etwa 50 Leute sind seiner Einladung gefolgt, darunter etliche Mitarbeiter des Landratsamtes und neun Bürgermeister. Lernen, Arbeiten, Wohnen sind die wichtigsten Themen. 1100 Asylbewerber leben jetzt im Landkreis, bis zum Ende des Jahres sollen es 1950 sein - nächste Woche gibt es eine neue Prognose. Gut möglich, dass sich die Zahl dann noch einmal erhöht. Es wäre nicht das erste Mal in diesem Jahr. Zu Jahresbeginn hatte das Landratsamt versucht, auf Nummer sicher zu gehen und die Prognose der Bezirksregierung um 200 Plätze erhöht - bereits im Mai war die Zahl überholt.

Nun versucht Löwl, eine Struktur zu etablieren, wo bisher keine ist. "Keiner weiß, wie wir tätig werden sollen", sagt er. Die Zuständigkeiten für die sogenannten Integrationsaufgaben seien nicht geklärt. Im Moment sei eindeutig: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist zuständig für das Asylverfahren, der Freistaat trägt die Verantwortung für Unterbringung, Verpflegung, medizinische Grundversorgung. Sobald ein Anerkennungsbescheid da ist, sind die Kommunen zuständig. Die Stadt Dachau kennt die Belastungen: Regelmäßig steht sie vor der Aufgabe, anerkannte Asylbewerber etwa aus der Gemeinschaftsunterkunft in der Kufsteiner Straße unterbringen zu müssen. Auf dem freien Wohnungsmarkt ist es beinahe unmöglich, fündig zu werden. Sind keine Sozialwohnungen frei, müssen die Menschen nicht selten direkt aus der Gemeinschaftsunterkunft in die Obdachlosenunterbringung umziehen.

Der Mangel an Wohnraum ist natürlich ein allgemeines Problem. Durch die Debatte um die Integration von Zuwanderern könnte aber immerhin der Druck noch mehr steigen, es anzugehen. Löwl will dazu eine eigene Bürgermeister-Runde einberufen. Denn eines zeichnet sich klar ab: Dachau und Karlsfeld werden die Hauptlast tragen. Die Kommunen sind gut angebunden und bieten eine gute Infrastruktur. Gerade Geringverdiener lassen sich ungern im ländlichen Raum nieder, wo fußläufige Einkaufsmöglichkeiten und die Nähe zur S-Bahn fehlen. "Wir müssen einen Weg finden, die Lasten zu verteilen", sagt Löwl daher. Sei es durch die Gründung eines Zweckverbandes, eines Vereins oder ähnlichem. Er wolle, sagt der Landrat, einen Impuls geben, damit sich der Landkreis wieder besser aufstellt im Wohnbau. Dabei fordert er auch ein Umdenken ein: "Wir werden anfangen müssen, in S-Bahn-Nähe auch drei- oder vierstöckig zu bauen." Dass sich die Gemeinden verändern werden, müsse man akzeptieren lernen.

Einfacher könnte sich die Integration der Zuwanderer in den Arbeitsmarkt gestalten. Lehrlinge werden gebraucht, Stellen sind frei, das betrifft vor allem das Handwerk, wie auch Irmgard Hetzinger-Heinrici, frühere Kreishandwerksmeisterin in Dachau, betonte. Damit Arbeitgeber und Asylbewerber schneller zueinander finden, wollen die VHS und Vertreter der Arbeitsagentur gemeinsam eine Art Clearingstelle einrichten. Hier soll erfasst werden, über welche Kenntnisse, Ausbildungen und Abschlüsse ein Bewerber verfügt, um ihn schneller auf eine geeignete Stelle vermitteln zu können.

Am Anfang jedoch steht die Sprache. Die Zeit, die benötigt wird, um nur ein mittleres Sprachniveau zu erreichen, lässt erkennen, wie lange der Integrationsprozess insgesamt dauern wird. Nach Erfahrungen der VHS-Sprachlehrer erfordert es zwei Jahre täglichen Unterricht, bis ein Schüler, der gar nicht oder nicht die lateinische Schrift lesen und schreiben kann, ein B1-Niveau erreicht hat. Das heißt, sich grundsätzlich zusammenhängend verständlich machen kann. Die Nachfrage ist deutlich höher als das Angebot an Kursen. Im Moment gibt es an der VHS Dachau etwa 400 Unterrichtsplätze.

Bleibt die Integration ins tägliche Leben. Die anwesenden Feuerwehrleute könnten ganz gut Helfer gebrauchen, auch die Vereine sollen angesprochen werden und jene, die Löwl Zivilgesellschaft nennt: also jeder. "Wir müssen die Leute einfach mal mitnehmen, in unsere Vereine, auf Feste", sagt Löwl. Das kostet nichts. Alles andere schon. Wie Johann Schöpfel von der Volksbank sagte, steht am Beginn der Integration erst einmal eine notwendige Investition. Doch die werde sich auszahlen.

Um Geld ging es auf der Versammlung, wie der Landrat sagte, erst einmal nicht. Sondern um die Frage, wer macht was. Im Januar soll es eine zweite Veranstaltung geben.

© SZ vom 17.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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