Mitten in Dachau:Das Menetekel an der Wand

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Da war die Welt in der Dachauer Apothekergasse noch in Ordnung: der CSU-Kreisvorsitzende Bernhard Seidenath vor dem Schild des CSU-Bürgerbüros. (Foto: privat)

Ein Unbekannter reißt das Bürgerbüro-Schild der CSU in der Altstadt ab und nimmt es mit. Die Tat irritiert die Parteispitzen und wirft viele Fragen auf.

Glosse von Helmut Zeller, Dachau

Das ging sogar der CSU, die in Wahlkämpfen gerne mit ihrer angeblich so großen Bürgernähe wirbt, zu weit. Viel zu weit oder besser gesagt zu nah. In der Nacht zum 4. April wurde in der Dachauer Altstadt das Schild mit großem CSU-Logo und der Aufschrift "Bürgerbüro.Dachau" brutal aus der Wand gerissen und mitgenommen. Es zeugt von Größe, dass der Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordnete Bernhard Seidenath noch in dieser Not humorvoll reagiert und die Tat einem "Fan" seiner Partei zuschreibt. "An alle Liebhaber dieses Schildes gerichtet, möchte ich sagen: melden Sie sich bei uns - und wir werden Tipps geben, wie Sie es legal und ohne Beschädigungen erwerben können." Dass Seidenath nicht gendert, ist übrigens nicht als Benachteiligung der Frauen zu interpretieren; das ist allein dem Umstand geschuldet, dass die Zahl der weiblichen Mandats- und Funktionsträger der CSU verschwindend gering ist - also für die kriminalistische Fahndung eine eher untergeordnete Rolle spielt. Außerdem: Eine Frau hätte das Schild mit einem Schraubenzieher elegant von der Wand gelöst. Die brachiale Kraftanstrengung verweist dann doch auf einen kognitiv eher beschränkten, kurzum männlichen Täter mit großen Muckis.

Zurück blieb jedenfalls ein schmerzhafter, fast schon apokalyptischer Anblick: "Deutlich zu erkennen sind die Löcher, wo einst die Dübel saßen", schrieb jetzt Seidenath, nachdem er lange auf die blanke Wand des Bürogebäudes am Fuße von St. Jakob gestarrt hatte. Als wär's ein Sinnbild der Partei nach den zurückliegenden Wahldesastern. Nur noch Löcher, nur noch eineinhalb Jahre zur nächsten Landtagswahl und kein Dübel mehr, der richtig Halt bieten würde. Daran ändert zunächst auch die Strafanzeige der CSU gegen den "Zeitgenossen" nichts, der 500 Euro Schaden angerichtet hat. Wäre aber, wenn er gefasst würde, schon interessant zu erfahren, was er damit gemacht hat. Hängt es über seinem Bett, an der Tür zu seiner Gartenlaube oder ist es doch in der Restmülltonne gelandet? Oder gehört so etwas auf den Sondermüll?

So wichtig ist das alles wiederum nicht, es gibt ganz andere Probleme: Krieg und Pandemie. Aber die CSU will halt ihr Bürgerbüro-Schild wieder zurück, deshalb bittet sie auch um Hinweise aus der Bevölkerung auf dessen Verbleib. So viel ist in den zurückliegenden Jahren schon verloren gegangen, vor allem Wählerstimmen. Die Partei hat das Menetekel an der blanken Wand schon verstanden - am Ende entpuppt sich der Dieb gar als weit vorausschauender Händler von politischen Kuriositäten.

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