Vor Gericht:Freiheitsstrafe für schweren sexuellen Missbrauch an Zehnjähriger

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Verhandelt wurde der Fall vor dem Dachauer Amtsgericht. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Ein 50-Jähriger hat sich an der Tochter einer Bekannten vergangen. Das Schöffengericht verurteilt ihn zu zwei Jahren und sechs Monaten Gefängnis.

Von Jacqueline Lang, Bergkirchen

Die Tat, die am Montagmorgen vor dem Dachauer Amtsgericht verhandelt wurde, mag mittlerweile acht Jahre her sein, die Geschädigte, die erst vor kurzem volljährig geworden ist, kann aber bis heute nicht vergessen, was ihr damals angetan wurde: Der Mann einer Freundin ihrer Mutter hat sich 2014 an ihr vergangen. Vor dem Dachauer Amtsgericht wurde der 50-Jährige nun für den schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Laut Anklageschrift hat der Angeklagte, ein gebürtiger Hannoveraner, mit seiner damaligen Frau eine Zeit lang bei deren Freundin und der damals gerade erst zehn Jahre alt gewordenen Tochter in deren Wohnung in Bergkirchen gewohnt. Eines Abends im Zeitraum von Anfang Februar bis Ende März hat sich der 50-Jährige demnach zu dem Mädchen, das gerade eine Kinderserie im Fernsehen anschaute, gesetzt und sie gefragt, ob ihr kalt sei. Als diese bejahte, gab er ihr eine Decke, unter die er sich gemeinsam mit ihr legte. Dann begann er sie erst über der Unterhose, dann darunter im Intimbereich zu berühren.

Der Angeklagte ließ die Tat durch seinen Verteidiger vor dem Schöffengericht "grundsätzlich" einräumen. Es tue seinem Mandanten wahnsinnig leid, was damals passiert sei. Eine Erklärung dafür habe er nicht. Fakt sei aber: "Sowas ist nie wieder vorgekommen und wird nie wieder vorkommen." Klar sei, so der Verteidiger, dass die Tat nicht mit Geld wieder gutzumachen sei. Da es aber auch keine Möglichkeit für ein persönliches Gespräch gebe, könne man es nur "über das Geld versuchen". Als erstes Angebot warf der Verteidiger des Hannoveraners 3000 Euro in den Raum, zu zahlen in Raten von monatlich 150 Euro.

Bis heute hat die Geschädigte Probleme damit, Männern zu vertrauen

Die Nebenklägerin, die Mutter der Geschädigten, erschien nicht zu dem Termin, doch die Kriminalbeamte, die die heute 18-Jährige 2020 vernommen hatte, erzählte vor dem Schöffengericht noch einmal, was das Mädchen ihr damals erzählt hatte - und vor allem, wie sie sich damals gefühlt hatte und inwiefern die Tat sie noch Jahre später belastete: Sie sei "wie erstarrt gewesen", als es passiert sei und als der Mann mit einem oder mehreren Fingern in sie eingedrungen sei, habe das sehr weh getan. Als der Angeklagte von ihr abgelassen habe, sei sie sofort zu ihrer Mutter gelaufen und habe ihr erzählt, was geschehen sei. Daraufhin habe diese den Mann und seine Frau der Wohnung verwiesen.

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Bei der Vernehmung, daran erinnerte sich die Kriminalbeamte noch, sei es der Geschädigten sichtlich schwer gefallen, das Erlebte zu erzählen. Auffällig sei auch gewesen, dass sie ganz in schwarz gekleidet gewesen sei und die Ärmel ihres Oberteils immer über die Hände geschoben habe. Erzählt habe ihr die damals 16-Jährige auch, dass sie seit der Tat "Probleme mit Männern" habe und unter Angststörungen leide.

Aus dem Bericht einer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, den Richterin Cornelia Handl in der Verhandlung auszugsweise verlas, geht hervor, dass die Geschädigte zwischenzeitlich unter anderem aufgrund des Erlebten stationär in dieser Klinik untergebracht gewesen ist und eine Posttraumatische Belastungsstörung bei ihr festgestellt worden ist. Der Anwalt der Nebenklägerin bestätigte, dass sich der Zustand der jungen Frau bis zum heutigen Tag kaum verbessert habe, ihrer Mutter habe stets die Sorge, "dass sie sich etwas antun könnte". Für einen von der Verteidigung vorgeschlagenen Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) war die Geschädigte während der Verhandlung nicht zu erreichen.

Die Staatsanwaltschaft erklärte allerdings, dass ein möglicher TOA ohnehin nicht zu einer Strafrahmenverschiebung führen werde. Dazu komme das Angebot viel zu spät und die vorgeschlagene Summe sei trotz der schwierigen finanziellen Verhältnisse des Angeklagten nicht strafangemessen. Sie plädierte für eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten.

Der Verteidiger des 50-Jährigen sprach sich indes für eine Bewährungsstrafe aus. Durch sein Geständnis habe er es der Geschädigten erspart, noch einmal vor Gericht aussagen zu müssen. Selbst geäußert habe sich sein Mandant zu der Tat nur deshalb nicht, weil es auch ihm schwer falle, darüber zu sprechen. Und auch wenn es sich nicht miteinander vergleichen lasse, was die Geschädigte durchgemacht und was der Angeklagte durchgemacht habe, so habe doch auch seinen Mandanten das Verfahren belastet.

"Ich weiß, dass ich einen Fehler gemacht habe"

Auch er wisse, dass die vorgeschlagene Summe für den TOA nicht "ausufernd" sei, aber man müsse auch die Leistungsfähigkeit seines Mandanten berücksichtigen, dem nach Unterhaltszahlungen für drei minderjährige Kinder und laufenden Kosten selbst nur noch 600 Euro zum Leben blieben. Wenn man bedenke, dass die Geschädigte gerade volljährig geworden sei, könne sie die monatlichen Zahlungen ja vielleicht gerade jetzt gut gebrauchen. Der Angeklagte selbst betonte in seinen letzten Worten noch einmal: "Ich weiß, dass ich einen Fehler gemacht habe."

Richterin Handl schloss sich in ihrem Urteil im Wesentlichen der Einschätzung der Staatsanwaltschaft an: Das Angebot für den TOA "ist extrem spät gekommen", so dass eine Rücksprache mit der Geschädigten nicht mehr möglich gewesen sei. Gleichwohl sei es natürlich ein "positives Angebot". Zugute müsse man dem Angeklagten allerdings halten - auch wenn das für Außenstehende schwer nachzuvollziehen sei-, dass innerhalb der möglichen Tatvarianten "ein Finger deutlich weniger schlimm ist, als wenn es jetzt der Penis gewesen wäre". Allerdings habe es sich eben um ein zum Tatzeitpunkt "wirklich junges Kind" gehandelt, das schwere psychische Schäden davongetragen habe. An einer Freiheitsstrafe führe deshalb kein Weg vorbei.

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