Bezirkshaushalt:Dafür braucht der Bezirk Geld vom Landkreis Dachau

Lesezeit: 3 min

Bezirkstagspräsident Josef Mederer zeigt sich entsetzt über die harsche Kritik seines Heimatlandkreises Dachau an der Erhöhung der Umlage. Von ihr werden vor allem soziale Aufgaben erfüllt - und die werden immer teurer

Von Christiane Bracht, Dachau

Das Franziskuswerk Schönbrunn engagiert sich sehr für die Inklusion von Behinderten. Für seine Arbeit erhält es Unterstützung vom Bezirk Oberbayern. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Josef Mederer (CSU) ist entsetzt. Ausgerechnet in Dachau, seinem Heimatlandkreis, wird am lautesten gegen die Bezirksumlage gewettert. Sein Parteikollege und Bürgermeistersprecher Stefan Kolbe forderte in der jüng sten Krei sau s schu s s sitzung sogar, dass der Bezirk endlich sparen solle.

"Das ist reine Stimmungsmache. Dagegen wehre ich mich", ärgert sich der Bezirkstagspräsident. Wenn der Karlsfelder Rathauschef eine Idee habe, wo der Bezirk Oberbayern denn sparen könne, müsse er auch "Ross und Reiter nennen". Er sei zum wirtschaftlichen Handeln verpflichtet und genau das mache er auch, stellt Mederer klar. "Wir setzen das Geld so ein, wie es erforderlich ist." Allein im Landkreis Dachau gebe es etwa 6000 Menschen, die direkt auf die Hilfe des Bezirks angewiesen seien und weitere 3000, die aus anderen Landkreisen in Dachau untergebracht seien.

Entzündet hat sich der Streit an den knappen Finanzen. Coronabedingt sind die Einnahmen der Gemeinden deutlich zurückgegangen. Viele Kommunen ringen deshalb um einen genehmigungsfähigen Haushalt. Einer Erhöhung der Kreisumlage sehen einige Kommunalpolitiker bereits mit großem Unbehagen entgegen. Ähnlich erging es jetzt den Kreisräten mit der Bezirksumlage, die nun um 0,7 Prozentpunkte erhöht wird. Sie fühlten sich von der Politik im "Stich gelassen". Kolbe klagte gar, dass den Kommunen die "Daumenschrauben" angesetzt würden. Der Vierkirchener Bürgermeister Harald Dirlenbach (SPD) bemerkte erbost: "Den Letzten beißen die Hunde." Die Schlüsselzuweisungen bezeichnete Kolbe in seinem Ärger als "Almosen der Staatsregierung". Er plädierte für einen "Systemwechsel". Doch Landrat Stefan Löwl (CSU) erinnerte daran, dass der Landkreis das System nicht ändern könne.

1 / 3
(Foto: Niels P. Joergensen)

Bürgermeistersprecher Stefan Kolbe mahnt zum Sparen.

2 / 3
(Foto: Toni Heigl)

Bürgermeister Harald Dirlenbach ärgert sich über die Mehrkosten.

3 / 3
(Foto: Niels P. Joergensen)

Entsetzt über "Stimmungsmache": Bezirkstagspräsident Josef Mederer.

"Ich kenne die Leiden der Kommunen. Ich war selbst 18 Jahre lang Bürgermeister von Schwabhausen und 30 Jahre Kreisrat", sagt Mederer. Man müsse einen Schulterschluss wagen und "gebündelt zu Land und Bund gehen". Auch er plädiert für einen Systemwechsel in der Finanzierung. "Ich möchte nicht der Prügelknabe sein, wenn wir tun, was unsere Aufgabe ist", sagt er. Die Bezirksumlage sei gesetzlich so vorgesehen. "Es ist keine Wahlleistung", stellt der Präsident klar. Der Landkreis bekomme dafür Geld von den Gemeinden. Und diese bekämen zum Beispiel für die Finanzierung des Bundesteilhabegesetzes Geld vom Bund. Insgesamt fünf Milliarden Euro hat die Regierung dafür bereitgestellt. Acht bis zehn Millionen Euro flössen direkt in den Landkreis Dachau, so Mederer. "Es ist Geld, das eigentlich dem Bezirk gehört und es macht immerhin 15 bis 20 Prozent der Umlage aus." "Auf den Bezirk schimpfen", wenn man es durchreichen müsse - das sei keine Lösung, klagt Mederer.

