Amtsgericht Dachau:Ordentliche Abreibung

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Die Mädchen suchten angeblich nach einer Aussprache. Doch die endete mit einer Rippenbogenprellung für das Opfer: In Dachau stehen fünf Jugendliche vor Gericht. Und keiner will sich so genau an das Geschehene erinnern.

Gregor Schiegl

Fünf Jugendliche, ein Anwalt - dafür ist die Anklagebank im Dachauer Amtsgericht zu kurz; am Montag musste deshalb ein Tisch dazugestellt werden. Was die drei Jungs (15, 17 und 19) zwei Mädchen (19 und 21) zur Anklageschrift zu sagen hatten, war so dürftig und vage, dass Richterin Petra Nolte am Ende der Zeugenvernehmung genervt bilanzierte: "Einer ist verletzt und keiner weiß, warum. Niemand, weiß, worum es eigentlich ging." Auf Nachfrage hatte sie immer wieder ein genuscheltes "Ich habe nicht so genau aufgepasst" zu hören bekommen oder ein "Ich weiß nicht mehr genau".

Das Amtsgericht Dachau musste sich mit einer Beziehung befassen, die harmonisch begann und gewalttätig endete. Symboldbild:  Strafprozess. (Foto: dpa)

An einem Aprilabend waren die fünf mit dem Auto durch Dachau-Ost gefahren. Einer von ihnen - keiner wusste mehr zu sagen, welcher - kam dann auf die Idee, einen Bekannten anzurufen, einen 19-jährigen Dachauer. Man kannte sich: Er ist der Ex-Freund der 21-Jährigen, war zudem locker befreundet mit dem anderen Mädchen, der 19-Jährigen. "Ich wollte nie, dass es so weit kommt", beteuerte sie. "Wir wollten nur reden." Angeblich hatte der alte Bekannte "lauter Lügengeschichten" über die beiden Mädchen verbreitet; das sollte aufhören.

Als der junge Mann, wie vereinbart, kurz nach acht Uhr abends auf dem leeren Gelände eines Dachauer Getränkemarkts ankam, sah er schon den Wagen seiner ehemaligen Freundin. Außer den Mädchen waren da auch noch die drei Jungs. Denen überließen die zwei jungen Damen das Feld für die "Aussprache", die mit einer schmerzhafte Rippenbogenprellung für das Opfer enden sollte.

Sehr merkwürdig fand die Richterin, dass die drei Jungs die Sache in die Hand nahmen, während die Mädchen, die doch angeblich die Aussprache suchten, nur aus der Entfernung zuschauten. Für den Staatsanwalt stellte sich das so dar, dass der Plan von Anfang an der gewesen war, dem herbeigelockten Opfer mal eine ordentliche Abreibung zu verpassen.

Das Auftreten des 19-Jährigen aus der Gruppe spricht dafür. Aggressiv sei er gewesen sagte das Opfer, und seine neue Freundin, die mit dabei war, bestätigte das. Richtig handgreiflich wurde aber der Jüngste im Bunde: Erst trat er dem Opfer in den Hintern, dann schlug er ihm die Faust in den Bauch. Warum? "Man hat nicht immer einen Grund", meinte der Schläger schulterzuckend. Als die Freundin des malträtierten Jugendlichen die Polizei rufen wollte, brachte sich laut Zeugenaussage der 17-Jährige Metzgerlehrling ins Spiel. Man müsse die Polizei nicht rufen, soll er behauptet haben, er selbst sei Polizist. Vor Gericht bestritt er dies vehement.

Die Jugendgerichtshilfe beschreibt ihn als "freundlichen Jugendlichen", der gar nicht fassen könne, an einer Körperverletzung beteiligt gewesen zu sein. Ähnliches gilt für die Mädchen: Die Ältere sei "äußerst schüchtern", die Jüngere sei ebenfalls unsicher, was sich schon daran zeige, "dass ihr ein 15-Jähriger das Heft des Handelns aus der Hand genommen hat". Die drei haben sich nach der Tat sofort bei dem Opfer entschuldigt.

Anders sieht es bei dem 19-Jährigen aus. Ihn charakterisierte die Richterin als "treibende Kraft" der Gruppe, die die anderen aufstachele. Der 15-jährige Schläger war zusätzlich noch angeklagt, weil er einen Bekannten wüst beschimpft und mit einem ausgeklappten Taschenmesser bedroht hat. Worum der Streit ging, wusste er schon nicht mehr zu sagen. Ihn verurteilte das Gericht zu insgesamt zwei Wochenenden Jugendarrest, den 19-Jährigen zu zwei Tagen. "Wer schlägt, der sitzt", so die Richterin.

Der falsche Polizist muss 200 Euro an den Verein Brücke zahlen, die Mädchen können ihre Strafe mit drei Tagen Sozialdienst abarbeiten.

© SZ vom 28.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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