SZ-Serie: Bauen in Dachau, Folge 9:Grünes, blühendes Dachau

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Noch gibt es viele Bäume und Parks in der Stadt, die das Bild prägen. Doch die Bau- und Verdichtungswut hat in den vergangenen Jahren längst um sich gegriffen und nur noch wenig Raum gelassen. Paul Havermann sieht bei einem Spaziergang aber positive Gegenbeispiele.

Von Gregor Schiegl

Blickt man von den Aussichtspunkten der Terrassen des Dachauer Hofgartens, der nicht nur wegen seiner Blumenpracht und dem anschließenden, mit alten Bäumen bepflanzten Englischen Garten die Dachauer und Leute aus der weiteren Umgebung zu allen Jahreszeiten anzieht, auf die unten liegenden Stadtteile von Dachau, so schweift der Blick von Osten über Süden bis zum Westen der Stadt über viele in den vergangenen Jahrzehnten gewachsene Stadtteile. Die Gebäude wurden zahlreicher, Flächen wurden nachverdichtet, aber der Eindruck einer mit viel Grün bereicherten Stadt bleibt überwiegend vorherrschend. Erst in den vergangenen Jahren entstanden, wie in einer der Goldgräberstimmung des 19. Jahrhunderts entsprechenden Bau- und Verdichtungswut, oft triste Wohnanlagen mit nur noch geringem Restgrünanteil.

Wenn Investoren bauen, bleibt meist kaum Platz für Grün. Doch es gibt auch Privateigentümer, die nicht gleich alles zubauen, wie das Areal an der Thomas-Schwarz-Straße beweist. (Foto: Toni Heigl)

Im Nachruf auf den 2020 verstorbenen Dachauer Alt-Oberbürgermeister Lorenz Reitmeier schrieb Wolfgang Eitler in der SZ, Reitmeier habe "jeden einzelnen Stein in seiner Altstadt gekannt". Das Gleiche wird auch über seine Kenntnis jedes einzelnen Baumes in Dachau erzählt. Fast täglich war er zu Fuß oder mit seinem Dienstwagen unterwegs und machte sich ein Bild von seiner Stadt, mit einem besonderen Anliegen: dem Baumbestand. Viele der Straßen in allen Stadtteilen wurden auf seinen Wunsch und sein Anraten hin mit Bäumen bestückt, Bäume, die heute stattliche Größen erreicht haben und so das Aussehen Dachaus mitprägen.

Der Fondi-Park erfreut als öffentliche Fläche Besucher. (Foto: Niels P. Jørgensen)

"Reitmeier war politisch wahrlich kein Grüner, aber ein in weiser Voraussicht um das Stadtgrün bedachter Oberbürgermeister", erinnert sich Paul Havermann, "ein Politiker, der anscheinend schon vor Jahrzehnten eine ihm eigene Baumschutzverordnung und eine sorgsame, für das Wohl der Stadt und der Allgemeinheit vorausschauende Grundstückspolitik verinnerlicht hatte."

In Dachau Ost findet man ein sehr gelungenes Beispiel für einen schönen, neuen kleinen Park, den Parco di Fondi, der unter dem jetzt amtierenden Oberbürgermeister Florian Hartmann mit initiiert wurde. Gleich hinter dem Adolf Hölzl Haus wurde eine kleine Parkanlage zu Ehren der süditalienischen Partnerstadt Fondi eingerichtet. "Nicht zuletzt verleihen schirmpinien-förmig geschnittene Schwarzkiefern dem Park, zusammen mit den farbigen und vielfältigen Blumenrabatten ein fast mediterranes Flair", sagt Paul Havermann.

Liebevoll gepflegte Gärten sind ebenso in Dachau zu finden. (Foto: Toni Heigl)

"Auch die Würm wurde entlang ihres Laufes in Dachau Ost an mehreren Uferstellen geweitet und mit natürlich wirkenden, flachen Zugängen für die Anwohner versehen. Die umsichtige Uferbepflanzung und die großen Flusssteine tragen zum stimmigen und harmonischen Erscheinungsbild bei."

Mitten in der unteren Stadt findet man auf dem ehemaligen Umschwung der Scheierlmühle, jetzt zur Dachauer Sparkasse gehörend, eine kleine aber blühende, mit Obstbäumen bepflanzte Streuobstwiese. "Die alte, begleitende Lindenallee scheint dieses Idyll mit den anliegenden Wohnungen noch einzurahmen. Ein weiteres für die breite Öffentlichkeit zugängliches Gelände ist das ehemalige Postschulgelände, das ehemalige Moorbad. Vor etwa 15 Jahren stand das gesamte Objekt mit Schule, Wohngebäuden, die sogar mit einem in den Sechzigerjahren für notwendig gehaltenen Atombunker versehen wurden, zum Verkauf. Zum Glück kam die Stadt zum Zuge und konnte alles erwerben, bevor es ein Investor zum Hotel und überteuerten Wohngebiet umwandeln konnte." Heute sind in den ehemaligen Gebäuden der Postschule eine Wirtschaftsschule, die Dachauer Zentrale der Stadtbibliothek und ein Studentenwohnheim eingezogen.

Die Moorbad-Anlage ist auch ein Beispiel für gepflegte, grüne Ecken in Dachau. (Foto: Toni Heigl)

Nach Westen hin eröffnet sich ein sehr schön gestalteter Park entlang des ebenfalls an einer Uferstelle geweiteten und mit einer Kneippstation versehenen Ascherbaches. Die großflächige Wiese ist mit Blumenbeeten gefasst und durchzogen, die in immer abwechselnder Blütenfolge das Sommerhalbjahr widerspiegeln. Und was Havermann besonders gefällt: "Eine Hinweistafel beschreibt und erklärt dem interessierten Flaneur auch noch viele der Pflanzen, oft noch nie gelesene Namen, wie Taschentuchbaum, Schneeglöckchenbaum oder Federbuschsträucher, die den Blick rundum erfreuen. Hier muss ausdrücklich die Stadtgärtnerei, die Abteilung Stadtgrün mit ihrem Leiter Stefan Tischer, erwähnt werden, die nicht nur Orte, wie das großzügige Gelände des Moorbades so abwechslungsreich gestaltet, sondern auch die vielen, beinahe unzähligen straßenbegleitenden Grünstreifen in blühende Augen- und Bienenweiden verwandelt. Mohnblumen und Ziersalbei, Storchschnabel, Margeriten und Wiesenblumenmischungen mit langblühenden Schmuckkörbchen bieten dem Auge des Passanten reichlich Abwechslung und den Insekten Nahrung.

Fast an jeder Ampel, Kreuzung und Verkehrsinsel kann sich der Blick des stehenden Rad- oder Autofahrers erholen und oftmals die umliegenden Bausünden vergessen machen", freut sich Paul Havermann. "Könnten diese grünen Beispiele nicht als Vorbild und Anregung für private Vorgartenbesitzer und gerade auch Investoren dienen, die Begrünung der eigenen Wände und Parkflächen so nachzuahmen, die Allgemeinheit und die Fauna würden es danken."

Neben den öffentlichen Grünanlagen, wie dem Stadtwald, dem Holzgarten und dem sehr aufwendig von der Abteilung Stadtgrün gepflegten und reich mit Blumenschmuck versehenen Waldfriedhof gibt es auch einige private Eigentümer, die sich um das Grün in Dachau sorgen. "Obwohl weiteres Baurecht zur Nachverdichtung bestünde, obwohl damit sehr viel Geld verdient werden könnte, bleiben noch Gärten unbebaut, werden aufwendig gepflegt und gehegt und tragen mit ihrem Grün zu einem besseren Stadtklima bei und bieten den notwendigen Lebensraum für viele Tierarten", freut sich Havermann.

Eine Grünfläche, ungewöhnlich in ihren Ausmaßen, der Lage und ihrer Bestückung mit vielen neu gepflanzten, stattlichen Bäumen und einer blühenden Wiese findet sich in Dachau Süd. "Musste man lange befürchten, dass hier nach der Auflösung eines alteingesessenen Gewerbebetriebes auf teuersten Baugrund wieder ein unmäßig nachverdichtetes Wohnquartier, in sagrotan-sauberer Ausführung entsteht, findet man jetzt nichts von alledem. Viel Grün inmitten eines Wohnviertels. Privater Bauverzicht auf einem Grundstück, das angeboten auf dem Markt, von Scharen SUV-fahrender Bauträgerspionen ausgekundschaftet, zum nächsten Opfer der Bauwut und zu einem Spekulationsobjekt und einer Gelddruckmaschine umgewidmet würde. An das einstige Firmengelände erinnert nur noch eine Industriehalle, ein großer mit Waschbeton verkleideter Bau aus den 1960er/1970er Jahren mit Flachdach und riesigen senkrecht gegliederten, sandgestrahlten Fensterflächen. In seiner rohen, erratischen Erscheinung bildet das Gebäude einen starken Kontrast zum umgebenden Grün und der umliegenden Wohnbebauung, man darf gespannt sein, welche Verwendung es finden wird."

Auf die in Dachau kommende Baumschutzverordnung ob der vielen neu gepflanzten Bäume angesprochen, antwortete mir der Eigentümer: "Muss ich denn jetzt schon vor Bäumen Angst haben?" "Schön, wenn viele so denken würden", findet Paul Havermann, "der eine oder andere Hausbaum, wie früher fast zu jedem Haus gehörig, könnte so manch triviale Architektur aufwerten."

In Folge 10 wechseln wir einmal die Perspektive: Ein Bauträger gibt Einblicke in seine Arbeit und ein Dachauer Hotelbetreiber erläutert, warum er über die Qualität seine Hauses ganz anderer Meinung ist als unser kritischer Autor Paul Havermann.

© SZ vom 03.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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