Amtsgericht Dachau:"Skrupellos, aber menschlich nachvollziehbar"

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Die Verhandlung wird am 17. August fortgesetzt. (Foto: Patrick Seeger/dpa)

Ein Vater und sein Sohn unterschlagen geleaste Baufahrzeuge im Wert von rund einer halben Millionen Euro, weil sie die Raten nicht mehr begleichen können. Nun steht der 29-Jährige vor dem wirtschaftlichen Ruin, der 51-Jährige muss für drei Jahre ins Gefängnis.

Von Jacqueline Lang, Dachau

Wirft man nur einen Blick in die Akten und auf die darin stehenden Zahlen, dann mag die Sachlage eindeutig sein: Zwei Männer haben gemeinsam geleaste Baufahrzeuge im Wert von rund einer halben Millionen Euro unterschlagen. Und doch ist der Prozess vor dem Dachauer Amtsgerichts laut Richter Tobias Bauer "nicht das übliche Verfahren", das man angesichts dieser Faktenlage vielleicht erwarten würde: Zum einen hätten Vater und Sohn nicht aus Habgier gehandelt, sondern weil sie selbst auf ausstehende Zahlungen gewartet hätten und der Schuldenberg angewachsen sei. Das Vorgehen sei zwar dennoch "relativ skrupellos" gewesen, so Richter Bauer, aber eben doch "menschlich nachvollziehbar". Außerdem - und auch das sei in solchen Verfahren ungewöhnlich - sei von Anfang an mit den Behörden kooperiert worden und die beiden Angeklagten hätten sich vor Gericht vollumfänglich geständig gezeigt. Und dann ist da noch die Sache mit dem "gewissen Abhängigkeitsverhältnis", das zwischen den beiden Angeklagten besteht.

Auch wenn der Sohn, ein 29-Jähriger aus Röhrmoos, als Besitzer des Abrissunternehmens, das die Gerätschaften bei mehreren Firmen geleast hat, Abwickler der Geschäfte gewesen ist, sind sich Staatsanwaltschaft, die beiden Verteidiger und der Kriminalpolizist, der die Ermittlungen geleitet hat und vor Gericht als Zeuge aussagt, einig: "Der Papa ist der Chef", sein Sohn sei lediglich "Befehlsempfänger". Und so ist es schließlich auch der 51-jährige Röhrmooser, der vom Gericht zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt wird und nicht sein Sohn. Der kommt trotz der hohen Summe, um die es geht, mit einer Bewährungsstrafe davon. Bei Letzterem kann das Gericht keine kriminelle Energie feststellen, Ersterer ist bereits einschlägig vorbestraft. Schon mehrmals hat er vorsätzlich ein Insolvenzverfahren verschleppt.

Bei einem Rechtsgespräch im Vorfeld der Verhandlung einigen sich die Parteien darauf, mehrere Anklagepunkte fallen zu lassen. Trotzdem dauert es, bis die Staatsanwaltschaft die Anklageschrift verlesen hat: Immerhin geht es um insgesamt 17 Fahrzeuge, die im Zeitraum von 2017 bis 2019 geleast worden sind, deren Leasingraten aber irgendwann weder weiter bezahlt noch zurückgegeben wurden. Der Grund: Den Angeklagten fehlte selbst schlicht das Geld, weil deren Geschäftspartner wiederum offene Rechnungen nicht beglichen, "so dass dann irgendwo ein Loch war", wie der Anwalt des 29-Jährigen es formuliert. Rechnet man die noch ausstehenden Ratenzahlungen mit den Nutzungsentschädigungszahlungen zusammen, bleiben Schulden in Höhe von mehr als 500 000 Euro.

"Einem nackten Mann kann man so schlecht in die Tasche greifen."

Die Taten selbst werden von den beiden Angeklagten durch ihre jeweiligen Verteidiger "sowohl objektiv als auch subjektiv" vollumfänglich eingeräumt, weitere Angaben wollen sie aber nicht machen. Selbst als Richter Bauer sie gegen Ende der Verhandlung zu ihren persönlichen Verhältnissen befragt, bleiben sie wortkarg. So viel wird trotzdem deutlich: Den 29-Jährigen, der derzeit als LKW-Fahrer arbeitet, haben die zwei Wochen in Untersuchungshaft schwer mitgenommen, war er doch 2020 in den Hochzeiten der Pandemie zwei Wochen ganz alleine in einer Zelle eingesperrt. Den Vater, der als Disponent tätig ist, wiederum plagen wiederkehrende Schmerzattacken und depressive Phasen.

Für die Staatsanwaltschaft steht ungeachtet dessen fest: Der Sohn hat sich der Veruntreuung schuldig gemacht, der Vater der Anstiftung dazu. Sie fordert daher eine Haftstrafe von einem Jahr und zehn Monaten für den Sohn, auszusetzen zur Bewährung auf drei Jahre, plus eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 43 Euro. Für den Vater fordert sie eine Freiheitstrafe von dreieinhalb Jahren. Für ein etwas milderes Urteil sprechen sich die Verteidiger aus: Der Anwalt des 29-Jährigen hält zumindest eine zusätzliche Geldstrafe für nicht nötig. Sein Mandant stehe ohnehin vor einem "wirtschaftlichen Ruin", dadurch sei er "gestraft genug". Weil klar ist, dass eine Bewährungsstrafe für den Vater nicht mehr in Betracht kommt, plädiert dessen Verteidiger zumindest für eine Freiheitsstrafe von lediglich drei Jahren. Schließlich sei die Kooperationsbereitschaft des 51-Jährigen "außergewöhnlich" gewesen, so der Anwalt. Und auch er betont die finanziell schwierige Lage der beiden: "Die Familie ist ruiniert."

Richter Tobias Bauer und die beiden Schöffen schließen sich letztlich der Verteidigung an: Der Vater wird zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, sein Sohn zu einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung. Als Bewährungsauflage veranlasst das Gericht zudem Sozialstunden, abzuleisten beim Verein Brücke in Dachau. Zur Begründung, warum man sich dagegen entschieden habe, dem 29-Jährigen eine Geldstrafe aufzubrummen, sagt Richter Bauer: "Einem nackten Mann kann man so schlecht in die Tasche greifen." Ohnehin sei im Laufe des Verfahrens deutlich geworden, dass Vater wie Sohn "gebrochen" seien - und das womöglich nicht nur durch dieses Verfahren, sondern durch das Leben. Die Tränen, die dem Vater bei der Urteilsverkündung über die Wangen laufen, scheinen dies zu bestätigen.

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