Im übrigen hätten nicht nur die Kommunen schwer zu kämpfen, auch der Bezirk Oberbayern sehe schwierigen Zeiten entgegen. "Unsere Rahmenbedingungen haben sich deutlich verschlechtert", sagt Mederer. 2022 werde die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben am weitesten auseinander sein. Denn dann wird die Umlagekraft der Gemeinden sinken.

Doch auch jetzt merke man bereits die ersten Folgen der Corona-Pandemie. Hinzukomme die demografische Entwicklung: Die Leute lebten länger und müssten deshalb auch länger versorgt werden. "50 000 Menschen mit Behinderung bekommen täglich Leistungen vom Bezirk und 20 000 Menschen, die gepflegt werden müssen, bekommen täglich Hilfe. Tendenz steigend", schildert der Präsident es ganz plastisch. Und diese Leute hätten auch einen Anspruch darauf. Der Bezirk sei von der Säuglingsfrühförderung bis hin zu Menschen mit sehr hohem Alter zuständig, auch für Heilpädagogische Tagesstätten, für Assistenzen für Menschen mit Behinderung und auch für viele andere Einrichtungen, nicht zuletzt für Seniorenheime.

Steigende Ausgaben kämen jedoch auch dadurch zustande, dass Gesetze geändert werden. So ist Inklusion ein großer Kostenfaktor: Jeder soll nun die Möglichkeit haben, eine Wohnung zu beziehen und die Arbeit zu ergreifen, die er will. Menschen mit Behinderungen seien bisher immer in Einrichtungen gekommen, wenn sie kein Einkommen hatten, erklärt Mederer. Jetzt hätten sie nach dem Teilhabegesetz einen Anspruch auf eine Wohnung nach ihren Bedürfnissen - und die seien in der Regel größer und teurer. Zudem gebe es die Freistellung von Vermögenden. Reiche Familien müssten nun nicht mehr für ihre Angehörigen zahlen wie bisher. Auch Zuzahlungen für einen Platz im Pflegeheim müssten nur noch Angehörige leisten, die mehr als 100 000 Euro zur Verfügung hätten, sagt Mederer.

Der Haushalt des Bezirks wird 2021 ein Volumen von 2,25 Milliarden Euro erreichen. Die Ausgaben steigen damit gegenüber diesem Jahr um acht Prozent. Natürlich habe man überlegt, wo man sparen könne, versichert Mederer. Und denke weiterhin darüber nach. Das Problem sei jedoch, dass 95 Prozent der Kosten für Soziales ausgegeben werden. Nur fünf Prozent sei für Kultur, Heimat und Brauchtum vorgesehen. Coronabedingt sei dieser Bereich jedoch ohnehin sehr gebeutelt. Dort zu sparen, halte er für "kontraproduktiv", zumal diese Einsparungen "den Haushalt nicht retten werden". Auch an den Menschen, die im Pflegeheim arbeiten, zu sparen, ist für Mederer keine Option. "Sie müssen gerecht bezahlt werden."

"Unsere Richtschnur muss wirtschaftliches Handeln in sozialer Verantwortung sein", erklärt der Bezirkstagspräsident. Das bedeute insbesondere, dass die Leistungen nicht "auf dem Rücken der Hilfeempfänger reduziert" werden dürfen. Man habe jedoch die Umlage nur moderat erhöht und werde mit Rücksicht auf die ohnehin schon sehr belasteten Kommunen 39,7 Millionen Euro aus den Rücklagen nehmen. Diese schmelzen nun auf wenig mehr als das gesetzliche Minimum zusammen, so Mederer.

© SZ vom 15.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: