Kultur:Lieblingsfeinde

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Tobias Zeitz und Jürgen Füser spielen in der von Regisseur Herbert Müller ergänzten und bearbeiteten Theaterfassung von Patrick de Longrée "Don Camillo zu dritt" Peppone und die Stimme des Herren. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Das Hoftheater Bergkirchen bringt "Don Camillo" auf die Bühne. Es ist ein amüsantes wie nachdenklich stimmendes Stück voller Menschlichkeit.

Von Dorothea Friedrich, Bergkirchen

Schlicht, schlau und schlagkräftig. Das sind der Dorfpfarrer Don Camillo und sein ewiger Kontrahent, der Bürgermeister und Kommunist Peppone. Schlicht ist Don Camillos Glaube, hat er doch Jesus als Gesprächspartner und Korrektiv, schlau sucht er nach Vorteilen für seine Gläubigen und ist bei Auseinandersetzung von großer - nicht nur verbaler - Schlagkraft. Peppones Glaube an die Herrschaft des Volkes ist gleichfalls schlicht. Mit wahrer Bauernschläue versucht er, seine "patriotischen Angelegenheiten mit sozialem Charakter" umzusetzen. Und ist dabei ebenso rauflustig wie sein kirchlicher Widerpart. Beide haben das gleiche Ziel, gehen aber unterschiedliche Wege. Sie wollen die Lage der notleidenden Menschen in der Po-Ebene verbessern. Dazu ist ihnen fast jedes Mittel recht.

Die fiktiven Geschichten aus dem italienischen Dörfchen Boscaccio entzücken seit den Fünfzigerjahren unzählige Fans in ihrer Filmversion. Sie beruhen auf den Romanvorlagen von Giovannino Guareschi. Nun hat sich das Hoftheater Bergkirchen des Stoffs angenommen. Regisseur Herbert Müller hat die Theaterfassung von Patrick de Longrée "Don Camillo zu dritt" bearbeitet und ergänzt. Entstanden ist ein ebenso amüsantes wie nachdenklich stimmendes Stück mit vielen kleinen Szenen. Am vergangenen Donnerstag war die vom Publikum begeistert gefeierte Premiere.

Die Schauspieler verzichten darauf, die Filmcharaktere zu imitieren

Glücklicherweise haben Regisseur Müller, Ausstatterin Ulrike Beckers und die Darsteller - Ansgar Wilk als Don Camillo, Tobias Zeitz als Peppone und Jürgen Füser als Stimme des Herren aus dem Off - darauf verzichtet, die Filmcharaktere zu imitieren. Statt der kärglichen Pfarrerwohnung und der vom Einsturz bedrohten Kirche hat Ulrike Beckers auf die kleine Bühne einen geschmückten Altar gestellt, auf dem der Messwein immer griffbereit ist. Statt des mächtigen Holzkreuzes im Film steht ein wunderbar kitschige Bilder mit Jesus im Mittelpunkt.

Wilks Don Camillo könnte in Habitus und Gestus eher ein aus dem Vatikan strafversetzter Gentleman-Geistlicher als ein ärmlicher Gottesmann sein. Tobias Zeitz macht aus Peppone keinen bärbeißigen Raufbold, sondern einen schlitzohrigen, bisweilen mit seiner Lockenpracht und einem berechnend-umwerfenden Lächeln an einen Rafael-Engel erinnernden bauernschlauen Vertreter der "Roten".

Roman-Camillo hatte ein reales Vorbild

Dem "Herrn" schließlich fehlt jedes Salbungsvolle in der Stimme, er ist ein Typ, mit dem man sich gerne unterhält. Das verleiht dieser Komödie eine feine Würze, zumal Müller in seiner Bearbeitung die Vergangenheit der zwei Protagonisten sehr viel deutlicher hervorhebt als dies in den Verfilmungen der Fall ist. Nach der Entmachtung Mussolinis im Jahr 1943 und der Besetzung Italiens durch die Nazi-Barbaren kämpften in der Tat Katholiken, Kommunisten, Republikaner und Monarchisten gemeinsam im italienischen Widerstand, der Resistenza, so auch im Roman Don Camillo und Peppone.

Der Roman-Camillo hatte zudem ein reales Vorbild: Don Camillo Valota (1912-1998), Priester, Partisan und Gefangener in den Konzentrationslagern Mauthausen, Gusen und Dachau (von 1944 an). Guareschi, der gleichfalls in die Fänge der Nazi-Horden geraten war, lernte den Widerstandskämpfer kennen und machte ihn zu einem Vorbild für seinen ausgefuchsten Dorfpfarrer.

Verbundenheit über alle Differenzen hinweg

Der Bühnen-Camillo scheint zumeist nur darauf zu warten, wieder einmal mit Peppone "einen Kampf auf Leben und Tod" auszutragen. Das geschieht bei einem Duell am "Hau den Lukas" oder auch gelegentlich mit einem Erpressungsversuch. Will doch Peppone ein Haus des Volkes bauen - mit Geld aus dunklen Quellen, die der Pfarrer natürlich kennt. Zähneknirschend muss Peppone einen Teil für den Bau eines Kinderhortes "für die Kinder des Volkes" an Camillo abgeben. Doch Peppone ist nicht weniger raffiniert als sein Lieblingsfeind. Der Bischof hat seinen Besuch angekündigt. Da muss auf der Zugfahrstraße rein zufällig ein tiefer Graben ausgehoben werden, und der kirchliche Würdenträger kann das Dorf nicht erreichen. Das kann und will Camillo nicht hinnehmen.

Den armen Peppone dagegen trifft es schwer, dass er in einem seiner zahlreichen Wutanfälle womöglich einen der verhassten Großgrundbesitzer umgebracht haben könnte. Für Camillo eine Sternstunde der süßen Rache. Doch bei all diesen genussvollen Disputen schwingt im Hintergrund eine Angst vor "Gefahren, die man nur fühlt, aber nicht sieht" und vor einer "faschistischen Revolution" mit. Ein Gegenmittel haben die beiden nicht, aber sie haben ihre Verbundenheit über alle Differenzen hinweg. Und das Publikum hat einen Abend voller Humor und Menschlichkeit erlebt.

Karten für die Vorführungen am Freitag, 24. November, und Sonntag, 17. Dezember sind bereits ausverkauft. Für die Vorführung am Freitag, 8. Dezember, gibt es noch Restkarten. Im Januar und Februar 2024 finden noch sechs weitere Vorführungen statt, für die es ebenfalls noch Karten gibt statt. Diese kann man telefonisch unter der 08131/326 400 oder per Mail an mail@hoftheater-bergkirchen.de erwerben.

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