Bürgermeisterwahl Erdweg:"Ich probiere es einfach mal"

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Arlette Amend, SPD-Bürgermeisterkandidatin, ist in den vergangenen Wochen in Erdweg unterwegs gewesen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Juristin Arlette Amend will Bürgermeisterin von Erdweg werden. Gemeinsam mit ihrem dreimonatigen Baby zieht die SPD-Kandidatin in den Häuserwahlkampf und klingelt mit hartnäckiger Freundlichkeit an den Türen der Gemeinde.

Von Jessica Schober, Erdweg

Wo ein Wille ist, da ist auch ein Klingelknopf. Arlette Amend hat beides: Einen großen Willen, um Bürgermeisterin von Erdweg zu werden, und sie hat auch noch viele Türklinken und Klingeln zu drücken an diesem glutheißen Sommertag. Seit einer Stunde schläft ihr drei Monate altes Baby seinen Mittagsschlaf in der Trage vor ihrer Brust, und die Juristin und Sozialdemokratin nutzt die Zeit für den Haustürwahlkampf. In der Hand trägt sie ein Täschchen und einen kleinen Korb, darin Wurfzettel mit ihren Kontaktdaten. Nach zehn gedrückten Klingelknöpfen geht endlich eine Tür auf: "Guten Tag, es geht um die Bürgermeisterwahl, darf ich Ihnen..." Die Tür geht wieder zu. Arlette Amend rückt ihr Lächeln zurecht und zieht weiter.

Heute beginnt die 35-Jährige ihre Tour an jenem namenlosen Platz in Erdwegs zentrumslosen Ortskern, ein paar hundert Meter vom Rathaus entfernt, wo auf einer Wiese verloren eine Bank und ein Holzgestell mit Wahlplakaten herumstehen. "Das ist kein Ortskern, der zum Verweilen einlädt", sagt Amend, "ich würde mir hier mehr Aufenthaltsqualität wünschen, einen Blühstreifen anlegen, die Bürger fragen, ob sie sich vielleicht einen Springbrunnen wünschen und einen Ort schaffen, an dem man auch mal einen Kaffee trinken kann, den man sich beim Bäcker drüben geholt hat". In anderen Teilen der Splittergemeinde Erdweg gebe es ja durchaus eigene dörfliche Strukturen, erzählt Amend, wie in Eisenhofen und Kleinberghofen. Als Bürgermeisterin will sie auch eine Bürgersprechstunde am Samstag im Rathaus einführen, die meisten Menschen seien berufstätig und hätten unter der Woche keine Zeit.

Die 6200 Einwohner ihrer Heimatgemeinde will sie nicht nur von Plakaten aus anlächeln, sondern möglichst vielen persönlich begegnen. Das erstaunt manche. Ein glatzköpfiger Mann im Rammstein-Shirt nimmt mit hochgezogenen Augenbrauen den Werbezettel entgegen, beeilt sich dann aber, hinterher zu rufen: "Alles Gute für die Wahl". Amend klingelt sich weiter durch die Glonntalstraße. Ein älterer Herr hinterm Gartenzaun sagt: "Ist nett, dass Sie vorbeischauen, aber wählen werde ich Sie nicht." In einem Mehrfamilienhaus drückt Amend gleich alle Klingeln auf einmal, eine junge Frau und ihre Großmutter öffnen die Türen. "Ist das ein Baby da drin?", fragt die Oma entzückt mit Blick auf die Trage.

Seit 2010 ist Amend SPD-Mitglied, sie hat vorher sehr rational sondiert, welche Partei ihr am ehesten entspricht. Schon im Jurastudium in Tübingen hatte sie die Jusos kennengelernt. In Neu-Ulm hat sie für den Stadtrat kandidiert. Den Dachauer SPD-Bundestagsabgeordneten Michael Schrodi hat sie im Wahlkampf unterstützt. "Mit allem, was die SPD auf Bundeseben so macht, gehe ich nicht komplett mit", sagt sie, da würden ihr zu viele Kompromisse gemacht. Im Erdweger Gemeinderat sitzt sie als einziges SPD-Mitglied. "Ich stelle gerne kontroverse Fragen", sagt Amend. Ihr fehle dort bisweilen die Transparenz. Bürger träten mit unterschiedlichen Anliegen an sie heran: Mal stehe ein Laternenmast schief, dann werde in der 30er-Zone gerast und bei der Kitaplatzvergabe sei es sowieso kaum möglich, es allen recht zu machen. Neulich sprach ein Mann in Großberghofen sie darauf an, dass so viele Häuser leer stünden. Amend überlegt nun, wie man Menschen dazu bringen könnte, miteinander Häuser zu tauschen. Und weil ihr Partizipation wichtig ist, würde sie auch dazu erstmal eine Umfrage in der Bevölkerung machen, sagt sie.

Amend kommt aus Göppingen im Großraum Stuttgart, vor fünf Jahren ist sie nach Kleinberghofen gezogen, weil ihr Mann, ein Bundeswehrarzt, einen Job in München fand. "Ich kenne meine Nachbarn, und die Kinder können draußen spielen", sagt sie über ihre Wahlheimat. Inzwischen wohnt auch ihre Mutter ein paar Straßen weiter und kümmert sich oft um beide Enkelkinder. Auf ihre Mutterrolle will Amend nicht reduziert werden. "Meine Mitbewerber werden ja auch nicht gefragt, wie sie die Kinderbetreuung stemmen." Falls sie gewählt würde, sei aber klar abgesprochen, dass ihr Mann und ihre Mutter mehr Aufgaben in der Kinderbetreuung übernehmen. Amend hat nach der Geburt ihrer ersten Tochter wieder in Vollzeit gearbeitet bei einem Verband für betriebliche Altersvorsorge. Sie macht auch Zumba im Sportverein. Als sie den anderen im Kurs von ihrer Kandidatur erzählte, kamen begeisterte Reaktion, dass endlich eine Frau zur Wahl stünde.

Die 32,5 Prozent der Stimmen, die ihr Mitbewerber Joseph Ndogmo von der Freie Wählergruppe Welshofen bei der jüngsten Bürgermeisterwahl gegen Christian Blatt von der CSU eingefahren hat, findet sie ein "sehr beeindruckendes Ergebnis". Ihr ist wichtig, dass mehr als ein Kandidat zur Wahl steht, "aber das Wichtigste ist, dass die Leute überhaupt zur Wahl gehen". Sie sagt von sich selbst: "Ich probiere es einfach mal." Auch Ndogmo begrüßt, wie er sagt, Amends Kandidatur.

Beim Haustürwahlkampf ist Amend heute froh, überhaupt jemanden daheim zu erwischen. Eine ältere Frau im Türrahmen sagt: "Sie waren jetzt die Erste, die sich hier bei uns vorgestellt hat." Am Abend wird Amend die Straßen auf einem ausgedruckten Gemeindeplan abhaken, die sie abgegrast hat. Die langen Fußwege in der Hitze scheinen ihr nichts auszumachen. "Mit kleinem Kind geht man ja eh viel Spazieren", sagt sie.

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