Amtsgericht Dachau:Rassistische Attacke bleibt ohne strafrechtliche Folgen

Lesezeit: 3 Min.

Der Fall des 18-jährigen Karlsfelders wird vor dem Dachauer Amtsgericht verhandelt. (Foto: Niels P. Jørgensen)

In der Dachauer Altstadt beleidigen zwei Männer einen 39-jährigen gebürtigen Senegalesen und schlagen ihn. Das Verfahren wird gegen eine Geldauflage eingestellt. Es sei nicht ersichtlich, dass die Gesinnung der beiden Angeklagten "in Schieflage" geraten sei, so der Richter.

Von Jacqueline Lang, Dachau

"Scheißausländer", "Scheißflüchtling", sogar das N-Wort sollen die Angeklagten verwendet haben, um einen 39-jährigen Dachauer, der im Senegal geboren wurde, rassistisch zu beleidigen, auch geschlagen haben sie ihn. Mit der Begründung, dass nicht zu erkennen sei, dass die Gesinnung der beiden nachhaltig "in Schieflage" geraten sei, wird das Verfahren gegen einen 33-jährigen Dachauer und einen 25-jährigen Münchner am Dachauer Amtsgericht trotzdem eingestellt - ohne weitere Zeugen zu vernehmen. Dann hätte man einen weiteren Verhandlungstag ansetzen müssen, daran haben ganz offensichtlich weder Staatsanwalt, noch Richter, noch die beiden Verteidiger ein gesteigertes Interesse. Mit der Auflage an die beiden Männer, jeweils 1250 Euro an den Münchner Verein Flüchtlingshilfe zu überweisen, geht der Fall damit zu den Akten.

Zugetragen hatte sich die Tat am 26. November 2022 in der Dachauer Altstadt. Gegen 2 Uhr haben die beiden Angeklagten in jener Nacht das Lokal "Roxy" in Richtung Mittermayerstraße verlassen. Betrunken haben sie sich, das geben sie zu, über "Flüchtlinge, die unser Sozialsystem ausnutzen", unterhalten. Und ja, dabei sei ihm auch so ein Wort wie "Scheißflüchtling" rausgerutscht, räumt der 25-Jährige ein. Von dem 39-Jährigen, der an ihnen vorbeigelaufen sei und sie daraufhin angesprochen habe, habe er sich "leider Gottes" dazu provozieren lassen, das Wort noch mal zu wiederholen. Daraufhin sei der Streit eskaliert.

Das Verfahren gegen den Geschädigten wurde eingestellt

Wer zuerst zugeschlagen hat, darüber gehen die Aussagen der beiden Angeklagten und des Geschädigten auseinander. Der 25-jährige Münchner sagt zunächst aus, er habe den ersten Faustschlag kassiert, daraufhin habe seine Nase geblutet. Auch sein Freund, der 33-jährige Dachauer, sagt, der 39-jährige Kontrahent habe "völlig unverhältnismäßig" auf die Beleidigung reagiert - mit der er im Übrigen gar nicht persönlich gemeint gewesen sei.

Mehrmals betont er, dass "der, der uns angezeigt hat", es doch gewesen sei, der ihn zu Boden gedrückt habe und dabei fest an der Kapuze seines Pullis gezogen habe. Er sei froh gewesen, dass sein Freund ihm geholfen habe, sonst wäre er "wahrscheinlich nicht mehr aufgestanden".

Dass die Staatsanwaltschaft dies anders sieht, geht nicht nur aus der Anklageschrift hervor: Weil der 33-jährige Angeklagte den Geschädigten ebenfalls noch in der Tatnacht wegen Körperverletzung angezeigt hatte, war zunächst auch gegen ihn ermittelt worden. Schon vor der Verhandlung am Dachauer Amtsgericht wurde dieses Verfahren allerdings eingestellt. Der 39-jährige Dachauer hat sich nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft lediglich verteidigt.

Auch Richter Lorenz kann die Aussagen der Angeklagten nicht so recht in Einklang bringen mit der Anklageschrift und den Aussagen, die ein Augenzeuge, ein zufällig vorbeilaufender Passant, bei der Polizei gemacht hatte. Für ihn klinge die nämlich nicht "so, wie die Nothilfe, die sie beschrieben haben", sagt er in Richtung der Anklagebank. Weitere Befragungen des Augenzeugen wie der beiden diensthabenden Polizisten in jener Nacht scheinen zu diesem Zeitpunkt auch für Richter Lorenz noch unabdingbar.

Der 39-Jährige sagt aus, er sei in der Tatnacht auf dem Heimweg von einer Freundin gewesen. Die erste rassistische Beleidigung habe er noch aus der Ferne vernommen. Erst sei er sich nicht sicher gewesen, ob er das Wort richtig verstanden habe. Als die Angeklagten aber näher kamen, habe kein Zweifel mehr daran bestanden, dass sie ihn meinten. Daraufhin habe er sie zur Rede gestellt.

Der 25-Jährige sei von Anfang an aggressiv gewesen, sein 33-jähriger Begleiter sei erst später handgreiflich geworden. Er selbst habe sich nur verteidigen wollen; tatsächlich hätten es die Täter auch nicht geschafft, ihm ernsthafte Verletzungen zuzufügen.

Die finanzielle Entschädigung will der Geschädigte nicht annehmen

Als der Verteidiger des Münchners, Johannes Buchberger, ihm vorhält, dass er bei seiner ersten Aussage bei der Polizei als ersten Angreifer einen Mann mit Glatze beschrieben habe, sein Mandant aber derjenige mit Haaren auf dem Kopf sei, fällt auf, dass es sich wohl nicht um ein Wortlautprotokoll handeln kann: Weder weiß der Geschädigte sofort, was mit einer "Glatze" gemeint ist, noch scheint "Fußfeger" ein Wort aus seinem Sprachgebrauch zu sein.

Trotz gewisser Unterschiede zwischen seiner damaligen Vernehmung, die ohne Dolmetscher erfolgte, und seiner Vernehmung vor Gericht, die von einer Dolmetscherin begleitet wird, scheint das Gericht keinen Zweifel daran zu haben, dass der Geschädigte in diesem Fall tatsächlich das einzige Opfer ist.

Das erkennt offenbar auch die Verteidigung. Nach einem kurzen Rechtsgespräch unter Ausschluss der Öffentlichkeit entschuldigen sich die beiden Angeklagten sodann mit Handschlag bei dem 39-Jährigen. Was sie gemacht hätten, sei "nicht in Ordnung" gewesen und "kommt nicht mehr vor". Richter Lorenz erklärt noch, dass die beiden Männer eingesehen hätten, dass sie sich falsch verhalten haben, es habe sich wohl um einen "einmaligen Ausrutscher" gehandelt.

Das Geld, das der Richter dem Geschädigten als Entschädigung zukommen lassen will, will dieser nicht annehmen. "Ich brauche das nicht", sagt er mit fester Stimme, während Tränen über seine Wangen laufen. Für den 39-Jährigen ist es nicht das erste Mal, dass er Rassismus erfahren hat, der in körperlicher Gewalt gemündet ist.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMaisacher Moos
:Da muss was zusammenwachsen

Bei Bergkirchen befindet sich einer der größten Moorkomplexe der Münchner Schotterebene. Um ihn in Zukunft zu erhalten, kommt es auch auf die vielen Grundstücksbesitzer an. Elisabeth Göpfert soll zwischen ihnen und Naturschützern vermitteln. Keine leichte Aufgabe.

Von Eva Waltl

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: