Stadtrat:Wie es mit der Altstadt weitergeht

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Viele Läden stehen in der Dachauer Altstadt inzwischen leer, darunter etwa der frühere Radio Doll in der Augsburger Straße. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Krise des Einzelhandels trifft Dachau schwer. Viele Läden stehen leer. Nun naht auch noch das Ende des Modehauses Rübsamen. Was also tun? Die Stadt hat externe Berater beauftragt, Vorschläge zu liefern. Doch die bleiben unkonkret.

Von Jonas Junack, Dachau

In der Dachauer Altstadt verändert sich etwas, so viel ist klar. Zunächst ist da das Modehaus Rübsamen, der wichtigste Kundenmagnet, das Ende Mai schließen wird. Aber dann sind dort auch noch all die anderen Einzelhändler, die kämpfen. Und solche, die in den vergangenen Monaten bereits aufgegeben haben. Die Krise ist offenbar so ernst, dass für die Entscheidungsträger der Stadt der Zeitpunkt gekommen ist, um externe Expertise einzuholen - und zwar über Gino Meier und Gabriele Ostertag von der Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung, kurz GMA. Wegen ihres Auftrittes sitzen an diesem Mittwochnachmittag weit mehr als nur die 15 Mitglieder des tagenden Haupt- und Finanzausschusses auf den Holzstühlen im Alten Sitzungssaal des Dachauer Rathauses. Die Zuschauerplätze sind gut gefüllt.

Die GMA ist ein Beratungsunternehmen mit Sitz unter anderem in München und, laut Website, spezialisiert auf die Arbeit im "Spannungsfeld von Einzelhandel, Immobilien und Stadtentwicklung". Zu den Kunden gehören nicht nur Kommunen und Akteure aus der Politik, sondern auch Einzelhandelsunternehmen. Franz Scherm und dessen Sohn Andreas, denen das ehemalige Kaufhaus Hörhammer gehört, schauen interessiert zu, während die beiden Berater ihre Powerpoint-Präsentation anwerfen. Auch der städtische Wirtschaftsförderer Alexander Broschell ist anwesend - die Erstberatung der GMA wurde auch aus "Haushaltsmitteln der Wirtschaftsförderung" bezahlt, wie sich der Beschlussvorlage entnehmen lässt.

Ein Blick nach vorn

Doch bevor die Präsentation startet, sagt Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD): Es gehe heute darum, wie man weitermachen solle nach der Schließung von Rübsamen. Wie man mit aussterbenden Innenstädten umgehen könne. Einen Blick auf "die nächsten Schritte" wolle man werfen, sagt Hartmann. Doch zunächst sieht er über den großflächigen Fernsehbildschirm einige Folien fliegen, die viel Bekanntes zeigen.

Der Befund, sagt GMA-Bereichsleiter Meier, während er durch die Präsentation führt, sei klar: schrumpfender Einzelhandel, leer stehende Objekte, Umbruch in den Einkaufsgewohnheiten, die Menschen haben neue Ansprüche an Innenstädte. Aber er und sein Team hätten verschiedene Instrumente, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Wenn es um Dachau geht, kann die GMA Expertise vorlegen. In den vergangenen vier Jahren hat das Beratungsunternehmen unter anderem ein Nahversorgungs- und ein Einzelhandelskonzept für die Stadt erarbeitet.

Alles gar nicht so schlimm?

Die Grundvoraussetzungen in der Dachauer Altstadt seien besser als ihr Ruf, sagt Meier, die Stadt ein guter Handelsstandort mit zahlungskräftiger Bevölkerung und einem vielfältigen Angebot. "In Dachau kann man alles kaufen außer Polstermöbel", sagt er. Der Anteil des Online-Handels am gesamten Non-Food-Bereich liegt laut dem Deutschen Handelsverband bei knapp zwanzig Prozent. In einzelnen Bereichen, beispielsweise bei Bekleidung und Accessoires, liegt der Anteil jedoch mit über 40 Prozent deutlich höher.

Das Gesamtbild führe zu zwei Schlüssen, sagt Meier. Einerseits müsse man den Akteuren den einen oder anderen "Zahn ziehen". Das klassische Kaufhaus sei nicht mehr die Cashcow, die es einmal gewesen sei. Andererseits gelte es, die Innenstädte als "multifunktionalen Lebensort" zu verstehen. Die Powerpoint-Präsentation hinter ihm zeigt Slogans wie "Erholungsort", "pulsierende Mitte" oder "Kulinarisches Zentrum" mit dazu passenden Symbolbildern aus der Altstadt.

Schritt Eins: einen Runden Tisch gründen

Als ersten Schritt, sagt Meier, schlage die GMA einen sogenannten Innenstadtdialog vor. Einen Runden Tisch mit Stadt, Immobilieneigentümern und einzelnen Verbänden. So soll eine Kommunikationsbasis entstehen, ein Fundament für das, was Meier eine "aktive Stadtentwicklung" nennt. Bei diesem Stichwort flimmert der Hinweis über den Bildschirm, dass diese aktive Stadtentwicklung "Ressourcen und Mut" erfordere. Dann ist die Fragerunde eröffnet.

Ob es denn Positivbeispiele gebe, in denen solch eine aktive Stadtentwicklung gelungen sei, fragt Anke Drexler (SPD). Die GMA-Bereichsleiterin München, Gabriele Ostertag, nickt. Bamberg habe ein tolles Innenstadtkonzept mit dem Titel "Mitte. Bamberg. 2025" ausgerufen. Ziel ist es dort, "bürgerorganisierte Gestaltungsmaßnahmen für die Innenstadt" zu schaffen. Allerdings, merkt Jürgen Henritzi (AfD) an, sei Bamberg eine Studentenstadt voller "junger Leute", das habe Dachau nicht vorzuweisen. Die GMA-Berater stimmen zu. Aber auch das Stadtzentrum von Sonthofen habe unter Mithilfe der GMA eine gute Entwicklung genommen. Zum Beispiel, indem man regelmäßige After-Work-Partys in der Innenstadt organisiere. "Die Stadt als Veranstaltungsort", ergänzt Gino Meier.

Die Altstadt bleibt Wirtschaftsort

Ob man Kulturinstitutionen einbinden solle in die Gestaltung des Wandels, möchte Tobias Stephan (CSU) wissen. Ostertag bejaht, ergänzt aber, dass man bei der GMA überzeugt sei, dass "Innenstädte weiter Wirtschaftsräume bleiben sollen". Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) hat die Entwicklungen in deutschen Innenstädten im Rahmen seiner "innerstädtischen Raumbeobachtung" untersucht. Die Forscher des BBSR kommen zu dem Schluss, dass die "Stärkung der Innenstädte als Wohnort" - und somit die "Ausstattung mit bezahlbarem Wohnraum und bedarfsgerechter Infrastruktur" - in Betracht gezogen werden sollte.

Im Alten Sitzungssaal neigt sich die Fragerunde dem Ende zu, als der Oberbürgermeister feststellt, dass die Einflussmöglichkeiten der Stadt ohnehin begrenzt seien. "Wir können nicht, wie sonst in der Politik, Entscheidungen treffen, die dann umgesetzt werden. Wir können uns nur mit den Eigentümern verständigen." Genau das geschieht nun: Der Ausschuss nimmt den Vorschlag einstimmig an und wird das vorgeschlagene Dialogverfahren umzusetzen.

Nach der Sitzung wird draußen vor dem Saal hier und da gemurrt, ob es für dieses Ergebnis eine "Erstberatung" durch die GMA gebraucht hätte, dass außerdem wenig Konkretes gesagt worden sei. Franz Scherm, Eigentümer der bald leer stehenden Kaufhausimmobilie am Schrannenplatz, hält einen Runden Tisch zur Koordination des Wandlungsprozesses für eine gute Sache. Dies könne aber auch über den städtischen Wirtschaftsförderer Alexander Broschell laufen. "Letztlich", sagt Scherm, "wird die GMA auch nicht dafür sorgen, dass wir einen neuen Mieter reinkriegen." Und so lautet das ernüchternde Fazit des Tages: Ohne das nötige Geld ist "aktive Stadtplanung" ein Wunschtraum. Der Spielraum von GMA, Stadt und Eigentümern bleibt ohnehin erst einmal auf das begrenzt, was sie nun vorhaben: warten und reden.

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