Bauen in Dachau:Das Schlupfloch

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Abstand halten: Am Sonnenwinkel wird derzeit gebaut. (Foto: Toni Heigl)

Der Dachauer Stadtrat erlässt eine Abstandsflächensatzung, um die neue Bayerische Bauordnung zu umgehen.

Von Thomas Radlmaier, Dachau

Die Stadt Dachau stellt sich quer gegen die novellierte Bayerische Bauordnung, die am Montag, 1. Februar, im Freistaat in Kraft tritt. Die Mitglieder des Stadtrates haben am Mittwoch mehrheitlich dafür gestimmt, für Dachau eine eigene Abstandsflächensatzung einzuführen, um die bisherigen vorgegebenen Abstände zwischen Gebäuden bei neuen Bauvorhaben weitestgehend einzuhalten. Damit wollen die Stadträte eine aus ihrer Sicht unzumutbare Nachverdichtung im Stadtgebiet verhindern und so die Wohnqualität in Dachau auch in Zukunft erhalten. Es ist ein rechtliches Schlupfloch, um die neue Bauordnung zu umgehen. Dieses nutzt die Stadt, genau so wie viele andere bayerische Kommunen, die sich dieser Tage mit dem Thema beschäftigen.

Wenn es ums Bauen geht, wird es oft kompliziert. Das trifft insbesondere in Siedlungsgebieten zu, wo sich Nachbarn oft gegenseitig auf die Pelle rücken und Häuser eng beieinander stehen. Wie eng, das regelt die Bayerische Bauordnung. In ihrer bisherigen Fassung entspricht der Abstand der Wandhöhe des geplanten Gebäudes. Im Fachjargon spricht man von "1 H". Das heißt, wenn ein Bauherr ein Gebäude mit einer Wandhöhe von zehn Metern plant, muss der Abstand zum nächsten Gebäude mindestens zehn Meter betragen. Nun jedoch wollte der Gesetzgeber mit der neuen Bauordnung dieses Mindestmaß verkleinern. Statt bisher 1H gelten ab Inkrafttreten der Novelle nur noch 0,4H. Bei einer Wandhöhe von zehn Metern betrüge der Abstand also nur vier Meter.

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In Dachau und vielen anderen Kommunen findet man aber, dass 0,4 H viel zu wenig ist. Bereits das bisherige Abstandsflächenrecht habe im Falle einer Neubebauung der Grundstücke "zu einer signifikanten Reduzierung der Wohnqualitäten und einer Beeinträchtigung des Wohnfriedens geführt", so die Stadtverwaltung. Daher legt die Stadt nun noch vor Inkrafttreten der novellierten Bauordnung eigene Abstandsflächen fest. Diese Abstandsflächensatzung besagt, dass der Abstand zwischen 0,8 H und 0,4 H zu sein hat.

Es ist eine Gratwanderung, die Dachau und andere bayerische Kommunen bewältigen. Im Speckgürtel um München ist der Siedlungsdruck enorm. Doch es gibt kaum Flächen, um Wohnraum zu schaffen. Die Folge sind Wohnungsnot und aberwitzige Immobilienpreise. Vor diesem Hintergrund wollte der Landesgesetzgeber mit der neuen Bauordnung Nachverdichtung erleichtern. Bayerns Bauministerin Kerstin Schreyer (CSU) verspricht sich gar einen Bauboom. Gegen die Wohnungsnot helfe nur "bauen, bauen, bauen", sagte sie. Doch es zeigt sich, dass man den Kommunen womöglich zu viel zugemutet hat. Vor allem das Hauruck-Vorgehen des Gesetzgebers verärgerte Kommunalpolitiker. Der Landtag beschloss das Gesetz erst Anfang Dezember, schon jetzt soll es gelten. In Dachau sieht man zwar die Wohnungsnot. Die Stadt beziehe in ihre Überlegungen selbstverständlich ein, "dass der Gesetzgeber mit der Abstandsflächenverkürzung die erhöhte Nachverdichtung und das Flächensparen beabsichtigt", so die Verwaltung. "Die Stadt hält aber die Erhaltung und Verbesserung der Wohnqualität in ihrem Stadtgebiet für vorrangig gegenüber diesen Belangen."

Die Stadträte stimmten mehrheitlich für eine eigene Abstandsflächensatzung. Die CSU-Fraktion lehnte die Beschlussvorlage dagegen ab. "Wir sehen es kritisch, über das ganze Stadtgebiet eine Satzung zu legen", sagte Florian Schiller. Die einzelne Stadtteile würden sich unterscheiden. Daher brauche es stadtteilbezogene Satzungen. Auch die Fraktion von ÜB/FDP sieht "Folgeprobleme" durch die neue Satzung, wie Peter Gampenrieder sagte. Die ÜB/FDP-Fraktion fordert, dass die Verwaltung die Möglichkeit prüft, "stadtteilbezogene Bebauungspläne" aufzustellen. Gebietsspezifische Besonderheiten wie etwa in der Altstadt müsse man berücksichtigen.

© SZ vom 29.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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